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Erderwärmung
Die ungehörten Warnungen des Weltklimarates

Der globale CO2-Ausstoß verharrt weiter auf hohem Niveau - bis heute. Dabei warnt der Weltklimarat IPCC schon seit 1990 in seinen insgesamt fünf Berichten und Protokollen zur Erderwärmung vor den möglichen ökologischen und wirtschaftlichen Folgen.

Von Volker Mrasek | 04.11.2018
    Dritter Teil des 5. IPCC-Sachstandsberichts - Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger, steht in Englisch auf weißem Papier.
    Die Berichte des IPCC beschreiben einen zunehmenden Anteil des Menschen an der Erderwärmung (imago)
    1990: Der weltweite CO2-Ausstoß von Kraftwerken und Industrie, von Verkehr und Landwirtschaft: 28 Milliarden Tonnen. Um die langlebigen Treibhausgase auf heutigem Niveau zu stabilisieren, ist eine sofortige Reduktion unserer Emissionen um über 60 Prozent erforderlich.
    Klartext schon vor 28 Jahren, im ersten Report des IPCC. Die Klimaerwärmung ist kein Problem, das man auf die lange Bank schieben - so der schwedische Klimaforscher Bert Bolin während seiner Amtszeit als erster IPCC-Chef Mitte der 90er Jahre
    "Ich kann nur empfehlen, dass wir alle möglichst schnell zu Potte kommen! Wenn wir die Emissionen auf einem noch relativ niedrigen Niveau stoppen wollen, dann müssen wirklich alle Länder innerhalb des nächsten Jahrzehnts etwas tun."
    1995: Der globale CO2-Ausstoß: noch immer 28 Milliarden Tonnen.
    Immerhin: Die Staaten der Erde verabschieden 1997 das Kyoto-Protokoll. Industrieländer wollen nun ihre Emissionen in dem von Bolin genannten Zeitraum bis 2010 drosseln, zumindest ein wenig. Doch auch hier macht der IPCC-Vorsitzende deutlich: Kyoto könne nur ein erster Schritt sein.
    "Es genügt nicht, dass die Industriestaaten vorangehen. Die anderen Länder müssen folgen, so dass alle am Ende an einem Strang ziehen."
    Das Jahr 2000: Der CO2-Ausstoß: gestiegen auf 30 Milliarden Tonnen.
    Schon früh legt der IPCC auch Sondergutachten vor, 1998 eins über die Klimaauswirkungen des Flugverkehrs, der immer mehr zunimmt. Hans-Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und IPCC-Mitglied, scheut damals keine offenen Worte:
    "Die Entwicklung des Flugverkehrs, die absoluten Billigangebote - das ist für mich fast 'ne Wildwest-Situation, die ich so nicht haltbar sehe für die nächsten Jahrzehnte. Das ist undenkbar."
    Doch ändern wird sich daran nichts. Das gilt auch für alle anderen Emissionsquellen.
    2010: Der CO2-Ausstoß der Menschheit: jetzt schon bei 36 Milliarden Tonnen.
    Dabei läuft die Zeit inzwischen davon. Kein IPCC-Bericht macht das so deutlich wie der vierte von 2007. Darin ist das erste Mal die Rede von einem Zeitfenster, das sich bald schließe, sollte die Staatengemeinschaft ihr Ziel noch erreichen wollen, die globale Erwärmung bei zwei Grad Celsius zu stoppen.
    Der damalige IPCC-Vorsitzende Rajendra Pachauri mahnt wiederholt zur Eile:
    "Wir haben nur noch bis 2015 Zeit. So lange können die Treibhausgas-Emissionen noch steigen. Aber dann müssen sie ihren Höhepunkt erreichen und sinken."
    Mitte des Jahrhunderts, heißt es jetzt, dürften im Prinzip überhaupt keine Treibhausgase mehr emittiert werden.
    Doch der globale CO2-Ausstoß verharrt weiter auf hohem Niveau - bis heute. Und wenn der IPCC in seinem allerjüngsten Sondergutachten auslotet, wie die Länder der Erde es anstellen könnten, sogar unter 1,5 Grad zu bleiben, dann ist längst klar, und das bestätigt auch einer der Leitautoren, der britische Energieforscher James Skea. Die Welt wird auf jeden Fall über diese Schwelle hinausschießen und kann höchstens nachträglich wieder dort landen.
    "Wir werden Kohlendioxid im Laufe dieses Jahrhunderts wieder aus der Atmosphäre entfernen müssen. Durch die Aufforstung von Wäldern; durch Biomasse-Kraftwerke mit CO2-Abscheidung - und vielleicht auch durch neue Technologien zur Kühlung des Klimas, die jetzt noch in einem Frühstadium sind."
    Aus Sicht des IPCC wäre es jetzt angesagt, möglichst schnell aus der Nutzung von Kohle auszusteigen. Denn ihre Verbrennung produziert besonders viel CO2. Doch damit tun sich viele Länder schwer, Deutschland eingeschlossen.
    Also wird die nötige Kehrtwende beim Treibhausgasausstoß weiter auf sich warten lassen - aller Berichte des Weltklimarates zum Trotz, was auch der Schweizer Umweltphysiker und langjährige IPCC-Experte Thomas Stocker bedauert.
    "An der Wissenschaft und an der Information kann es sicher nicht liegen, wenn es nicht so herauskommt, wie sich das viele wünschen."