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Endlich mal erklärt
Braucht man noch Bücher aus Papier?

Sie sind federleicht und speichern endlos viele Textseiten. Auch ein Tauchgang in der Badewanne kann ihnen nichts anhaben. Gerade Viel- und Unterwegsleser lieben das E-Book. Und doch bestätigt die Wissenschaft: Die Lektüre eines Papierbuches ist intensiver und nachhaltiger.

Von Maike Albath | 29.04.2020
Ein Mann entnimmt ein E-Book-Reader aus einem Bücherregal
Seite an Seite - das E-Book und das gute alte Papierbuch (picture alliance/dpa/Zacharie Scheurer)
Durch unsere elektronischen Lesegeräte sind wir rundum bestens mit Gedrucktem versorgt, auch wenn die Buchstaben nur noch als Pixel über den Bildschirm flimmern. Wer sich mit Hilfsmitteln wie Tolino oder Kindle ausstattet, wer ein Tablet besitzt oder ein schlichtes Smartphone, kann überall lesen und hat immer einen Koffer voller Bücher dabei. Einen Koffer? Ganze Regale und halbe Bibliotheken!
Das elektronische Lesen ist also platzsparend, es erlaubt Mobilität, wirkt irgendwie moderner und verlangt auch nicht das Fällen ganzer Wälder. Und schließlich kann man in Zeiten von Corona rund um die Uhr über Portale, Bibliotheken und Buchläden auf die digitalen Angebote zurückgreifen. Wozu also brauchen wir dann noch so etwas Altmodisches wie ein gedrucktes Buch mit echten Seiten, die man auch noch mühsam umblättern muss?
Geistiges Durchdringen
Ganz einfach: Die guten alten Bücher erlauben eine andere Art von Vertiefung. Ob wir einen Text nämlich tatsächlich verstehen und geistig durchdringen, hängt entscheidend vom Medium ab. Untersuchungen von Hirnphysiologen, Kognitionsforschern und Erziehungswissenschaftlern mit elektronischen Schulbüchern haben gezeigt, dass zwischen einem gedruckten und einem digitalen Lehrbuch auch für bildschirmgewohnte Kinder und Jugendliche ein markanter Unterschied besteht.
Zusammenhänge be-greifen
Das Begreifen von Zusammenhängen und die Anwendung von Gelesenem gelingen mit der klassischen linearen Lektüre eines Buches aus Papier sehr viel besser. Ein Gedicht auf einer Buchseite prägt sich rascher ein als eines auf einer Website, denn das Gedächtnis arbeitet mit räumlichen Bezügen. Das Lesen am Bildschirm ist dagegen oberflächlicher, flüchtiger und störungsanfälliger. Irgendwo lauert immer die nächste Mail, irgendwann klingelt immer das Briefkastengeräusch einer Whatsapp-Nachricht.
Auf einem aufgeschlagenen Kunstlexikon liegt eine Brille
Spezialwissen der Kultur - Endlich mal erklärt Postdramatik? Dystopie? Keine Ahnung. Jede Kulturszene pflegt ihre Fachausdrücke, weil sie griffig sind. Wir erklären endlich mal die Begriffe der Spezialsprachen und antworten auf Fragen, die man sich vielleicht nicht zu stellen traut. Denn Arroganz war gestern.
Gerade Gesellschaften, die selbständiges Denken, Einfallsreichtum und ein kritisches Urteilsvermögen fördern wollen, sollten deshalb Wert auf den Umgang mit echten Büchern legen. Schließlich ist das vertiefte Lesen eine unserer zentralen Kulturtechniken. Und nicht zuletzt bietet ein Buch aus Papier immer auch ein haptisches Erlebnis. Wer jemals in einer mittelalterlichen Handschrift blättern durfte, wird diese Erfahrung nicht mehr vergessen.