Dienstag, 19. März 2024

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Elektroauto versus Diesel
"Klimabilanz des Elektrofahrzeugs heute schon positiv"

Auch beim heutigen Strommix sei das Elektoauto schon etwa ein Drittel besser über die gesamte Lebensdauer als ein vergleichbares Dieselfahrzeug, sagte Florian Hacker vom Öko-Institut im Dlf. Damit sei es heute schon als Klimaschutzmaßnahme wirksam. Beim Diesel gäbe es hingegen große Fragezeichen.

Florian Hacker im Gespräch mit Stefan Römermann | 13.09.2017
    Ein weißes Elektrofahrzeug vom Typ BMW i3 wird an einer E-Tankstelle aufgeladen
    Laut Öko-Institut gibt es mit der jetzt anstehenden Elektro-Fahrzeuggeneration einen deutlichen Sprung an Reichweite von 150 auf grob 300 Kilometer. (dpa / Patrick Pleul)
    Stefan Römermann: Den Diesel wird es noch viele, viele Jahre geben. Das sagt niemand Geringeres als die Bundeskanzlerin Angela Merkel. Wir bräuchten den Diesel als Brückentechnologie, um die Klimaschutzziele zu erreichen.
    Die deutschen Autohersteller wird das freuen, denn auf der Automobilmesse IAA, die morgen in Frankfurt ihre Türen öffnet, werden schließlich auch in diesem Jahr wieder massenhaft neue Dieselfahrzeuge vorgestellt. Darüber spreche ich jetzt mit Florian Hacker vom Öko-Institut. Herr Hacker, helfen uns denn die Dieselfahrzeuge wirklich beim Klimaschutz, oder könnten wir das mit den Elektrofahrzeugen eigentlich genauso gut machen?
    Florian Hacker: Richtig ist, wir haben heute noch sehr viele Dieselfahrzeuge im Markt. Richtig ist aber auch, dass die Klimabilanz eines Elektrofahrzeugs auch heute schon positiv ist gegenüber einem Diesel. Es wird ja viel darüber auch diskutiert, dass die Herstellungsphase besonders zu Buche schlägt. Das ist richtig. Die Batterieherstellung ist energieintensiv, auch heute noch CO2-intensiv. Aber auch aktuelle Rechnungen von uns zeigen, dass ein Elektrofahrzeug auch beim heutigen Strommix schon etwa ein Drittel besser ist über die gesamte Lebensdauer als ein vergleichbares Dieselfahrzeug. Das heißt, heute ist es schon als Klimaschutzmaßnahme wirksam. Und man muss berücksichtigen: Beim Strom haben wir die Energiewende eingeleitet. Wir haben verbindliche Ziele. Das heißt, das Elektrofahrzeug, das wird von Jahr zu Jahr eine bessere Bilanz haben. Beim Dieselfahrzeug ist da gerade ein sehr großes Fragezeichen zu versehen.
    Kostenparität Diesel und Elektro "kurz nach 2020"
    Römermann: Vom Diesel würden Sie im Zweifelsfall jetzt eher abraten aus Klimagründen und eher zu einem Elektrofahrzeug raten?
    Hacker: Die Argumentation beim Diesel ist ja, dass er in der Vergangenheit oder bis heute einen CO2-Vorteil gegenüber dem Benzinfahrzeug hat, und die deutschen Hersteller haben anders als ausländische Hersteller sehr stark auf den Diesel gesetzt. Jetzt gibt es aber das Dilemma der zwei Größen, Luftschadstoffe und Verbrauch. Auf die zu optimieren, ist extrem schwierig. Man sieht, dass das teilweise mit Betrug, ich will jetzt gar nicht sagen, geklappt hat, aber versucht wurde, das unter einen Hut zu bringen. Und angesichts der starken Luftschadstoff-Anforderungen wird sich da auch einfach ein Kostenproblem auftun, weil absehbar ist, dass die Dieseltechnologie, wenn man die Grenzwerte einhalten will, auch dann wesentlich teurer wird und schon kurz nach 2020 wir auch eine Kostenparität haben, die Elektrofahrzeuge mit dem Diesel auch kostenmäßig mithalten können, was die Anschaffung angeht.
    "Erneuerbare Ausbauziele entsprechend anpassen"
    Römermann: Sie sagen, wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, selbst wenn ich mein schönes Elektroauto mit dreckiger Braunkohle füttere, bleibt die Energiebilanz unterm Strich eigentlich doch positiv?
    Hacker: Nein. Wenn wir es rein mit Braunkohle bilanzieren würden, dann ist die Bilanz nicht positiv. Aber wir machen auch Analysen dazu. Heute ist sehr legitim mit dem Strommix zu rechnen. Dann ist es positiv. Wichtig ist aber auch, dass wir die erneuerbaren Ausbauziele entsprechend anpassen. Das sind heute relative Ziele. Das heißt, wenn wir eine größere Stromnachfrage haben, dann muss auch die EE-Kapazität angepasst werden.
    Römermann: Die EE-Kapazität?
    Hacker: Entschuldigung! Das heißt, die Wind- und Solarkraft stärker ausbauen als bisher geplant, wenn da eine zusätzliche Nachfrage aus dem Verkehr kommt.
    Römermann: Wenn ich jetzt tatsächlich mein Elektroauto mit Ökostrom betreibe, habe ich dann wirklich ein komplett sauberes Auto, oder doch nicht so ganz?
    "Auf zertifizierte Ökostromprodukte achten"
    Hacker: Es ist schwierig, die Debatte um Ökostrom. Wichtig ist bei Ökostrom immer, dass es zertifizierter Ökostrom ist. Sonst ist es ein Verschiebebahnhof. Ich kaufe den grünen Strom, der sowieso im Netz ist, und andere bekommen den grauen. Wichtig ist, dass es eine zusätzliche Ausbauwirkung haben. Das haben nur zertifizierte Ökostromprodukte. Dafür gibt es gewisse Label, auf die man achten soll. Trotzdem ist auch richtig heute der Hauptzubauerfolg über das Erneuerbare Energiengesetz und die entsprechenden Ziele. Ich als Nutzer kann über ein hochwertiges Ökostromprodukt einen zusätzlichen finanziellen Beitrag leisten für den Ausbau der Erneuerbaren, somit die Zielerreichung erleichtern. Grundsätzlich kann ich aber nicht per se, wenn ich Ökostrom tanke, die Fahrzeugbilanz mit null rechnen.
    Reichweitensprung von 150 auf grob 300 Kilometer
    Römermann: Würden Sie denn sagen, kann man jetzt tatsächlich auch schon Elektrofahrzeuge bedenkenlos empfehlen an Verbraucher, oder lieber noch vorsichtig sein und doch noch mal vielleicht nicht einen Diesel, aber einen Benziner zumindest kaufen?
    Hacker: Das Problem ist ja in der Tat das Modellangebot. Das ist sehr gering und da würde ich sagen, da haben auch die Hersteller durchaus ihren Anteil dran, dass sie nicht massiv in die neue Technologie gegangen sind. Es gibt einige Fahrzeuge schon am Markt, die auch wirklich mittlerweile – das sagen uns Verbraucher, wir begleiten das auch in der Praxis sehr intensiv -, sehr verlässlich sind. Ein Kritikpunkt ist immer noch die Reichweite, wobei auch da Verbraucher sagen, mit der jetzt anstehenden Fahrzeuggeneration gibt es da einen deutlichen Sprung von 150 auf grob 300 Kilometer, und viele Verbraucher sagen, dann ist eigentlich für mich ein Großteil der Probleme behoben. Da würde ich auf jeden Fall den Verbrauchern raten, jetzt genau zu gucken, was an neuen Fahrzeugen auf den Markt kommt, und vermutlich ist das dann die bessere Wahl.
    "Alleskönnerfahrzeug ökologisch nicht mehr sinnvoll"
    Römermann: Ein großes Thema auf der Automesse ist auch das Thema selbstfahrende Autos. Könnte die Klimabilanz das eigentlich verbessern oder eher verschlechtern? Wie sehen Sie das?
    Hacker: Die Diskussion darum ist noch sehr kontrovers, sowohl was die Anwendung und was die Einsatzzwecke angeht als auch die Umweltwirkung. Es ist einerseits vorstellbar, dass noch mehr Auto gefahren wird, weil es noch komfortabler wird und Personen, die bisher nicht Auto fahren konnten, weil sie zu jung sind oder weil sie vielleicht auch in einem Alter sind, wo das nicht mehr möglich ist, dann auch Auto fahren können. Ein anderes Szenario, das mir ganz wichtig im Zusammenhang mit Elektromobilität ist: In der Mobilitätswelt wird sich noch mehr ändern und wahrscheinlich auch das Elektrofahrzeug in so einer Welt eine viel größere Rolle spielen, weil ich denke, das Alleskönnerfahrzeug, was ich in der Garage stehen habe, ist dann in so einer Welt sowohl ökonomisch als auch ökologisch nicht mehr sinnvoll.
    Römermann: Florian Hacker, Mobilitätsexperte beim Öko-Institut. Ich sage vielen Dank für das Gespräch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.