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Erasmus als Sprungbrett in eine bessere Zukunft

Unter deutschen Studierenden ist Spanien eines der beliebtesten Erasmus-Ziele. Die Gründe dafür sind zumeist Sonne, Strand und südländische Lebenskultur. Umgekehrt wird unter spanischen Studierenden auch Deutschland immer beliebter, die Gründe sind allerdings andere.

Von Julia Macher | 11.06.2012
    "Ich möchte in Deutschland studieren und arbeiten, vielleicht als Lehrerin von spanisch, warum nicht. Arbeit ist nicht gut in Spanien und in Deutschland gibt es viele Arbeitsplätze."

    "Ich glaube in Deutschland gibt es eine bessere Lebensqualität. Ich war in Berlin, und in der Stadt gibt es viele Plätze um Sport zu machen, hier in Barcelona siehst Du das nicht."

    Aaron Leal und Paloma Ametller studieren im ersten Jahr Übersetzungswissenschaften an der Universität Pompeu Fabra in Barcelona und werden ab Herbst ein Erasmus-Jahr in Mainz beziehungsweise Tübingen verbringen. Ein anderes Land als Deutschland kam für die beiden nicht in Frage. Auch Biotechnologie-Student Francesc Perez und Kunststudentin Luz von der Universität Barcelona musste nicht lange überlegen, wo sie sich bewerben.

    "Ich studiere Biotechnologie, einen sehr technischen Studiengang, und Deutschland ist in diesem Bereich einfach federführend. Wie schlecht hier die Wirtschaftslage ist, hört man jeden Tag in den Nachrichten, deswegen will ich auch gleich versuchen, in Deutschland einen Job zu finden."

    "Berlin und Barcelona haben eine spezielle Beziehung. Ich glaube sie sind ein bisschen ähnlich im Thema der Multikulturalität. Ich mag Berlin. Es ist eine freie Stadt, dort könnte ich gute Feelings haben."

    Bessere Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt plus der Glamourfaktor Berlins: Noch nie war das Erasmus-Land Deutschland unter spanischen Studierenden so beliebt wie jetzt. Fast allen Hochschulen berichten über steigende Bewerberzahlen. An der Polytechnischen Universität Barcelona etwa läuft nur das Nachbarland Frankreich Deutschland den Rang ab, an der Universität Barcelona gehört das Land immerhin zu den Top Five der beliebtesten Ziele. Marta Arias vom Erasmus-Büro:

    "Früher gingen vor allem Studierende nach Deutschland, die dort Familie hatten oder an der Deutschen Schule waren. Die Sprachbarriere ist sehr hoch, aber inzwischen bieten immer mehr deutsche Universitäten Kurse auf Englisch an. Dadurch – und wegen der Situation auf dem Arbeitsmarkt erwägen immer mehr auch einen Erasmus-Aufenthalt in Deutschland."

    Tatsächlich schrecken auch vor den üblicherweise von den Partner-Unis geforderten A2 oder B1 Sprachniveaus die wenigsten Bewerber zurück. In einem Land, in dem die Hälfte aller unter 24-Jährigen arbeitslos ist, gilt Erasmus als Sprungbrett in eine bessere Zukunft - und Sprachen büffeln als Investition. Die Deutschkurse der Goethe-Institute in Madrid und Barcelona haben die größten Steigerungsraten weltweit, die Sprachkurse an den Unis sind überlaufen. Die Vorbereitung auf das Erasmus-Jahr wird ernst genommen: Seit einem guten Jahr ist das Deutsch-Spanisch-Wörterbuch Daniel Reinas ständiger Begleiter.

    Er wolle nicht nach Deutschland, um Party zu machen, sondern um die Sprache zu lernen, um zu studieren und zu arbeiten, sagt der Kunststudent. Auch Ingrid Portella, BWL-Studentin von der Universität Pompeu Fabra hat sehr konkrete Pläne.

    "Ich möchte im zweiten Semester gerne Praktika machen, vielleicht an der Frankfurter Börse oder anderswo. Und wenn ich dann in dem Betrieb bleiben könnte, super. Hier sind mir die Arbeitsbedingungen einfach zu schlecht, die Fluktuation in den Unternehmen zu hoch. Natürlich mag ich Spanien, aber um Urlaub zu machen, nicht um hier zu arbeiten."

    Zumindest darin sind die spanischen Erasmus-Studenten den deutschen sehr ähnlich: Auch die schätzen an dem Land jenseits der Pyrenäen vor allem den Freizeit-Faktor.

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