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Einigung zu EU-Verteidigungsfonds
Großer Fortschritt oder überflüssige Geldspritze?

Um die finanzielle Verschwendung im Militärbereich einzudämmen, hat sich die EU kürzlich auf einen Verteidigungsfonds geeinigt. Die Mitgliedsländer sollen mit einer Geldspritze dazu bewegt werden, gemeinsame Rüstungsprojekte zu entwickeln. Kritiker sehen darin eine unnötige Unterstützung der Rüstungsindustrie.

Von Bettina Klein | 28.02.2019
Ein vom französischen Rüstungskonzern DCNS zur Verfügung gestelltes Foto eines neuen U-Boots.
Aus Sicht der Kritiker sind die voraussichtlich 13 Milliarden Euro im nächsten EU Haushalt eine unnötige Unterstützung der Rüstungsindustrie (dpa / AAP / Dcns Group)
Am Anfang stand eine gute Idee. 178 verschiedene Waffensysteme leistet sich die Europäische Union. So rechnete die EU Kommission im Sommer 2017 vor. Sechsmal so viele wie die Vereinigten Staaten mit ihrem viel größeren Militärbudget. Und 29 verschiedene Zerstörer und Fregatten. Die USA dagegen nur vier. Das war stark vereinfacht, aber jeder hatte eine Vorstellung vom Ausmaß der Verschwendung im Militärbereich, die viele in Europa beklagen. Pro Jahr zwischen 25 und 100 Milliarden Euro, so schätzte die Kommission.
"Es gibt kaum einen Politikbereich, wo das Geld so ineffizient ausgegeben wird", sagt Michael Gahler (CDU), zuständig für Verteidigungsfragen in der EVP-Fraktion des Europaparlaments. "In der früheren Phase, wo wir viel gespart haben, haben wir unkoordiniert gespart. Man hat nicht gefragt: Was sparst du dir denn ein, dann hab ich das vielleicht. Oder umgekehrt. Das heißt, in der Sparphase hat man das sehr unkoordiniert gemacht. Auch hat man sich ganz auf seine nationalen Industrien bezogen hat, nach dem Motto, die müssen wir wenigstens noch am Leben halten bei den reduzierten Etats."
Kleinstaaterei auf dem Gebiete der Rüstung
Und heute ist es nicht viel anders. Fehlende Effizienz, mangelnder Wettbewerb und nicht vorhandene Größenvorteile für Industrie und Produktion. Mit anderen Worten: Kleinstaaterei auf dem Gebiete der Rüstung. Seit 2014 wird wieder mehr für die Verteidigung ausgegeben. In den letzten zwei Jahren ist die EU bei einer gemeinsamen Verteidigungspolitik ein ganzes Stück vorangekommen. Doch der ganz überwiegende Teil vollzieht sich auf nationaler Ebene.
Doppel- und Dreifachstrukturen sind die Folge. Da man sich untereinander nicht abstimmt, hapert es im Falle des Falles bei der Zusammenarbeit, weil die Ausrüstungen nicht zusammenpassen. Im Fachjargon: Sie sind nicht interoperabel. Ein Ausweg wurde gesucht. Die Idee: Die EU schafft einen finanziellen Anreiz, etwas zu verändern.
"Wenn ihr euch dann aus mindestens mit drei Staaten oder mit drei Konsortien zusammentut, dann gibt es zunächst mal 20 Prozent dazu."
Mehr Kooperation, um an Gelder zu kommen
Wenn sich also mehrere Staaten zusammenschließen und in einer bestimmten Größenordnung gemeinsam Rüstungsgüter entwickeln, gibt es in Zukunft einen Zuschuss aus dem EU Haushalt. Die Hoffnung: Um an die Geldspritze zu kommen, verständigen sich Staaten auf gemeinsame Projekte. So würde die EU die Rüstungsausgaben steuern und zu weniger Verschwendung anregen. Soweit die Theorie und der Plan. Nach den Trilog-Verhandlungen zwischen Rat, Kommission und Parlament zeigt sich jedoch: Nicht alle sind zufrieden.
"Die versprochene Richtung würde eigentlich stimmen. Aber man kommt in diese Richtung nicht wirklich voran", sagt Reinhard Bütikofer von den Grünen im Europaparlament. "Leider wurden unsere Vorschläge, wie man durch konkrete Regelungen Duplizierungen vermeiden kann, wie man vermeiden kann, dass Geld für Sachen ausgegeben wird, die es anderswo schon gibt, in den Verhandlungen immer abgelehnt."
Was Bütikofer sich gewünscht hätte: Klarere, schärfere Kriterien für die Vergabe der Mittel. Ein besonderes Effizienzgebot. Ein ausdrückliches Verbot der Doppelung. Er, wie auch Abgeordnete der SPD, verweisen auf die schon bestehende Richtlinie zur Beschaffung von Verteidigungsgütern aus dem Jahre 2009. Die sollte damals bereits für einen europäischen Markt in diesem Bereich sorgen, für mehr Wettbewerb und Transparenz bei Ausschreibungen. Allerdings gestattet Artikel 346 des EU-Vertrages Ausnahmen mit Verweis auf die nationale Sicherheit. Mit anderen Worten: Die Staaten der EU wollen sich nur ungern an diese Richtlinie halten.
Kritiker: Rüstungsindustrie wird unnötig unterstützt
Aus Sicht der Kritiker sind die voraussichtlich 13 Milliarden Euro im nächsten EU Haushalt eine unnötige Unterstützung der Rüstungsindustrie.
Für Effizienz ist insofern gesorgt, dass man größere Mengen anschafft und nicht mehr nationale Sonderwünsche berücksichtigt, meint dagegen Michael Gahler. Die europäische Rüstungsindustrie zu stärken – aus seiner Sicht ein völlig legitimes Ziel in diesen Zeiten.
"Man kann sich natürlich auf den Standpunkt vielleicht von Herrn Trump stellen, wenn ihr schon mehr für die Verteidigung ausgebt, dann kauft ihr das am besten alles in den USA. Das ist eigentlich meine Zielvorstellung. Wir sind zwar hoffentlich weiter gute Verbündete, aber wir sind auch Konkurrenten auch in dem Bereich. Und ich finde, wir sollten das was wir hier brauchen auch selber herstellen, damit wir auch selber immer den Zugriff darauf haben. "