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Endlich mal erklärt
Warum tragen Orchestermusiker Schwarz?

Wenn Musiker in großen Konzerthäusern auf die Bühnen treten, tragen sie häufig einen schwarzen Anzug oder sogar einen Frack. Diese Kleider sind nicht unbedingt bequem, aber sie bieten eine gewisse Uniformität der Erscheinung, die ursprünglich sogar gewünscht war.

Von Mascha Drost | 01.05.2020
Das Blasorchester der Königlich Niederländischen Marine im Amsterdamer Concertgebouw
Das Blasorchester der Königlich Niederländischen Marine im Amsterdamer Concertgebouw (Joyce Rutjes/Concertgebouw)
Mit Erstarken des Bürgertums im 19. Jahrhundert entwickelte sich ein öffentliches Konzertleben. An die Stelle von Hofkapellmusikern in Uniform traten von städtischen Musikervereinen gegründete Orchester. Weil sich der schwarze Frack als gesellschaftliche Abendgarderobe durchgesetzt hatte, kamen nicht nur die Herren im Publikum im "großen Gesellschaftsanzug" sondern auch die Musiker.
Während der "White Tie" heutzutage nur noch von Nobelpreisträgern oder Besuchern des Wiener Opernballs verlangt wird, ist der Frack als Berufskleidung von Orchestermusikern obligatorisch geblieben. Er sorgt für ein einheitliches Bild, bei dem keine Äußerlichkeiten vom musikalischen Geschehen ablenken sollen und das lässt das Individuum zurücktreten gegenüber dem großen Ganzen, dem Klangkörper, zu dem achtzig oder hundert Musiker verschmelzen.
Auf einem aufgeschlagenen Kunstlexikon liegt eine Brille
Spezialwissen der Kultur - Endlich mal erklärt Postdramatik? Dystopie? Keine Ahnung. Jede Kulturszene pflegt ihre Fachausdrücke, weil sie griffig sind. Wir erklären endlich mal die Begriffe der Spezialsprachen und antworten auf Fragen, die man sich vielleicht nicht zu stellen traut. Denn Arroganz war gestern.
An Eleganz ist der Frack kaum zu übertreffen, an Bequemlichkeit läßt er für viele Musiker hingegen Wünsche offen. Man schwitzt, die Bewegungsfreiheit ist für viele Instrumentalisten eingeschränkt, Manschettenknöpfe können klappern, Lackschuhe gefährlich rutschen.
Während der Frack für angestellte Musiker verpflichtend im Arbeitsvertrag festgeschrieben ist, setzen immer mehr Dirigenten auf ein bequemes schwarzes Hemd, priesterhaft mit Stehkragen wie Christoph Eschenbach oder revoluzzerhaft aufgeknöpft wie Teodor Currentzis.
Dirigenten im Frack werden weniger: Herbert Blomstedt, Christian Thielemann, Ivan Fischer oder Gustavo Dudamel gehören dazu.
Abgesehen von Max Raabes Palastorchester tragen Frauen keinen Frack, sondern Hose, Rock, Kleid, Bluse und Hosenanzug. Hauptsache schwarz, langgeschnitten und so wenig nackte Haut wie möglich. Eine einheitliche Kleiderordnung für Frauen steht bei vielen Orchestern immer wieder zur Diskussion, meist erfolglos.
Ausnahmen sind das Baltimore Symphony Orchestra, das für seine Musikerinnen zeitlose aber einheitliche Kleidung schneidern ließ, und die Wiener Philharmoniker: Für das Neujahrkonzert hat Vivienne Westwood die Damengarderobe entworfen.