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Eisele: Kinshasa "relativ stabil"

General a.D. Manfred Eisele hat die Zustimmung des Bundestages zu einen Kongo-Einsatz der Bundeswehr als eine "verantwortungsbewusste Entscheidung" bezeichnet. Der Provinzen des Kongo, in den die europäische Union ihre Mission entsenden wolle, nämlich die Gegend um Kinshasa, sei seit etlichen Jahren "relativ stabil", so Eisele.

Moderation: Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Seit heute Mittag also beschlossene Sache: der Kongo-Einsatz der Bundeswehr. Fast 800 Soldaten in heikler Mission. Auch an anderen Stellen dieser Welt riskieren deutsche Soldaten Tag für Tag ihr Leben. Seit über vier Jahren verteidigt die Bundeswehr die deutsche Sicherheit am Hindukush. Mittlerweile sind dort rund 2.500 Soldaten. Seit heute haben sie besondere Verantwortung übernommen. Ein deutscher General hat das Kommando über die internationale Schutztruppe in Nord-Afghanistan. Die schweren Ausschreitungen in Kabul und die Anschläge und Gefechte in vielen Teilen des Landes zeigen die gestiegene Brisanz dieser Aufgabe.
    Bei mir am Telefon ist nun der ehemalige Bundeswehrgeneral Manfred Eisele, früher auch beigeordneter UN-Generalsekretär. Guten Tag Herr Eisele!

    Manfred Eisele: Grüß Gott Herr Heinlein!

    Heinlein: Afghanistan, Kongo, demnächst vielleicht auch noch Darfur. Was gehen uns diese Kriege an? Warum müssen deutsche Soldaten dort ihr Leben riskieren?

    Eisele: Weil die Bundesrepublik Deutschland Mitglied unterschiedlicher supranationaler Organisationen wie der Europäischen Union, der NATO und vor allen Dingen der Vereinten Nationen ist und es gilt, im Rahmen vor allen Dingen der Weltorganisationen Mitverantwortung für den Frieden in der Welt zu schultern.

    Heinlein: Wird die deutsche Sicherheit also nicht nur am Hindukush, wie es Peter Struck, der ehemalige Verteidigungsminister, einmal formuliert hat, sondern auch im Kongo und überall auf dieser Welt verteidigt?

    Eisele: Das kann man sicher nicht so generell sagen, denn die beiden Mandate für die deutsche Afghanistan-Mission und die bevorstehende im Kongo sind doch fundamental unterschiedlich. Aber generell darf man schon sagen, dass Deutschland damit einen wesentlichen Beitrag zu gemeinsamer Verantwortung für den Frieden in der Welt leistet.

    Heinlein: Wir sind also Mitglied im Klub der Länder, die Soldaten für Friedenseinsätze weltweit verschicken, so wie es die Opposition heute Vormittag im Bundestag formuliert hat?

    Eisele: Nein, ich würde nicht sagen verschickt, sondern es ist ja hier in beiden Fällen durchaus eine verantwortungsbewusste Entscheidung der verantwortlichen deutschen Politik getroffen worden. Es gilt noch einmal festzustellen, dass die Szenarien in Afghanistan und im Kongo fundamental unterschiedlich sind. Deswegen ist es auch schwer, sie direkt miteinander zu vergleichen und sozusagen über einen Kamm zu scheren.

    Heinlein: Verantwortungsbewusste Entscheidung, haben Sie gerade gesagt. Bleiben wir beim Kongo. Genau dies wurde ja von der Opposition heute Vormittag bemängelt. Halten Sie denn die politischen Vorgaben, die Ziele für diesen Einsatz, für diese Kongo-Mission für ausreichend?

    Eisele: Das muss man natürlich in erster Linie politisch beurteilen. Hierbei ist aber zu sehen, dass die sicher durchaus vorhandenen Gefährdungen aller ausländischen Interventionskräfte im Kongo auch geographisch erheblich differieren zwischen dem nach wie vor nicht befriedeten Osten, vor allen Dingen den Kivu-Provinzen von Ituri bis ins südliche Katanga hinein, und dem Bereich, in den die europäische Union ihre Mission entsenden will, nämlich die Gegend um Kinshasa.
    Man muss sich ja vorstellen, dass Kinshasa von den Ostprovinzen etwa so weit entfernt ist wie Portugal von Weißrussland. Um im Bild zu bleiben: in Weißrussland, bezogen also auf den Kongo, die Ituri- und Kivu-Provinzen, ist es unruhig und im sozusagen kongolesischen Portugal um Kinshasa herum ist es derzeit – und zwar schon seit etlichen Jahren könnte man sagen – relativ stabil.

    Heinlein: Glauben Sie tatsächlich, dass die Mission nur auf die Hauptstadt begrenzt werden kann, wenn es an anderen Stellen des Landes nach der Wahl, wie ja viele befürchten, brennen wird und vielleicht französische Kameraden in Gefahr geraten?

    Eisele: Man muss ja sehen, dass das Mandat sich eindeutig auf die Region Kinshasa begrenzt. Das wird man nicht mit dem Metermaß abmessen können, aber die Entfernung von Kinshasa bis ostwärts Kisangani, bis Bunja, Goma etwa und an die ruandische Grenze sind so groß, dass ein dramatisches Ereignis, das sich im Osten des Kongo abspielt, keine unmittelbaren Auswirkungen auf die EU-Truppe haben wird und die EU-Truppe natürlich auch von ihrer Stärke her gar nicht in der Lage wäre, etwa dramatische Zuspitzungen in weit entfernten Regionen zu konterkarieren.

    Heinlein: Glauben Sie denn, Herr Eisele, dass diese hehren politischen Vorgaben, die es bei den Vereinten Nationen oder auch jetzt im Bundestag gibt, bei den Soldaten vor Ort dann tatsächlich ankommen werden, die im Kongo ihre Arbeit leisten müssen? Der Wehrbeauftragte – wir haben ihn in dem Bericht gehört – hat gesagt, es gibt erhebliche Ablehnung, Motivationsprobleme. So hört man es vom Bundeswehrverband. Glauben Sie, dass die Soldaten das nachvollziehen können, was die Politik entscheidet?

    Eisele: Die Hauptaufgabe liegt hier sicher in der bereits beginnenden Vorbereitung der nach Afrika zu entsendenden Soldaten. Hier muss man auch sehen, dass die Mehrzahl der Befürchtungen eher in der erheblichen kulturellen Differenz gegenüber Schwarzafrika zu finden sind. Das heißt die Vorstellung, dass es nicht mehr wie in Afghanistan oder auf dem Balkan schwarzhäutige Menschen sind, denen man dort gegenüberstehen könnte, führt zu Beunruhigung und bedarf dementsprechend besonders sorgfältiger auch psychologischer Vorbereitung der Soldaten, die dorthin entsandt werden sollen.

    Heinlein: Kann denn die Bundeswehr diese notwendige Vorbereitung, wie Sie sie gerade beschrieben haben, in dieser kurzen Zeit noch leisten?

    Eisele: Das ist eine große Herausforderung. Von den organisatorischen Voraussetzungen her sind die Vorbereitungsmöglichkeiten der Bundeswehr sicher gegeben, aber dieses völlig neue Szenario, in einem schwarzafrikanischen Land eingesetzt zu werden, wird sich auch vor Ort noch als problematisch herausstellen.

    Heinlein: Hilft es denn in diesem Zusammenhang, Herr Eisele, wenn der Bundeswehrverband, also die Interessenvertretung der Soldaten sagt, dieser ganze Kongo-Einsatz sei politisches Show-Business mit militärischen Mitteln?

    Eisele: Das halte ich für eine sehr kühne Behauptung, denn man muss ja eindeutig sehen, dass Deutschland derzeit in der Pflicht steht, eine Führungsrolle innerhalb der Europäischen Union in der Entwicklung der gemeinsamen europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu übernehmen. Wir sind sozusagen innerhalb der EU gerade dran. Wenn das ganze Mandat ein halbes Jahr später erfolgt wäre, dann wäre eine andere europäische Nation dran gewesen. Aber jetzt wo die Europäische Union das erste Mal in einen größeren Einsatz gehen soll, kann sich Deutschland schlecht verweigern. Es würde insgesamt dem Ansehen der Europäischen Union als friedensstiftender Zusammenschluss europäischer Nationen schweren Schaden zufügen.