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Endspurt der Koalitionsgespräche
Verhandler zwischen Optimismus und Skepsis

Etwa zwei Dutzend Punkte sind noch offen in den Koalitionsverhandlungen. Die beiden Herzensangelegenheiten der SPD - Abschaffung der sachgrundlosen Befristungen und der Zwei-Klassen-Medizin - blockt die Union bisher ab. Dennoch glauben einige, dass der Koalitionsvertrag morgen besiegelt werden könnte.

Von Theo Geers | 05.02.2018
    Andrea Nahles, Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, kommt zu den Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD in die SPD-Parteizentrale
    Mit einem knappen "Mal abwarten" rauscht Andrea Nahles an den Reportern vorbei (picture alliance/ dpa/ Gregor Fischer)
    Die SPD-Forderungen nach weniger sachgrundlosen Befristungen und weniger Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland; dazu die Frage, welche der bis jetzt in den Arbeitsgruppen vereinbarten Vorhaben sich eine neue Große Koalition tatsächlich wird leisten können – das sind die größten Brocken, die in der Verlängerung der Koalitionsverhandlungen noch aus dem Weg zu räumen sind.
    Insgesamt sind zwischen Union und SPD noch etwa zwei Dutzend Punkte offen. Entsprechend groß die Anspannung unmittelbar vor Beginn der Beginn der Gespräche – etwa beim hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier :
    "Ich gehe davon aus, dass wir heute die Sache final erledigen können. Ich bin nicht sicher, aber zuversichtlich, vielleicht brauchen wir auch noch morgen Früh. Wir wollen sehr sorgfältig die 180 Seiten durchgehen, das ist auch wichtig. Mein Eindruck ist: Alle sind bemüht. Ob es klappt – da bin ich unsicher."
    Lauterbach: "Verstehe nicht, warum die Union sich so sperrt"
    Hin- und hergerissen zwischen Optimismus und Skepsis auch die Vertreter der SPD. Mit einem knappen "Mal abwarten" rauscht Andrea Nahles an den Reportern vorbei. Auch sie spürt den doppelten Druck, unter dem die SPD etwa bei der Forderung steht, der Bevorzugung von Privat- vor Kassenpatienten eine Ende zu bereiten. SPD-Chef Martin Schulz hat dies der Partei versprochen, die Patienten erwarten es auch. Doch die CDU blockt das Ansinnen bis jetzt ab, räumt der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach am Morgen in der ARD ein:
    "Wir sind an diesem Punkt unter großem Druck und ich muss auch zugeben, dass ich nicht ganz verstehe, warum sich die Union so sperrt. Weil es wird langfristig nicht zu halten sein, kein anderes europäisches Land hat zwei Honorarsysteme nebeneinander, wo beim gleichen Patienten gleich dreieinhalb Mal so viel bezahlt wird, das macht keinen Sinn."
    Finanzierung steht nur für manche Vorhaben
    Die Einigungschance liege bei 50:50, fügt Lauterbach noch hinzu, wobei auch bei ihm offenbleibt, ob das nur für den Bereich Gesundheit oder das Gesamtprojekt Groko gilt. Denn seitens der Union gibt es bislang auch beim zweiten Herzensanliegen der SPD kein Einlenken: der Einschränkung sachgrundloser Befristungen. So bleibt den Verhandelnden nur, quasi als Motivationsschub das bisher Erreichte heraus zu stellen:
    "Wir haben viele Themen gemeinsam gelöst: Dass der soziale Wohnungsbau wieder angekurbelt wird, dass auch Familien Eigentumserwerb ermöglicht wird, ist so ein Beispiel für einen guten Kompromiss", sagt etwa der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet. Zwei Milliarden Euro sollen in den sozialen Wohnungsbau fließen, Familien soll der Bau eines Eigenheims mit einem Baukindergeld erleichtert werden. Diese Vorhaben waren auch im Sondierungsergebnis vor zwei Wochen enthalten, was den Vorteil hat, dass sie in dem Finanzrahmen von 46 Milliarden Euro abgedeckt sind, den sich Union und SPD gesteckt haben.
    Wird der Koalitionsvertrag morgen unterschrieben?
    Für zahlreiche andere Vorhaben gilt das aber nicht. Das Leuchtturmprojekt Digitalpakt – Kosten 3, 5 Milliarden Euro – und das Rentenpaket – 10 Milliarden Euro pro Jahr – sind ebenso ungedeckt wie die Übernahme der Krankenversicherungskosten für Hartz IV-Empfänger aus Steuermitteln, die auch 10 Milliarden Euro kostet. Gleich um sieben Uhr trafen sich deshalb der amtierende Finanzminister Peter Altmaier und der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider zum Kassensturz.
    Ungeachtet all dieser Hürden kursiert in Berlin bereits ein Zeitplan: Danach soll heute Abend die Einigung stehen – und morgen früh um 9 Uhr wollen Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz den Koalitionsvertrag unterzeichnen.