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Energiewende
Braunkohlekraftwerke sind Klimadinosaurier

Der Strom aus einem Braunkohlekraftwerk ist immer noch dreimal so klimaschädlich wie Strom aus einem Gaskraftwerk und 50-mal so klimaschädlich wie Strom aus Windkraft. Braunkohle passt nicht mehr so richtig in unsere heutige Energielandschaft, meint Umweltexperte Martin Pehnt.

Martin Pehnt vom Institut für Energie- und Umweltforschung im Gespräch mit Georg Ehring | 08.01.2014
    Georg Ehring: Die Braunkohle hat die Nase vorn. Im vergangenen Jahr kam mehr als ein Viertel des in Deutschland erzeugten Stroms aus Braunkohle. Die erneuerbaren Energien zusammen lagen trotz ihres stürmischen Wachstums nur knapp dahinter zurück. Für das Klima ist das fatal – kein Energieträger setzt bei der Verbrennung so viel von dem klimaschädlichen Gas Kohlendioxid frei wie ausgerechnet die Braunkohle. Doktor Martin Pehnt beschäftigt sich beim Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg mit Energiefragen, und ihn habe ich vor dieser Sendung gefragt, was der Zuwachs bei der Braunkohle für die Energiewende heißt.
    Martin Pehnt: Zunächst mal bedeutet das, dass wir deutlich klimaschädlichere Stromerzeugung im Netz haben. Der Strom aus einem Braunkohlekraftwerk, selbst, wenn es ein modernes Kraftwerk ist, ist immer noch dreimal so klimaschädlich wie Strom aus einem Gaskraftwerk und 50-mal so klimaschädlich wie Strom aus Windkraft. Das heißt, die Braunkohlekraftwerke, die sind wirklich die Klimadinosaurier unter den Technologien. Das Zweite ist aber auch, Braunkohle passt nicht so richtig in unsere heutige Energielandschaft. Wir haben ja sehr hohe Mengen an fluktuierenden Energien – Wind, Sonne –, und Braunkohlekraftwerke sind nicht sehr flexibel. Das heißt, das passt nicht so richtig zusammen. Und ein Drittes, was mir selber auch persönlich am Herzen liegt. Ich komme ursprünglich aus dem Westen Kölns und bin dort auch mit umgesiedelten Dörfern und immensen Tagebauwüsten groß geworden. Der Abbau der Braunkohle zerstört weite Landstriche, und ich glaube, das passt nicht so richtig in die Energiewendekultur, gerade, weil wir Alternativen dazu haben.
    Ehring: Wie könnte denn eine Ausstiegsstrategie aus der Kohle aussehen, und was hindert den Ausstieg?
    Pehnt: Ich glaube, wir brauchen zweierlei. Zum einen: Der Grund dafür, dass wir so viel Braunkohlestrom im letzten Jahr hatten, das liegt an den niedrigen Zertifikatspreisen. Zertifikate, das sind ja die Verschmutzungsrechte für Kohlendioxid, für Treibhausgase. Und der Emissionshandel, der das reguliert, der hat dazu geführt, dass wir im letzten Jahr sehr, sehr niedrige Zertifikatspreise hatten. Das hat mit der Wirtschaftskrise und anderen Gründen zu tun. Deswegen geht es jetzt im Moment vor allen Dingen darum, diesen Zertifikatspreis wieder in die Höhe zu bringen. Das kann man machen, indem man diese Zertifikate zeitweise verknappt. Das ist ein wichtiger erster Schritt. Aber ich glaube, wir müssen auch darüber hinaus gehen. Wie brauchen auch eine dauerhafte Reduktion. Dazu brauchen wir auch klarere Regeln. Und wir brauchen, glaube ich, auch so etwas wie einen Mindestpreis für Zertifikate. Das nennt man dann Carbon Flow Price. Nur dann bekommen die Klimagase auch wirklich den Preis, der den Schäden auch entspricht, die diese Klimagase anrichten. Das ist das erste Wichtige. Und ich glaube, das Zweite, was wir brauchen, sind natürlich auch angemessene Alternativen in Form von erneuerbaren Energien und Stromeffizienz. Und auch da müssen wir deutlich vorankommen.
    Ehring: Können die Erneuerbaren denn noch schneller wachsen, als sie es derzeit tun? Sie fluktuieren doch sehr stark in der Stromerzeugung und sind immer noch teurer als andere Energieträger.
    Pehnt: Ja, ich glaube, sie können es. Sie müssen nicht unbedingt schneller wachsen als bisher, weil wir hatten, ein sehr dynamisches Wachstum, und das gilt es fortzusetzen. Wir haben in den vergangenen Monaten sehr viel über die Kosten dieser erneuerbaren Energien gesprochen. Und manchmal wurde da so ein bisschen übersehen, dass die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in vielen Fällen heute schon günstiger ist als die fossile Konkurrenz, wenn Sie zum Beispiel viele Windkraftanlagen nehmen. Und deswegen sollten wir eigentlich jetzt, wo wir eigentlich die Früchte dieses Ausbaus auch ernten können, diesen Ausbau nicht aufs Spiel setzen. Was wir insgesamt brauchen, ist dazu ein kluges Design. Wir brauchen auch Speicher, wir brauchen flexiblere Kraftwerke, aber zusammengenommen ist diese Strategie, erneuerbare Energien statt Braunkohle einzusetzen, möglich.
    Ehring: Kann Deutschland eigentlich im Alleingang die Kohle zurückdrängen? Der Emissionshandel ist doch EU-Sache.
    Pehnt: Der ist EU-Sache, deswegen gilt es auch die von mir eben beschriebenen Änderungen, zum Beispiel diese Verknappung von Zertifikaten EU-weit zu machen, und da haben wir gesehen, dass das durchaus nicht ganz einfach ist. Übrigens gibt es auch international durchaus strengere Politiken. Also gerade China, dieses Hauptkohleland, das hat in den letzten ein, zwei Jahren sich da angestrengt, und deswegen spricht der Kohle-Bericht der Internationalen Energieagentur auch nicht mehr wirklich von einem Kohle-Boom, sondern von einem Wachstum. Das ist immer noch aus Klimasicht besorgniserregend, aber es gibt da keine Explosion an Stromerzeugung aus Kohlekraft.
    Ehring: Doktor Martin Pehnt vom Institut für Energie- und Umweltforschung war das. Das Gespräch mit ihm haben wir kurz vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.