Gerd Breker: Die Staatsmacht im Iran geht nach den gewaltsamen Zusammenstößen weiterhin verstärkt gegen die Opposition vor und mobilisiert zugleich ihre eigenen Anhänger. Gestern wurden wieder zahlreiche Regierungskritiker festgenommen. Ein einflussreicher Geistlicher sprach sich dafür aus, die Führer der Opposition hinzurichten. Für heute wurden landesweite Massenkundgebungen von Regierungsanhängern angekündigt. Ahmadinedschad, auch dank Wahlfälschung weiterhin Präsident, bezeichnet die gegen die Regierung gerichteten Demonstrationen als widerwärtiges, von Israel und den USA gesteuertes Spektakel. Am Telefon bin ich nun verbunden mit Katajun Amirpur. Sie ist iranische Journalistin und Islamwissenschaftlerin. Guten Tag, Frau Amirpur.
Katajun Amirpur: Guten Tag.
Meurer: Was geht derzeit ab im Iran? Sind wir Zeugen einer Endphase der gewalttätigen, blutigen Diktatur in Teheran?
Amirpur: Längerfristig denke ich schon, dass diese Diktatur stürzen wird. Ob sie es jetzt so bald tut und ob das jetzt wirklich die letzte Phase ist, das vermag man im Moment noch nicht zu sagen. Es gibt einiges, was darauf hindeutet, aber es gibt auch sehr viele Anzeichen, wo es sich eben doch von dem unterscheidet, was wir vor 30 Jahren schon mal im Iran erlebt haben, nämlich eine Revolution.
Breker: Wir reden gerne von der Oppositionsbewegung, doch was müssen wir uns darunter vorstellen? Ist das eine geschlossene Einheit? Woraus besteht die Opposition im Iran?
Amirpur: Nein, das ist ganz bestimmt keine geschlossene Einheit. Es ist eine Bewegung, die sich vor sechseinhalb Monaten mehr oder weniger gegründet oder gefunden hat, weil ein großer Teil der Bevölkerung sagt, die Wahl damals am 12. Juni ist gefälscht worden, und es sind eigentlich Leute gewesen, die zuerst mal nur auf die Straße gegangen sind, um zu protestieren und um zu sagen, wo ist meine Stimme, das kann so nicht gewesen sein, wie diese Wahl abgelaufen ist. Dann sind, glaube ich, im Laufe der Zeit einfach noch ganz andere Gruppierungen dazu gekommen. Es gab viele Menschen, die sich vielleicht dieser Bewegung zuerst nicht angeschlossen haben, die dann aber nach dem, was sie beobachtet haben in den letzten sechs, sieben Monaten, nämlich Schauprozesse, Vergewaltigungen und Folter in den Gefängnissen, sehr viele Tote, gesagt haben, selbst wenn wir vielleicht Ahmadinedschad gewählt haben und wenn es der Präsident dieses Landes war, er ist jetzt auch unser Präsident nicht mehr, denn das ist ein illegitimer Staat. Ein Staat, der so gegen seine Demonstranten vorgeht, der so umgeht mit Kritik, die an ihm geübt wird, das ist einfach kein Staat mehr, den wir noch für legitim halten. Hinzu kam, dass religiöse Autoritäten genau das formuliert haben, dass sie gesagt haben, dieser Staat hat einfach keine Legitimation mehr, und so, glaube ich, sind im Laufe der Monate auch sehr viele traditionell eingestellte Iraner oder sehr viele, die einfach älter sind, auch noch zu dieser Opposition hinzu gekommen, wobei das nicht unbedingt die Leute sind, die jetzt auf den Straßen sind, denn viele sind trotzdem zurückhaltend, sympathisieren zwar mit dieser Bewegung, aber sind doch weitestgehend passiv.
Breker: Geht es um Meinungsfreiheit und in keiner Weise um die soziale Lage der Menschen im Iran?
Amirpur: Das spielt durchaus eine Rolle. Natürlich wird auch die soziale Lage kritisiert. Auch da wird gesagt, Ahmadinedschad hat nicht das für uns getan, was er für uns tun wollte, und wir wollen auf jeden Fall einen Wechsel. Das spielt durchaus eine Rolle. Aber ich denke, das Wichtigste ist tatsächlich im Moment, dass man für Freiheit kämpft, für Rechtssicherheit, für Demokratie, für Meinungsfreiheit. Das sind, glaube ich, die zentraleren Punkte, die im Moment im Vordergrund stehen.
Breker: Im Westen wird dieses Regime in Teheran gerne das Mullah-Regime genannt. Sind es denn wirklich noch die Geistlichen, die Träger des Regimes in Teheran sind?
Amirpur: Eigentlich ist dieser Begriff schon seit sehr vielen Jahren falsch. Wir benutzen ihn trotzdem immer noch weiter, aber jetzt ist er inzwischen eigentlich völliger Unsinn, denn wenn man sich anschaut, wer die führenden Köpfe der Opposition sind, so ist Mohammad Chatami ein Geistlicher, Mehdi Karrubi ist ein Geistlicher und auch jemand, der sehr stark sympathisiert mit denen, der ehemalige Staatspräsident Rafsandschani, ist eben auch ein Geistlicher. Auf der anderen Seite haben wir Ahmadinedschad, der Präsident ist und eben kein Geistlicher ist, und wir haben innerhalb der geistlichen Elite Irans unter den Klerikern sehr, sehr viele, die gesagt haben, dieses Regime ist weder islamisch, noch republikanisch, es gab eine Wahlfälschung, das Regime an sich ist illegitim. Insofern haben wir gerade aufseiten der Opposition sehr, sehr viele ranghohe Kleriker. Und man sagt im Moment weitestgehend, dass Iran keine Diktatur der Mullahs sei, sondern tatsächlich eine Diktatur der Sicherheitskräfte.
Breker: Frau Amirpur, wer profitiert denn eigentlich von dem Weiterbestehen des Regimes in Teheran?
Amirpur: Auch das Regime hat immer noch seine Klientel. Es gibt sehr viele Menschen, die dadurch profitieren, die direkt oder indirekt auch finanziell von diesem Regime sehr stark profitieren. Es gibt Leute, die einfach immer noch glauben, dieses Regime sei religiös und sei deswegen heilig und müsse deswegen bis aufs Letzte verteidigt werden. Es gibt Studenten, die nur deswegen, weil sie der Bassiji beigetreten sind, an die Universität kamen. Also es gibt schon auch noch eine Klientel, die davon profitiert und die nicht möchte, dass dieses Regime geht, die Pfründe zu verlieren hat, und aus dieser Klientel rekrutieren sich eben auch die Bassiji-Milizen, die wir in den vergangen Wochen häufig gesehen haben, die ganz brutal einknüppeln und schießen auf die Demonstranten, und das sind wirklich Leute, die auch noch relativ lange mit dem Rücken zur Wand kämpfen werden, eben weil für sie persönlich so viel auf dem Spiel steht. Deswegen ist es noch längst nicht ausgemacht, wer hier den Sieg davontragen wird.
Breker: Frau Amirpur, lassen Sie uns die Frage stellen, was das Ausland tun kann. Es ist ja geradezu ein Klassiker: Bei innenpolitischen Schwierigkeiten wird der Feind draußen im Ausland gesucht, damit man die Menschen im Inland sich einigen lässt und hinter sich versammeln kann. Was kann das Ausland tun? Sind Sanktionen zum jetzigen Zeitpunkt wirklich ein sinnvolles Instrument?
Amirpur: Ich glaube nicht. Sanktionen treffen letztlich immer nur die Bevölkerung und damit ist ja nun wirklich keinem gedient. Man sollte hingehen und dieses Vorgehen der Sicherheitskräfte ganz massiv verurteilen. Es ist sehr wichtig, dass das jetzt passiert ist. In den vergangenen Monaten hat sich die demonstrierende Bevölkerung da zum Teil, glaube ich, sehr allein gelassen gefühlt. Da hat man gesagt, kein Mensch interessiert sich für das, was wir hier durchstehen, kein Mensch interessiert sich für unseren Kampf für Menschenrechte. Es gab im November Demonstrationen in Teheran, da haben die Leute ganz offen geschrien, Obama, was ist denn nun, bist du mit denen, oder bist du mit uns, setz dich doch endlich für uns ein. Damit ist gemeint eine verbale Unterstützung, das möchte man auf jeden Fall haben. Man könnte hingehen und so was wie Visasperren für ranghohe Milizen, für Regierungsmitglieder aussprechen, einfach um den Leuten zu zeigen, dass sie nicht gewollt sind. Aber wirkliche Sanktionen, davon würde ich abraten, das trifft einfach nur die Bevölkerung und niemand sonst.
Breker: Wie verhält sich überhaupt die Bevölkerung? Was macht der einfache Arbeitnehmer, der kleine Händler? Wo steht der, zwischen den Fronten?
Amirpur: Zum Teil schon. Zum Teil sind das einfache Leute mit einer einfachen religiösen Bildung, die immer noch an diesen religiösen Staat glauben, aber die eben auch inzwischen sehen, dass wenn sogar am heiligsten schiitischen Feiertag des Jahres, am letzten Sonntag so in die Massen geschossen wird, die sagen, dieses Regime kann nicht mehr religiös sein, und die natürlich einen Solidaritätskonflikt haben und gar nicht genau wissen, was sie tun sollen. Aber es hat tatsächlich den Anschein, dass das Gros der Bevölkerung sich immer noch sehr stark vor dem fürchtet, wie die Sicherheitskräfte vorgehen, dass sie aber natürlich sympathisieren mit den Leuten, die jetzt auf der Straße sind, dass sie es nur eben leider nicht selber tun und dass deswegen auch noch nicht so ganz klar ist, ob diese Bewegung Erfolg haben kann.
Breker: Frau Amirpur, Sie haben eben selbst angesprochen: vor 30 Jahren gab es die Revolution gegen den Schah. Ähnlichkeiten, sind die zu finden?
Amirpur: Es gibt starke Ähnlichkeiten, weil es natürlich einfach einen breiten gesellschaftlichen Konsens für Wandel gibt. Auch damals war die Bevölkerung wild entschlossen, einen Wandel herbeizuführen. Das ist eine Ähnlichkeit. Aber es gibt eben leider auch große Unterschiede. Es gab vor 30 Jahren eine charismatische Führerpersönlichkeit, Ayatollah Khomeini nämlich. Er hat die Proteste angeführt und die Menschen haben tatsächlich ausgeführt und getan, was er gesagt hat. Das ist in so einer Situation sehr viel wert, wenn es da eine Führerpersönlichkeit gibt, hinter die man sich stellt. Außerdem hat sich der Schah völlig anders verhalten. Der Schah war vor 30 Jahren durchaus um sein Ansehen im Ausland besorgt, er ist auf die Demonstrierenden, die Protestierenden, deren Führer zugegangen und hat Zugeständnisse gemacht. Er hat Leute aus den Gefängnissen entlassen. Also er hat in den Augen der damaligen Opposition, die ja jetzt die Herrschenden sind, Schwäche gezeigt und ist deswegen gefallen. Genau diese damalige Opposition, die jetzt herrscht, sagt, so werden wir nicht reagieren, wir müssen da härter durchgreifen, damit uns genau das nicht passiert, was dem Schah widerfahren ist. Das könnte einer der Gründe sein, warum die Herrschenden jetzt so rigoros gegen die Demonstrierenden vorgehen und einfach so massiv Leute verhaften und wieder in die Gefängnisse stecken und jetzt sogar davon reden, dass man einfach die Anführer alle zum Tode verurteilen muss.
Breker: Im Deutschlandfunk war das die iranische Journalistin und Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur zur Lage im Iran. Frau Amirpur, danke für dieses Gespräch.
Amirpur: Gerne.
Katajun Amirpur: Guten Tag.
Meurer: Was geht derzeit ab im Iran? Sind wir Zeugen einer Endphase der gewalttätigen, blutigen Diktatur in Teheran?
Amirpur: Längerfristig denke ich schon, dass diese Diktatur stürzen wird. Ob sie es jetzt so bald tut und ob das jetzt wirklich die letzte Phase ist, das vermag man im Moment noch nicht zu sagen. Es gibt einiges, was darauf hindeutet, aber es gibt auch sehr viele Anzeichen, wo es sich eben doch von dem unterscheidet, was wir vor 30 Jahren schon mal im Iran erlebt haben, nämlich eine Revolution.
Breker: Wir reden gerne von der Oppositionsbewegung, doch was müssen wir uns darunter vorstellen? Ist das eine geschlossene Einheit? Woraus besteht die Opposition im Iran?
Amirpur: Nein, das ist ganz bestimmt keine geschlossene Einheit. Es ist eine Bewegung, die sich vor sechseinhalb Monaten mehr oder weniger gegründet oder gefunden hat, weil ein großer Teil der Bevölkerung sagt, die Wahl damals am 12. Juni ist gefälscht worden, und es sind eigentlich Leute gewesen, die zuerst mal nur auf die Straße gegangen sind, um zu protestieren und um zu sagen, wo ist meine Stimme, das kann so nicht gewesen sein, wie diese Wahl abgelaufen ist. Dann sind, glaube ich, im Laufe der Zeit einfach noch ganz andere Gruppierungen dazu gekommen. Es gab viele Menschen, die sich vielleicht dieser Bewegung zuerst nicht angeschlossen haben, die dann aber nach dem, was sie beobachtet haben in den letzten sechs, sieben Monaten, nämlich Schauprozesse, Vergewaltigungen und Folter in den Gefängnissen, sehr viele Tote, gesagt haben, selbst wenn wir vielleicht Ahmadinedschad gewählt haben und wenn es der Präsident dieses Landes war, er ist jetzt auch unser Präsident nicht mehr, denn das ist ein illegitimer Staat. Ein Staat, der so gegen seine Demonstranten vorgeht, der so umgeht mit Kritik, die an ihm geübt wird, das ist einfach kein Staat mehr, den wir noch für legitim halten. Hinzu kam, dass religiöse Autoritäten genau das formuliert haben, dass sie gesagt haben, dieser Staat hat einfach keine Legitimation mehr, und so, glaube ich, sind im Laufe der Monate auch sehr viele traditionell eingestellte Iraner oder sehr viele, die einfach älter sind, auch noch zu dieser Opposition hinzu gekommen, wobei das nicht unbedingt die Leute sind, die jetzt auf den Straßen sind, denn viele sind trotzdem zurückhaltend, sympathisieren zwar mit dieser Bewegung, aber sind doch weitestgehend passiv.
Breker: Geht es um Meinungsfreiheit und in keiner Weise um die soziale Lage der Menschen im Iran?
Amirpur: Das spielt durchaus eine Rolle. Natürlich wird auch die soziale Lage kritisiert. Auch da wird gesagt, Ahmadinedschad hat nicht das für uns getan, was er für uns tun wollte, und wir wollen auf jeden Fall einen Wechsel. Das spielt durchaus eine Rolle. Aber ich denke, das Wichtigste ist tatsächlich im Moment, dass man für Freiheit kämpft, für Rechtssicherheit, für Demokratie, für Meinungsfreiheit. Das sind, glaube ich, die zentraleren Punkte, die im Moment im Vordergrund stehen.
Breker: Im Westen wird dieses Regime in Teheran gerne das Mullah-Regime genannt. Sind es denn wirklich noch die Geistlichen, die Träger des Regimes in Teheran sind?
Amirpur: Eigentlich ist dieser Begriff schon seit sehr vielen Jahren falsch. Wir benutzen ihn trotzdem immer noch weiter, aber jetzt ist er inzwischen eigentlich völliger Unsinn, denn wenn man sich anschaut, wer die führenden Köpfe der Opposition sind, so ist Mohammad Chatami ein Geistlicher, Mehdi Karrubi ist ein Geistlicher und auch jemand, der sehr stark sympathisiert mit denen, der ehemalige Staatspräsident Rafsandschani, ist eben auch ein Geistlicher. Auf der anderen Seite haben wir Ahmadinedschad, der Präsident ist und eben kein Geistlicher ist, und wir haben innerhalb der geistlichen Elite Irans unter den Klerikern sehr, sehr viele, die gesagt haben, dieses Regime ist weder islamisch, noch republikanisch, es gab eine Wahlfälschung, das Regime an sich ist illegitim. Insofern haben wir gerade aufseiten der Opposition sehr, sehr viele ranghohe Kleriker. Und man sagt im Moment weitestgehend, dass Iran keine Diktatur der Mullahs sei, sondern tatsächlich eine Diktatur der Sicherheitskräfte.
Breker: Frau Amirpur, wer profitiert denn eigentlich von dem Weiterbestehen des Regimes in Teheran?
Amirpur: Auch das Regime hat immer noch seine Klientel. Es gibt sehr viele Menschen, die dadurch profitieren, die direkt oder indirekt auch finanziell von diesem Regime sehr stark profitieren. Es gibt Leute, die einfach immer noch glauben, dieses Regime sei religiös und sei deswegen heilig und müsse deswegen bis aufs Letzte verteidigt werden. Es gibt Studenten, die nur deswegen, weil sie der Bassiji beigetreten sind, an die Universität kamen. Also es gibt schon auch noch eine Klientel, die davon profitiert und die nicht möchte, dass dieses Regime geht, die Pfründe zu verlieren hat, und aus dieser Klientel rekrutieren sich eben auch die Bassiji-Milizen, die wir in den vergangen Wochen häufig gesehen haben, die ganz brutal einknüppeln und schießen auf die Demonstranten, und das sind wirklich Leute, die auch noch relativ lange mit dem Rücken zur Wand kämpfen werden, eben weil für sie persönlich so viel auf dem Spiel steht. Deswegen ist es noch längst nicht ausgemacht, wer hier den Sieg davontragen wird.
Breker: Frau Amirpur, lassen Sie uns die Frage stellen, was das Ausland tun kann. Es ist ja geradezu ein Klassiker: Bei innenpolitischen Schwierigkeiten wird der Feind draußen im Ausland gesucht, damit man die Menschen im Inland sich einigen lässt und hinter sich versammeln kann. Was kann das Ausland tun? Sind Sanktionen zum jetzigen Zeitpunkt wirklich ein sinnvolles Instrument?
Amirpur: Ich glaube nicht. Sanktionen treffen letztlich immer nur die Bevölkerung und damit ist ja nun wirklich keinem gedient. Man sollte hingehen und dieses Vorgehen der Sicherheitskräfte ganz massiv verurteilen. Es ist sehr wichtig, dass das jetzt passiert ist. In den vergangenen Monaten hat sich die demonstrierende Bevölkerung da zum Teil, glaube ich, sehr allein gelassen gefühlt. Da hat man gesagt, kein Mensch interessiert sich für das, was wir hier durchstehen, kein Mensch interessiert sich für unseren Kampf für Menschenrechte. Es gab im November Demonstrationen in Teheran, da haben die Leute ganz offen geschrien, Obama, was ist denn nun, bist du mit denen, oder bist du mit uns, setz dich doch endlich für uns ein. Damit ist gemeint eine verbale Unterstützung, das möchte man auf jeden Fall haben. Man könnte hingehen und so was wie Visasperren für ranghohe Milizen, für Regierungsmitglieder aussprechen, einfach um den Leuten zu zeigen, dass sie nicht gewollt sind. Aber wirkliche Sanktionen, davon würde ich abraten, das trifft einfach nur die Bevölkerung und niemand sonst.
Breker: Wie verhält sich überhaupt die Bevölkerung? Was macht der einfache Arbeitnehmer, der kleine Händler? Wo steht der, zwischen den Fronten?
Amirpur: Zum Teil schon. Zum Teil sind das einfache Leute mit einer einfachen religiösen Bildung, die immer noch an diesen religiösen Staat glauben, aber die eben auch inzwischen sehen, dass wenn sogar am heiligsten schiitischen Feiertag des Jahres, am letzten Sonntag so in die Massen geschossen wird, die sagen, dieses Regime kann nicht mehr religiös sein, und die natürlich einen Solidaritätskonflikt haben und gar nicht genau wissen, was sie tun sollen. Aber es hat tatsächlich den Anschein, dass das Gros der Bevölkerung sich immer noch sehr stark vor dem fürchtet, wie die Sicherheitskräfte vorgehen, dass sie aber natürlich sympathisieren mit den Leuten, die jetzt auf der Straße sind, dass sie es nur eben leider nicht selber tun und dass deswegen auch noch nicht so ganz klar ist, ob diese Bewegung Erfolg haben kann.
Breker: Frau Amirpur, Sie haben eben selbst angesprochen: vor 30 Jahren gab es die Revolution gegen den Schah. Ähnlichkeiten, sind die zu finden?
Amirpur: Es gibt starke Ähnlichkeiten, weil es natürlich einfach einen breiten gesellschaftlichen Konsens für Wandel gibt. Auch damals war die Bevölkerung wild entschlossen, einen Wandel herbeizuführen. Das ist eine Ähnlichkeit. Aber es gibt eben leider auch große Unterschiede. Es gab vor 30 Jahren eine charismatische Führerpersönlichkeit, Ayatollah Khomeini nämlich. Er hat die Proteste angeführt und die Menschen haben tatsächlich ausgeführt und getan, was er gesagt hat. Das ist in so einer Situation sehr viel wert, wenn es da eine Führerpersönlichkeit gibt, hinter die man sich stellt. Außerdem hat sich der Schah völlig anders verhalten. Der Schah war vor 30 Jahren durchaus um sein Ansehen im Ausland besorgt, er ist auf die Demonstrierenden, die Protestierenden, deren Führer zugegangen und hat Zugeständnisse gemacht. Er hat Leute aus den Gefängnissen entlassen. Also er hat in den Augen der damaligen Opposition, die ja jetzt die Herrschenden sind, Schwäche gezeigt und ist deswegen gefallen. Genau diese damalige Opposition, die jetzt herrscht, sagt, so werden wir nicht reagieren, wir müssen da härter durchgreifen, damit uns genau das nicht passiert, was dem Schah widerfahren ist. Das könnte einer der Gründe sein, warum die Herrschenden jetzt so rigoros gegen die Demonstrierenden vorgehen und einfach so massiv Leute verhaften und wieder in die Gefängnisse stecken und jetzt sogar davon reden, dass man einfach die Anführer alle zum Tode verurteilen muss.
Breker: Im Deutschlandfunk war das die iranische Journalistin und Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur zur Lage im Iran. Frau Amirpur, danke für dieses Gespräch.
Amirpur: Gerne.