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Entgelttransparenzgesetz
Recht auf die Lohn-Auskunft

Deutsche Frauen verdienen noch immer weniger als Männer – die Lohn-Ungleichheit beträgt gut 20 Prozent. Für mehr Transparenz soll ein neues Gesetz sorgen. Doch: Allein die Auskunft über die Bezahlung der anderen sorgt noch lange nicht für ein höheres Gehalt.

Von Mischa Ehrhardt | 08.03.2019
Symbolbild zur Ungleichbezahlung von Frauen und Männern
Was verdient der Kollege? Das Entgelttransparenzgesetz soll Antworten liefern, wirkt aber kaum. (imago / McPhoto)
Der Kern des seit 2017 geltenden Gesetzes steckt in der Mitte seines sperrigen Kurznamens: Es geht um Transparenz. "Das Novum an diesem Gesetz ist, dass erstmals ein Auskunftsanspruch für betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschaffen wird, der allerdings unter relativ strengen Voraussetzungen erst wirksam wird", sagt Thomas Thees von der Rechtsanwaltsgesellschaft Luther. "Und solche Auskunftsansprüche hinsichtlich der Vergütung anderer Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen, um die Vergleichsmöglichkeit zu haben und überhaupt mal feststellen zu können, ob man als Frau in einem Unternehmen schlechter behandelt wird, was die Vergütung angeht, den gab's vorher noch gar nicht in dem Sinne".
Auskunft allein ändert noch nichts am Gehalt
Das Recht auf Auskunft über die Bezahlung der Kollegen ist allerdings an bestimmte Voraussetzungen geknüpft: Das Unternehmen, in dem vorzugsweise Frau ihr Auskunftsrecht durchsetzen will, muss mindestens 200 Mitarbeiter haben. Zudem muss sie sechs Kolleginnen oder Kollegen benennen können, die die gleiche Tätigkeit wie sie ausüben. Wenn das alles gegeben ist und schließlich die Auskunft über das Durchschnittsgehalt der Kollegen da ist, heißt das aber noch nicht, dass sich die Gehälter dann automatisch angleichen müssen.
Anja Weusthoff, Abteilungsleiterin Frauen- und Gleichstellungspolitik beim Deutschen Gewerkschaftsbund: "Sie haben danach zwar die Auskunft in der Hand, müssen ihre Rechte aber immer noch per Klage durchsetzen, wenn sich im Betrieb nichts tut. Das heißt, sie stehen alleine vor der Aufgabe – vor allem, wenn es keinen Betriebsrat gibt."
Abgesehen davon, dass mit der möglichen Transparenz der Gehälter nicht auch ein Angleichen der Bezahlung verbunden ist, haben einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zufolge bislang nur sehr wenige Frauen überhaupt die mögliche Transparenz wirklich eingefordert.
"Es gibt ganz wenige Frauen, die den Auskunftsanspruch genutzt haben; und man hat keine Übersicht darüber, ob der Auskunftsanspruch wirklich irgendwo zu nachhaltigen Änderungen geführt hat."
Verpflichtung für Unternehmen, Entgelt offenzulegen?
Das ließe sich ändern, indem die Hürden für die geforderte Transparenz gesenkt werden. Grundsätzlich möglich ist das, weil das Gesetz überprüft und auch korrigiert werden kann. Allerdings löst das nach Meinung von Weusthoff und ihrer Kolleginnen nicht das Kernproblem ungleicher Bezahlung von Männern und Frauen in den Betrieben.
"Bevor wir am Auskunftsanspruch weiter schrauben und uns überlegen, wie der einfacher zu handhaben ist, sollte man gleich die Unternehmen verpflichten zu gucken: Wie halten wir es mit dem Entgelt? Und gibt es da ungerechtfertigte Unterschiede zwischen Männern und Frauen?"
Am Welttag der Frauen 2019 beträgt die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern in Deutschland noch immer rund 21 Prozent.