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Endlich mal erklärt
Was ist eine Dystopie?

Dystopien beschreiben eine ungünstige Entwicklung unserer Gesellschaft. Sie tauchen meistens in Zeiten des Umbruchs auf. Der gegenwärtige Boom des Genres wird stark von der Jugendliteratur beeinflusst, die eine interessante Neuerung bringt: Es kann auch mal ein gutes Ende geben.

Von Tanya Lieske |
Margaret Atwood sitzt mit einem Buch in der Hand auf einem Podium.
Dystopische Literatur der Extraklasse: Margret Atwood liest aus ihrem Roman "Die Zeuginnen" (AFP/Tolga Akmen)
Der Name für das literarische Genre der Dystopie kommt aus dem Griechischen: Dys heißt schlecht, Tópos ist der Ort, die Stelle*.
Ein dystopischer Text ist also ein Text, der einen schlechten Ort beschreibt. Eine Dystopie ist das Gegenteil der Utopie, die auf eine gute, schöne und friedfertige Zukunft verweist. Deswegen kann man eine Dystopie auch Anti- oder Gegenutopie nennen.
Als erste Utopie gilt der Roman "Utopia" von Thomas Morus aus dem Jahr 1516: Utopia ist eine Insel, auf der alle Einwohner ein glückliches Leben führen.
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Endlich mal erklärt: Ein Blick hinter die Profisprache der Kunst
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Dystopien erahnen die Zukunft
Dystopien sind gattungsgeschichtlich jünger als Utopien: Sie tauchen zum ersten Mal nach der Industrialisierung auf. Als der erste stilbildende Text gilt Mary Shelleys Roman "Verney, der letzte Mensch" (1826), in dem eine globale Pestseuche beschrieben wird. Andere wichtige dystopische Titel, die man für die kurzweilige Dinnerkonversation gebrauchen kann, sind Aldous Huxleys "Schöne Neue Welt" (1932), George Orwells "1984" (1948) und Margaret Atwoods Roman-Duo "Der Report der Magd" (1985) und "Die Zeuginnen" (2020).
Dystopien variieren für ihren Entwurf der Zukunft wiederkehrende Themen und Stoffe: eine diktatorische Herrschaft mit Totalüberwachung, eine Zerstörung und Verwüstung des Planeten, knappe Ressourcen, Seuchen, streng voneinander getrennte soziale Kasten. Aufgabe der Autorinnen und Autoren ist es, ein Stück erkennbarer Gegenwart einzubauen.
Hochkonjunktur in Umbruchzeiten
Dystopische Texte können künftige Ereignisse verblüffend genau vorwegnehmen: So hat Aldous Huxley in "Schöne Neue Welt" eine Gesellschaft mit ständiger Selbstoptimierung beschrieben, in der die künstliche Fortpflanzung des Menschen mit der Möglichkeit einer genetischen Selektion Wirklichkeit geworden ist. George Orwell hat die totale Überwachung, Margaret Atwood ein Erstarken des religiösen Fundamentalismus erahnt.
Dystopien treten vermehrt in Umbruchzeiten auf. Das ließ sich auch in den beiden letzten Jahrzehnten beobachten, in denen Globalisierung, Digitalisierung und Klimawandel bei vielen Menschen Gefühle der Verunsicherung und des Kontrollverlustes mit sich gebracht haben.
Entsprechend ist das Interesse an Dystopien bei den Verlagen und auf dem Buchmarkt gestiegen. Die Erneuerung des dystopischen Genres ging weitestgehend von der Jugendliteratur aus (Suzanne Collins "Tribute von Panem", 2010) mit einer interessanten und zu beherzigenden Neuerung: Es kann auch ein gutes Ende geben.
*An dieser Stelle im Text wurde die Wortübersetzung korrigiert.