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Energiewende
"Tendenz zur Braunkohle ist ganz verheerend"

Weil der Emissionshandel nicht wirke, habe die umweltschädliche Braunkohle im Moment einen Vorteil bei der Stromproduktion, sagt die frühere nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) im DLF-Interview. Um die Strompreise zu senken, müsse man vor allem etwas gegen die Ausnahmen bei der EEG-Umlage tun.

Bärbel Höhn im Gespräch mit Christiane Kaess | 08.01.2014
    Kohle wird im Braunkohletagebau Garzweiler (Nordrhein-Westfalen) gefördert.
    Höhn: "Nordrhein-Westfalen hängt mit dem Ausbau der Erneuerbaren dramatisch hinterher" (dpa / picture alliance / Marius Becker)
    Christiane Kaess: Die Energiewende soll zum Aushängeschild der neuen Regierung werden. Bisher kam das Projekt nicht recht voran. Vor allem viel zu teuer scheint es vielen Verbrauchern, die hohe Stromkosten haben und die damit die Förderung der erneuerbaren Energien finanzieren, wohingegen eine steigende Anzahl an Unternehmen in den letzten Jahren von den Rabatten profitierte. Die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, die für die für die Umsetzung der Energiewende in Bayern verantwortlich ist, sorgte in den vergangenen Tagen mit dem Vorschlag für Aufsehen, große Teile der Energiewende mit Krediten zu finanzieren. So würden die Stromkunden einen festen Beitrag zum Ausbau der erneuerbaren Energien zahlen, der sich am Stromverbrauch orientiert, und später sollte der Fonds von den Stromkunden abgetragen werden. CSU-Chef Seehofer war dagegen und Aigner hat den Vorschlag mittlerweile zurückgezogen. Im Bundeswirtschaftsministerium, wo Sigmar Gabriel in erster Linie für die Energiewende zuständig ist, hieß es zwar, die Idee sei nicht neu, man werde sie aber eingehend prüfen. Am Telefon ist Bärbel Höhn, ehemals Umweltministerin in Nordrhein-Westfalen, zuletzt stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag und dort zukünftige Vorsitzende des Umweltausschusses. Guten Morgen!
    Bärbel Höhn: Guten Morgen, Frau Kaess!
    Kaess: Frau Höhn, ist die bayrische Wirtschaftsministerin dem Bundeswirtschaftsminister hier mit einem guten Konzept zuvorgekommen?
    Höhn: Also ähnliche Konzepte werden schon seit einigen Monaten diskutiert, so wie Ilse Aigner das vorgeschlagen hat, glaube ich, gibt es auch eine Menge negative Aspekte, weil es doch sehr stark als etwas rüberkommt - man finanziert jetzt die Energiewende auf Pump, man verschiebt die Kosten auf nachfolgende Generationen. Und was auf jeden Fall ja nicht geht, ist, dass dann viele andere also mit diesen Kosten mitschwimmen, so das, was wir jetzt erleben, die Ausnahmen der Industrie, die überbordend sind - das alles müsste angegangen werden. Und wenn man jetzt so einen Vorschlag macht wie Ilse Aigner, dann kann es sehr leicht passieren, dass alle diese Reformen, die notwendig sind, nicht angegangen werden und diese Kosten sozusagen den erneuerbaren Energien zugeschrieben werden, obwohl sie eigentlich bei ihnen gar nicht vorhanden sind.
    "Hauptkostentreiber sind die gewachsenen Ausnahmen und der Börsenstrompreis"
    Kaess: Man könnte aber auch sagen: Die Kosten der Energiewende werden ja weniger, wenn die Förderung der erneuerbaren Energien ausläuft. Wenn man die Kosten also streckt, müsste nicht die jetzige Generation alles tragen, sondern eben auch die künftige, die ja immerhin auch von dem Umbau profitieren soll.
    Höhn: Klaus Töpfer hatte einen ähnlichen Vorschlag mal im Sommer gemacht, und die Art, wie er es gemacht hat, die finde ich eigentlich diskussionswürdiger. Er hatte einfach gesagt, so, wie jetzt die Erneuerbaren ausgebaut werden, so ist es ja eigentlich gar kein Kostentreiber mehr. Also insofern müsste man eigentlich hingehen und die Kosten in der Vergangenheit wahren, einen Teil dieser Kosten nehmen eher als, ich sage mal, Forschungs- und Entwicklungskosten, die in diesem Bereich notwendig waren und die eben dann anders umlagern, verlagern Richtung auch Kreditfinanzierung und gegebenenfalls sie eben auch teilweise finanzieren lassen von Leuten, die später mal mit ihren erneuerbaren Energien, Anlagen da sind, auf dem Markt sind, gar nicht mehr gefördert werden nach 20 Jahren, aber trotzdem Profite machen können, dass man da eben auch einen Teil von denen auch noch nimmt. Also es gibt andere Ausprägungen dieser Idee, die, glaube ich, sinnvoller sind als das, was Ilse Aigner vorgetragen hat.
    Kaess: Wieso sind die erneuerbaren Energien im Moment kein Kostentreiber mehr?
    Höhn: Also wenn Sie jetzt zum Beispiel gucken, der Ausbau der Windkraft auf dem Land und der Ausbau der Photovoltaik, die jetzt im letzten Jahr stattgefunden haben, das ist ja nur noch gut 10 Prozent der zusätzlichen Kosten der EEG-Umlage, die uns alle erreicht. Das heißt, die Hauptkostentreiber, die jetzt bei den Verbrauchern ankommen, sind die gewachsenen Ausnahmen und ist der gesunkene Börsenstrompreis, und der Ausbau der Erneuerbaren trägt einfach nur noch zu gut zehn Prozent zu diesen Erhöhungen bei.
    Bärbel Höhn, stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen
    Höhn: Subventionen für Braunkohle "überhaupt gar keine Lösung" (picture alliance / dpa / Roland Weihrauch)
    Nachteile für Gaskraftwerke
    Kaess: Aber, Frau Höhn, die sind doch eigentlich das Kernproblem der Energiewende, weil alle bisherigen Vergütungen für Ökostromanbieter auf 20 Jahre garantiert sind. Man müsste doch eigentlich an diese Subventionen ran.
    Höhn: Ja, aber gucken Sie mal, also Sie gehen jetzt an die Subventionen für die neuen Anlagen ran, aber Sie erreichen für den Verbraucher gar nichts, weil ich habe ja eben gesagt, der Ausbau der erneuerbaren Energien im letzten Jahr, der hat eben nur 0,1 Cent an Erhöhungen wirklich für den Verbraucher bedeutet. Das heißt, die Kosten, die eigentlich für den Verbraucher entstehen, entstehen dadurch, dass die erneuerbaren Energien auch den Börsenstrompreis senken und damit die EEG-Umlage erhöhen. Und an dieses Problem muss man ran, und an die Ausnahmen, die überbordend sind, muss man ran, um wirklich den Verbraucher entlasten zu wollen.
    Kaess: Noch mal zurück zu Ilse Aigners Vorschlag. Wäre der denn auch geeignet, kurzfristig wieder mehr Lust auf die Energiewende zu machen entgegen dem Frust, den die hohen Kosten verursacht haben?
    Höhn: Ja, ich finde den an dem Punkt gefährlich, wo zum Beispiel jetzt diese Ausnahmen für die Industrie, die ja eigentlich der Kostenfaktor sind, wo die gar nicht angegangen werden, so nach dem Motto: Jetzt haben wir ja mit Ilse Aigner einen Vorschlag, der das Ganze über Kredite finanziert und langfristig in die Zukunft bringt, und da müssen wir ja an die notwendigen Strukturveränderungen gar nicht ran. Und deshalb, glaube ich, würde das auch nicht ganz groß viel Lust für die Energiewende erhöhen, weil die Leute ja sagen, ja, da türmen sich aber auch Milliarden auf, die später finanziert werden müssen. Also von daher finde ich, dass man jetzt erst mal die Strukturen ändern muss, um die Verbraucher zu entlasten.
    Kaess: Frau Höhn, gestern ist bekannt geworden, dass seit der Wiedervereinigung in Deutschland nicht mehr so viel Braunkohlestrom produziert worden ist wie im letzten Jahr, das heißt also, auch der CO2-Ausstoß steigt, Braunkohle ist ja besonders klimaschädlich. Ist die Energiewende auch eine Kohlewende?
    Höhn: Wir müssen aufpassen, dass die Energiewende nicht zur Kohlewende wird, und zwar deshalb, weil gerade der Braunkohlenstrom aus mehreren Punkten momentan gute Voraussetzungen hat. Er wird nicht herangezogen oder nur ganz minimal herangezogen zu den Kosten, die er verursacht durch den hohen CO2-Ausstoß, das heißt, wir haben momentan eher einen Emissionshandel, der eigentlich überhaupt gar nicht wirkt, und das heißt, viel günstigere Verfahren, Strom herzustellen, zum Beispiel mit Gaskraftwerken, die haben da gar keinen Vorteil, sondern die Braunkohle, die schädliche Braunkohle hat da einen Vorteil. Und von daher müssen wir da aufpassen, dass wir auch zum Beispiel - bei der EEG-Umlage sind ja auch Braunkohlenkraftwerke befreit - dass wir da nicht die Braunkohle, ich sage mal, noch befördern, weil sie natürlich mit ihrem hohen CO2-Ausstoß also ein absoluter Klimakiller ist.
    Kaess: Auch die neuen, die jetzt ans Netz gegangen sind?
    Höhn: Ja, eindeutig, also auch neue Braunkohlenkraftwerke brauchen ungefähr knapp drei Mal so viel CO2 pro Kilowattstunde wie ein modernes Gaskraftwerk, was dasselbe produziert, also das heißt, der Strom wird mit viel mehr CO2-Ausstoß produziert bei der Braunkohle als bei Gas zum Beispiel und natürlich auch als bei den Erneuerbaren. Und von daher ist diese Tendenz zur Braunkohle ganz verheerend.
    "Wir müssen auch hier raus aus der Kohle"
    Kaess: Auf der anderen Seite, Frau Höhn, ist natürlich in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel die Kohlekraft ja ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, und die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat sich ja in den Koalitionsverhandlungen auch dafür eingesetzt, dass die entsprechenden Arbeitsplätze erhalten werden. Wird also alles so weitergehen?
    Höhn: Das ist, finde ich, gerade auch eine sehr kurzfristige Sicht. Wir haben als Grüne hier in Nordrhein-Westfalen ja schon vor zehn Jahren gesagt, es muss einen Strukturwandel geben, und wir müssen auch hier raus aus der Kohle, rein in die erneuerbaren Energien. Das hat viel zu wenig stattgefunden. Nordrhein-Westfalen hängt mit dem Ausbau der Erneuerbaren dramatisch hinterher.
    Kaess: Weil die Kohle so ein starker Wirtschaftsfaktor ist?
    Höhn: Weil die Kohle eben so stark ist, aber wenn die Kohle keine Zukunft hat, dann nützt es nichts, wie Hannelore Kraft immer noch weiter auf die Kohle zu setzen, weil man das Problem damit verschärft, der Strukturwandel verschärft, man muss ihn am Ende in dramatisch kurzer Zeit machen, und das ist dann viel schlimmer für die Betroffenen, als wenn man einen längeren Übergang hat. Also von daher halte ich das für einen großen Fehler, dass Hannelore Kraft, auch die SPD hier in Nordrhein-Westfalen, so an der Kohle hängt, die Kohle sogar noch subventionieren will an allen verschiedenen Punkten, um die Kohle weiter am Leben zu erhalten, und das verteuert natürlich die Energiewende für die Verbraucher noch viel mehr. Das ist überhaupt gar keine Lösung.
    Kaess: Die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn, sie ist künftige Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag. Danke für das Interview heute Morgen!
    Höhn: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.