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Entwicklungsminister Müller bei Lidl
Werbetour am Bananenstand

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat den Discounter Lidl für sein wachsendes Fair-Trade-Angebot gelobt. Kritiker sprechen von einer Werbetour - auch, weil sich dadurch für das Unternehmen enorme Vorteile ergeben würden.

Von Frank Capellan | 25.03.2019
Gerd Müller (CSU), Bundesentwicklungsminister, informiert sich in einem Berliner Lidl-Supermarkt zu fairem Einkauf und wird dabei vom Vorsitzenden der Geschäftsleitung von Lidl Deutschland bei einem gemeinsamen Supermarkt-Rundgang begleitet.
Bundesminister Müller sieht Lidls Unternehmenskurs als vorbildlich (Wolfgang Kumm/dpa)
"Guten Morgen! - Wer ist denn alles da?"
Wichtige Leute sind da. Menschen, die sich eher selten beim Discounter zum Einkauf verabreden. Der Vorsitzende einer Nichtregierungsorganisation, der Deutschlandchef von Lidl, und eben der Bundesminister für Entwicklung.
"So, jetzt sind wir heute bei Lidl. Ihr habt einige erfreuliche Zeichen gesetzt!"
Es ist eine nervige Woche für Gerd Müller. Olaf Scholz streicht ihm gerade die Milliarden. Weil er mit dem Finanzminister reden muss, lässt er seine Gastgeber warten. Als er dann aber vor dem Bananenstand einer Lidl-Filiale in Berlin-Schöneberg steht, scheint alles vergessen.
"Ich war ja letztes Jahr bei Rewe, heute bei Lidl, ist sozusagen der Supermarkt-Check!"
Punkten im Bananenkrieg
Der CSU-Mann kann sich begeistern, wenn die Wirtschaft spurt. Lidl punktet gerade im Bananenkrieg mit Aldi und Edeka. Das Unternehmen, vor zehn Jahren wegen schlechter Bezahlung und Bespitzelung seiner Mitarbeiter selbst am Pranger, poliert sein Image auf. Der Minister greift zu den quietschgelben Früchten, das Kilo heute für 1,19 Euro, ein schwarz-grün-gelbes Siegel klebt auf den Bananen. Transfair-Chef Dieter Overath erklärt, was der Kunde dafür bekommt.
"Grundsätzlich ist Lidl verpflichtet, dass ungefähr 44 cent pro Kilo vor Ort bei dem Erzeuger bezahlt werden, bei konventionellen Bananen sind es ungefähr 22 cent, sprich die Hälfte."
Äpfel vom Bodensee sind teurer als Bananen, die über den halben Globus verschifft werden. In Ecuador platzte ihnen der Kragen, als Aldi den Preis für eine Kiste mit etwa 18 Kilo noch einmal um einen Dollar drücken wollte, und als Konkurrent Lidl auf der Grünen Woche die Einhaltung von Sozialstandards ankündigte, war Gerd Müller, Bauern-Sohn aus Bayern, schier aus dem Häuschen.
"Lidl hat erkannt wie es geht. Ich kaufe bei Lidl!"
"Schleichwerbung kann eigentlich absolut nicht angehen!", ärgert sich Uwe Kekeritz. Für den Entwicklungsexperten der Grünen ist es ein Unding, "dass ein Minister für eine Firma Werbung macht, die hat damit in der Öffentlichkeit enorme Vorteile!"
Dieter Overath von Transfair hält die Zusammenarbeit mit einem Discounter dennoch für wichtig.
"Das heißt nicht, dass wir jetzt die Südkurve für Lidl machen. Wir arbeiten genauso gerne mit Rewe, Aldi oder anderen zusammen."
Proteste nach dem Minister-Auftritt
Edeka allerdings hatte nach dem Minister-Auftritt bei der Grünen Woche protestiert und darauf verwiesen, dass der Konzern schon seit 10 Jahren mit dem WWF kooperiert - mit ganz anderem Schwerpunkt, wie Marina Beermann von der Umweltschutzorgansiation erläutert.
"Mit der Lebensmittelproduktion gehen viele Umweltprobleme einher, und die Zusammenarbeit mit Edeka ist für uns sozusagen ein Hebel, weil Edeka Deutschlands größter Lebensmittel-Einzelhändler ist. Wenn wir an den 3600 Eigenmarken arbeiten, dann verändern wir nicht nur die Eigenmarken von Edeka, sondern ganze globale Lieferketten."
"Sie sehen hier, dass hier das Fairtrade Kakao Programm, dass der gesamte Kakao, fair gehandelt ist."
Der Fairtrade-Mann greift ins Schokoladensortiment von Lidl. Die eigenen Marken stammen ausschließlich aus fairer Produktion. Mit der einfachen Tafel für 49 Cent geht es los, ganz oben aus dem Regal zieht er eine Premium-Variante, die Bio und Sozialstandards erfüllt.
"… und hier 1,29 Euro für die Rundum-Fairtrade-Schokolade…"
"Wo sind die Hasen? – Da haben wir hier die Hasen…"
Gerd Müller sucht inzwischen nach Osterhasen. Fair gehandelte natürlich.
"Was ich Ihnen noch mal kurz aufzeigen möchte, Herr Minister auch in Richtung Kaffee, jawohl, ich habe auch noch nicht gefrühstückt heute…"
Lidl-Deutschlandchef Mathias Oppitz hat also erst einmal anderes im Sinn, und prompt bricht sich beim Entwicklungsminister wieder die Wut über seinen Kabinettskollegen Bahn.
"Dem Scholz rufe ich zu: Streich die Kaffeesteuer auf fairen Kaffee!"
Markenanbieter geraten unter Druck
Kaffee, Kakao, Schokolade – ob bei Lidl, Rewe oder Edeka, bei ihren Eigenmarken setzen die Konzerne verstärkt auf Nachhaltigkeit und Bio. Und was zum Beispiel ist mit Palmöl in Nutella? WWF-Expertin Marina Beermann ist sicher, dass allmählich auch die Markenanbieter unter Druck geraten.
"Da bin ich sehr optimistisch, dass durch diese starke Konkurrenz zwischen den Lebensmittel-Einzelhändlern, die dazu geführt hat, dass die Eigenmarken immer nachhaltiger werden, dass das auch eine Auswirkung auf die Markenhersteller haben wird."
"Die Konsumentinnen und Konsumenten werden kritischer, sie verlangen höhere Qualität und ingesamt ist das zu begrüßen."
Meint der Bundestagsabgeordnete Uwe Kekeritz. Seine Grünen profitieren enorm von einem Bewusstseinswandel in der Bevölkerung. Bio und Fairtrade beim Discounter, Ärger über Plastikmüll, die Klima-Demos von Schülern.
"Die Politik tut gut da dran, dass auch zu hören, darauf auch zu reagieren", betont auch die Verbraucherschutzministerin. Sozialdemokratin Katharina Barley sieht es positiv, dass sich gerade junge Menschen Gedanken um die Zukunft dieses Planeten machen.
"Das soll jetzt nicht so eine Modewelle werden, dass es hipp ist, da mitzugehen, sondern es geht darum, dass Menschen von ihren politischen Rechten Gebrauch machen."
Nachhaltigkeitstrend als neue Biowelle
"Der Nachhaltigkeitstrend ist die neue Biowelle, die Menschen denken nach und wollen fair und nachhaltig leben, konsumieren und wirtschaften", meint der Entwicklungsminister. Doch leben die Jungen auch danach?
Im Lidl-Markt bleibt gerade ein junger Mann, Anfang 20, im Kapuzenshirt vor den Bananen stehen. Er trägt Kopfhörer, hört Musik, achtet er auf fair gehandelte Früchte?
"Ich habe gar nicht geguckt, die haben mir einfach gefallen? – Weil sie so schön gelb sind? – So ungefähr ja!"
Nein, sagt er, mehr bezahlen möchte er für Siegel-Bananen nicht und auch Bio spielt für ihn keine Rolle: "Ich treibe sehr viel Sport, ich ess schon gesund genug, ob es nun Bio ist oder nicht, das macht keinen Unterschied."
Gerd Müller bekommt das nicht mehr mit. Der Minister ist endlich bei den Osterhasen angekommen, den fair gehandelten der Eigenmarke.
"Schönen Gruß an Lindt, deren Osterhase könnte irgendwann auch mal fair sein!"
"Kauft faire Hasen!", lautet Müllers Botschaft und dann macht er noch ein Versprechen.
"Ich werde meinen Kabinettskollegen und der Bundeskanzlerin einen fairen Osterhasen schenken. Wir machen jetzt ein Osterhasen-Event!"