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"Entscheidung kam überraschend"

Der kaufmännische Direktor der Privatuni Witten-Herdecke, Tom Kirschbaum, hat sich enttäuscht gezeigt von der Streichung der Landesmittel für seine Hochschule. Es sei nicht zutreffend, dass die Uni-Leitung dem Ministerium keine Wirtschaftspläne für die Jahre 2009 bis 2011 vorgelegt habe. Das sei bereits im Oktober und zuletzt auch Anfang Dezember geschehen, so Kirschbaum.

Tom Kirschbaum im Gespräch mit Jörg Biesler |
    Jörg Biesler: Studierende aus Witten-Herdecke protestieren heute in Düsseldorf vor dem nordrhein-westfälischen Landtag gegen die Streichung der Landesmittel für die Hochschule. 7,5 Millionen Euro, so hatte gestern Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart hier bei "Campus und Karriere" gesagt, die werden für die Jahre 2007 und 2008 nicht ausgezahlt beziehungsweise zurückgefordert. Die Privatuniversität Witten-Herdecke brauchte Stunden, um gestern mit einer Pressemitteilung zu reagieren. Offenbar kam die Streichung für die Universitätsleitung völlig überraschend. Tom Kirschbaum, der geschäftsführende Direktor der Universität, ist jetzt am Telefon. Guten Tag, Herr Kirschbaum.

    Tom Kirschbaum: Guten Tag, Herr Biesler.

    Biesler: Wie überraschend kam denn die Entscheidung gestern für Sie aus Düsseldorf?

    Kirschbaum: Also, die Entscheidung kam in der Tat überraschend für uns, wobei wir sehr besonnen darauf reagiert haben. Wir haben die Lage ausführlich inhaltlich und rechtlich sortiert und haben erst dann reagiert, nachdem wir das getan haben. Sie kam aber deshalb im Besonderen überraschend, weil wir in den vergangenen Wochen völlig gegenteilige Signale aus der Landesregierung, von verschiedenen Stellen der Landesregierung erhalten haben, die stets einhergingen mit der Versicherung, das politische Bekenntnis zur Universität sei in der gesamten Landesregierung sehr ausgeprägt und deshalb würde man die Universität jetzt an dieser Stelle nicht fallen lassen.

    Biesler: 7,5 Millionen Euro fehlen jetzt. Ihr Gründungsrektor Konrad Schily meinte gestern hier im Deutschlandfunk, das könnte möglicherweise das finanzielle Aus für die Universität bedeuten.

    Kirschbaum: Also, es ist richtig, dass es eine außerordentlich große Herausforderung für uns darstellt. Sie müssen das ins Verhältnis setzen zu unserem Jahreshaushalt, der gut 30 Millionen Euro beträgt. Davon sind ja nur knapp drei Millionen Euro derzeit Studienbeiträge. Insofern sehen Sie, wie groß auch der Anteil ist, den wir auf andere Art und Weise sichern müssen. Das Land hat in der Vergangenheit dazu 4,5 Millionen als Fehlbedarfszuwendung beigetragen und es ist absolut richtig, dass es für uns eine sehr, sehr große Herausforderung ist. Das ist allerdings auch der gesamten Landesregierung bekannt.

    Biesler: Ja, und es ist nicht die einzige Herausforderung, denn gerade ist ja auch noch eine andere Einnahmequelle in Gefahr geraten, da die Bochumer Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen aus dem Dienst ausgeschieden ist. Die hat ja Gelder aus Geldauflagen aus Strafprozessen auch nach Witten-Herdecke geleitet. 2003 bis 2006 waren es für die Uni Witten-Herdecke 3,2 Millionen, 2007 und 2008 wohl insgesamt noch mehr. Wie viel waren es denn?

    Kirschbaum: Also, das kann ich nicht kommentieren. Da bitte ich um Ihr Verständnis. Denn diese Dinge sind für uns absolut vertraulich. Allein die Gerichte verfügen da über die Zahlen. Dazu kann ich keine Stellung nehmen.

    Biesler: Ja, Sie wissen schon, wie viel Geld Sie bekommen haben aus dieser Quelle, oder?

    Kirschbaum: Ich nehme dazu keine Stellung.

    Biesler: Umstritten ist ja, ob die Zahlungen sozusagen nur mit Wissen des Ministeriums geleistet wurden aus den Geldauflagen oder ob das Ministerium die Staatsanwaltschaft auch darum gebeten hat. Minister Pinkwart hat gesagt, es sei eine Initiative von Frau Lichtinghagen gewesen.

    Kirschbaum: Also, ich habe überhaupt keine Ahnung, mit wem der Minister Gespräche führt und dementsprechend bin ich auch über den Inhalt solcher Gespräche in keinster Weise unterrichtet.

    Biesler: Die Vorwürfe in Ihre Richtung aus dem Ministerium sind ja erheblich. Ihre Geschäftsführung sei nicht ordnungsgemäß heißt es da, Sie hätten keinen testierten Wirtschaftsplan für 2009 und auch nicht für die Folgejahre. Da werden Ihnen ganz schön die Leviten gelesen.

    Kirschbaum: Ja, in der Tat. Also auch wir sind absolut konsterniert über den Inhalt dieser Pressemitteilung und wir möchten beiden Vorwürfen absolut entschieden entgegentreten. Was die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung betrifft, das ist ein Vorgang, der ausschließlich im Jahr 2007 seine Ursache findet. Das hängt zusammen mit der Rückforderung der Landesmittel in Höhe von gut drei Millionen Euro. Das ist eine juristisch und bilanziell komplizierte Angelegenheit, die wir auch durch unsere Anwälte haben aufbereiten lassen. Unsere Anwälte kommen zu dem Ergebnis, dass kein Fehlverhalten vorliegt. Wir haben, glaube ich, in den letzten Wochen und Monaten dem Ministerium gegenüber sehr deutlich dargestellt, dass wir handlungsfähig sind, dass wir eine verlässliche Geschäftsführung sicherstellen. Und das leitet über zur zweiten Frage: Es ist nicht zutreffend, dass wir dem Ministerium keine Wirtschaftspläne für die Jahre 2009 bis 2011 vorgelegt haben. Selbstverständlich haben wir das getan im Oktober und zuletzt auch Anfang Dezember. Zu beiden dieser Pläne hat unser Wirtschaftsprüfer Stellung bezogen, auch das liegt dem Ministerium vor. Was wir allerdings getan haben, und ich glaube, das ist auch nicht mehr als das, was das Ministerium von uns erwarten kann, wir haben in diesem Plan offen Risiken und Chancen dargelegt. Selbstverständlich müssen wir davon ausgehen, dass, im Besonderen wenn wir die wirtschaftliche Lage betrachten, wir nicht alle Erwartungen als so gegeben annehmen können, sondern dass in unserer Planung Risiken enthalten sind, wie in jeder Planung auch, wie wahrscheinlich auch sogar in der Haushaltsplanung des Landes Nordrhein-Westfalen. Das haben wir dem Ministerium gegenüber deutlich gemacht, das Ministerium hat jetzt offensichtlich den Standpunkt eingenommen, diese Risiken als Defizit zu interpretieren. Wir haben sehr darauf gedrungen, dass das nicht unserer Wahrnehmung entspricht und, glaube ich, auch unbillig wäre, uns dies als Defizit vorzuhalten. Nichtsdestotrotz war das Ministerium nicht in der Lage oder nicht bereit, dies als eine hinreichende Zukunftsprognose der Universität anzusehen, was mich auch deshalb ein wenig enttäuscht, muss ich ehrlich sagen, weil wir in der Vergangenheit, in den vergangenen Wochen, konkret Anfang Dezember, auf die Landesregierung zugegangen waren und der Landesregierung, auch der Spitze der Landesregierung im Übrigen mitgeteilt haben, dass vermutlich die im Raum stehende Fehlbedarfsfinanzierung von 4,5 Millionen Euro im Hinblick auf die wegbrechende Konjunktur und andere Faktoren nicht reichen wird, um das Jahr ausgeglichen abzuschließen, sondern dass wir von zusätzlichem Bedarf in Höhe von 900.000 Euro ausgehen müssen, die wir brauchen, um das Jahr erfolgreich abschließen zu können. Das haben wir der Landesregierung Anfang Dezember mitgeteilt und die Landesregierung hat zunächst, glaube ich, auf eine sehr kooperative und auch ergebnisorientierte Art und Weise sich bemüht, dies möglich zu machen. Nach meinem Wissen ist das auch im Kabinett dort diskutiert worden und es war alles vorbereitet, dass wir die 4,5 Millionen Euro plus eine weitere Zuwendung des Landes von rund 900.000 Euro für die Universität für dieses Jahr erhalten. Das waren die Signale, die wir sowohl aus dem Ministerium als auch aus der Staatskanzlei erhalten haben.

    Biesler: Aber da stellt sich natürlich die Frage nach der Erklärung für eine solche Kehrtwende. Sie haben es selber gesagt: Minister Pinkwart hat Sie unterstützt bislang. Haben Sie eine Erklärung für den plötzlichen Wandel? Wenn ich Sie richtig verstanden habe, geht es ja bei den Wirtschaftsdaten vor allen Dingen um Interpretation. Da ist eben in der Vergangenheit eine positive Interpretation vorgenommen worden und jetzt nimmt das Ministerium eine negative Interpretation vor.

    Kirschbaum: Also, ich kann die internen Vorgänge im Ministerium nicht beurteilen. Wir können nur das registrieren, was wir wahrnehmen und das war immer ein deutlicher politischer Wille von der Spitze der Landesregierung ausgehend und soweit ich weiß auch von der Spitze des Ministeriums. Ich habe keine Erklärung für diesen Schwenk.

    Biesler: War denn Herr Pinkwart gestern anwesend?

    Kirschbaum: Nein.

    Biesler: Was sind denn jetzt Ihre Pläne? Wollen Sie juristisch vorgehen gegen das Land?

    Kirschbaum: Also, wir werden selbstverständlich juristisch gegen das Land vorgehen. Zum Einen was verwaltungsrechtliche Fragen betrifft. Wir müssen natürlich, zumal das auch unserer von Anwälten bestätigten Rechtsauffassung entspricht, gegen die Rückforderung der Landesmittel für 2007 den Rechtsweg beschreiten. Wir werden gleichzeitig auch den Rechtsweg beschreiten, was den negativen Bescheid für dieses Jahr betrifft. Alles andere wäre ja auch grob fahrlässig. Viel wichtiger ist allerdings die Frage, wie wir natürlich weiter umgehen mit der Universität. Bis zum Jahresende 5,5 Millionen Euro zu besorgen, das ist eine Aufgabe, da wollen wir nicht die Flinte ins Korn werfen, aber dass das wahnsinnig schwierig ist, das sieht, glaube ich, jeder, wenn man auch die Nachrichten aus der allgemeinen Wirtschaftspresse daneben legt. Auch das ist der Landesregierung natürlich selbstverständlich bewusst.

    Biesler: Die Privatuniversität Witten-Herdecke hat enorme wirtschaftliche Probleme nach der Kürzung der Landesmittel durch die nordrhein-westfälische Landesregierung. Tom Kirschbaum, der geschäftsführende Direktor der Universität. Vielen Dank.