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Energie im Überfluss

Auf Island kostet der Strom nur wenige Cent und heißes Wasser gibt es direkt in die Heizungsrohre. Das Land ist weltweit führend im Bereich Technologien zur Nutzung geothermaler Energien. Von diesem Wissen sollen demnächst auch andere Staaten profitieren können.

Von Caroline Michel |
    Den ganzen Tag das Licht an, Heizung an bei offenem Fenster, Freibäder mit 40 Grad Wassertemperatur (auch im Winter), und die Fußgängerzonen dank eines unterirdischen Warmwassersystems den ganzen Winter schneefrei – die Isländer sind große Energieverschwender. Aber: Sie haben einfach genug davon und die isolierte Lage der Insel verhindert bisher die Ausfuhr von Strom.

    "Wir sind darauf vorbereitet, noch viel mehr Energie zu gewinnen - haben allerdings momentan noch keine Verwendung dafür."

    Isleifur Gissurarson vom größten Kraftwerk Islands, dem "Hellisheidivirkunin". Momentane Standardleistung: 303 Megawatt Strom und 133 Megawatt Heißwasser.

    "Der Berg nebenan, Mount Hengill, ist ein aktiver Vulkan, deshalb müssen wir nur drei Kilometern tief bohren und schon schießt bis zu 350 Grad heißes Wasser aus den Bohrlöchern. Das benutzen wir, um kaltes, frisches Wasser zu erhitzen."

    Das so erhitzte Frischwasser wird bei Unterdruck in Gasextraktoren zum Sieden gebracht, um den im Wasser gelösten Sauerstoff zu eliminieren und so übermäßige Korrosion in den Rohrleitungen zu verhindern.

    " ...und das nur leicht abgekühlte Geothermalwasser pumpen wir wieder zurück in die Erde. Aber mit dem Dampf aus den Bohrlöchern betreiben wir auch noch die Turbinen zur Stromerzeugung."

    Gemeinsam gelangen Strom und heißes Wasser, das ohne Hilfe von Pumpen einfach bergab fließen kann, durch eine 90-Zentimeter-Pipeline direkt in die Hauptstadt:

    "Die Pipeline von hier nach Reykjavik ist 17 Kilometer lang und wir verlieren nur zwei Grad an Wassertemperatur, weil sie so gut isoliert ist. Das Wasser fließt dann in große Tanks, von dort aus in die Haushalte. Sodass ununterbrochen heißes Wasser durch alle Häuser in Reykjavik geleitet wird."

    Heißes Wasser direkt in die Heizungsrohre, Strom kostet nur wenige Cent. Gut nicht nur für die Bürger, sondern auch für Industrie – Großverbraucher von Strom haben sich auf der Insel angesiedelt.

    "Heute verkaufen wir fast 70 Prozent unseres Stromes an die Aluminiumindustrie. Wir haben drei große Alumiumschmelzen in Island und der Großteil des in diesem Kraftwerk erzeugten Stroms geht in eine Schmelze an der Südküste."

    Aber: Mit den steigenden Energiepreisen wird auch der Export isländischen Stroms nach Europa von Jahr zu Jahr wahrscheinlicher.

    "Es gibt Pläne, ein (700-Megawatt-) Elektrizitäts-Unterseekabel nach Schottland zu verlegen. Wir wissen noch nicht genau, wie das im Detail zu bewerkstelligen ist, aber das wäre ein erster Schritt zum Export von Energie."

    Geschätzte Kosten allein für das Kabel: rund 1,5 Milliarden Euro. Doch auch die isländischen Geothermiekraftwerke belasten die Umwelt. Wenn das warme Wasser in die Erde zurück gepumpt wird, kann das sogar Erdbeben zur Folge haben. Naturdenkmale werden zerstört, eine neuere Doktorarbeit hat auch gezeigt, dass Menschen, die in der Nähe von Geothermalgebieten leben, einem erhöhten Krebsrisiko ausgesetzt sind. Und die Konzentration von Schwefelwasserstoff, Radon, Arsen, Bor und Quecksilber wird durch das Rauf- und wieder Runterpumpen von heißem Wasser im Kraftwerksbetrieb noch einmal vervielfacht. Gegen den Bau neuer Kraftwerke im Norden der Insel regt sich deshalb Widerstand. Allen voran eine international tätige Initiative namens "Saving Iceland", die die isländische Regierung beschuldigt, aus reiner Profitgier wissentlich Projekte zu unterstützen, die der Natur und der Gesundheit der Einwohner schaden.

    Infos zu Führungen im Kraftwerk Hellisheidi