Aus embryonalen Stammzellen einer Maus kann ein ganzes Lebewesen entstehen, so wie aus einem Mäuse-Embryo. Embryonale Stammzellen des Menschen besitzen diese Fähigkeit nicht. Sie sind nicht die Alleskönner, als die sie gemeinhin gelten.
"The human embryonic stem cells are basicly different from mouse embryonic stem cells."
Zsuzsanna Izsvak, eine aus Ungarn stammende Wissenschaftlerin, hat mit ihrer Arbeitsgruppe am Max-Delbrück-Centrum in Berlin die Unterschiede zwischen embryonalen Stammzellen von Mensch und Maus erforscht. Besonders interessiert sie sich für die naiven Zellen. Diese sind sozusagen die Leistungsträger in der Kulturschale, auch wenn sie nur einen Teil der embryonalen Stammzellenkultur ausmachen. Denn sie sind besonders wandlungsfähig.
"Eine Kultur von embryonalen Stammzellen des Menschen ist äußerst heterogen. Es gibt verschiedene Zelltypen darin mit unterschiedlichen Fähigkeiten. Die Zellen, auf die es ankommt, sind die naiven Zellen, und wie viele Forscher auf der ganzen Welt möchten wir diese naiven Zellen in Reinkultur vermehren. Wir wollen wissen, wie wir die Zellen in diesem naiven Zustand erhalten."
Retroviren steuern Stammzellen
Eigentlich ist Zsuzsanna Izsvak Expertin für bewegliche genetische Elemente – auch genannt Transposons oder springende Gene. Sie hat entdeckt, dass ein solches Element für die besonderen Eigenschaften der naiven Zellen mitverantwortlich ist.
"Diese beweglichen genetischen Elemente sind aus einst aktiven Retroviren hervorgegangen. Vor Jahrmillionen haben sie die Zellen unserer Vorfahren infiziert und sich in deren Erbgut niedergelassen. Heute sind sie nicht mehr infektiös und zu einem Teil des menschlichen Erbguts geworden. Und sie regulieren die Fähigkeiten menschlicher Stammzellen."
Die ehemaligen Viren sind heute wichtige Schaltstellen im Erbgut menschlicher Zellen. Sie kontrollieren die Aktivität anderer Gene und sorgen letztlich dafür, dass manche Zellen naiv bleiben und andere nicht. Ein ähnliches Netzwerk von Schaltelementen und Genen existiert in den embryonalen Stammzellen der Mäuse nicht. Das bedeutet: Embryonale Stammzellen von Mäusen und Menschen sind verschieden reguliert. Daher stammen die erheblichen Unterschiede zwischen den Stammzellen von Mensch und Maus. An der Aktivität bestimmter Schaltstellen im menschlichen Erbgut können die Forscher jetzt ablesen, wie naiv einzelne Zellen wirklich sind. Das nutzen sie, um die naiven Zellen unter den embryonalen Stammzellen zu finden und aus einer Zellkultur herauszufischen.
"So haben wir ein Werkzeug entwickelt, das sehr nützlich sein kann, wenn Forscher nach besonders vielseitigen Stammzellen suchen, und wenn sie die so gefundenen naiven Zellen im Labor kultivieren wollen."
Genau das suchen Stammzellenforscher aus der ganzen Welt. So werden viele von ihnen gespannt zuhören, wenn Zsuzsanna Izsvak bei einer Konferenz am Forschungszentrum Biopolis in Singapur ihre Forschungsergebnisse vorstellt.