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Erhöhung des Spitzensteuersatzes "eine falsche Diskussion"

Peter Altmaier hält das beschlossene Sparpaket der Regierung für ausgewogen. Einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes, um auch den Besserverdienenden einen Beitrag zur Sparleistung abzuverlangen, erteilte der CDU-Politiker eine Absage.

Peter Altmaier im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Gut zwei Wochen nach seiner überraschenden Entscheidung zurückzutreten hat Horst Köhler gestern diesen Beschluss noch einmal als richtig verteidigt und Respekt und Wahrhaftigkeit in der Politik angemahnt. Anschließend wurde er mit einem großen Zapfenstreich vor dem Schloss Bellevue aus dem Amt des Bundespräsidenten verabschiedet.
    Respekt und Wahrhaftigkeit in der Politik hat Horst Köhler angemahnt. Am Telefon begrüße ich Peter Altmaier. Er ist der erste parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Guten Morgen!

    Peter Altmaier: Guten Morgen, Frau Engels.

    Engels: Herr Altmaier, fühlen Sie sich nach den eher chaotischen Tagen von Herrn Köhler da angesprochen?

    Altmaier: Das war gestern ein sehr würdevoller Abschied von Horst Köhler und ich glaube, dass das auch sehr vielen Menschen in Deutschland wichtig war. Nach den Umständen des Rücktritts, die bei vielen Fragen und Fragezeichen aufgeworfen haben, hat Herr Köhler gestern noch einmal seine Amtszeit als eine wichtige und als eine positive Amtszeit für unser Land sichtbar werden lassen. Das war gestern Abend etwas sehr Erhabenes, Erhebendes und ich glaube, dass es ein gutes Zeichen ist für die kommenden Wochen und Monate.

    Engels: Erhaben und Erhebendes. Das kann man ja zum Zustand der Koalition nicht unbedingt im Moment sagen. Bleiben wir direkt beim Stichwort Bundespräsidentenwahl. Sind Sie seit Neuestem optimistischer, dass Christian Wulff im ersten Wahlgang zum Bundespräsidenten gewählt werden wird?

    Altmaier: Ich war immer optimistisch, dass wir mit Christian Wulff einen hervorragenden Kandidaten nominiert haben, und sein gutes Auftreten gestern bei FDP und CDU hat im Übrigen deutlich gemacht, dass Christian Wulff alle Voraussetzungen für dieses Amt mitbringt. Es ist gestern nach einem Wochenende suboptimaler Präsentation manchem in der Koalition klar geworden, wir haben gemeinsam den Willen zum Erfolg, wir sind entschlossen, in den nächsten Monaten die Grundlinien unserer Regierungspolitik deutlich zu machen. Das heißt, dass auch persönlicher Streit und persönliche Profilierungen zurücktreten müssen und dass wir uns an der Sache orientieren. Wir werden eine wichtige Herausforderung haben mit der Wahl des Bundespräsidenten. Dort gibt es eine klare Mehrheit in der Bundesversammlung und ich bin sehr optimistisch, dass die auch am 30. Juni deutlich wird.

    Engels: Wie wichtig ist denn ein Sieg Christian Wulffs im ersten Wahlgang dieser Bundesversammlung für den Fortbestand der schwarz-gelben Koalition?

    Altmaier: Es geht nicht um Sieg oder Niederlage, sondern darum, dass diese Koalition deutlich macht, dass sie eine Gestaltungsmehrheit hat. Wir haben ein großes Vertrauen in den Landtagen, wir haben ein großes Vertrauen der Menschen bei der letzten Bundestagswahl gehabt, das äußert sich in unserer Mehrheit in der Bundesversammlung, und dieses Vertrauen wollen und werden wir nicht enttäuschen. Deshalb gehe ich davon aus, dass nach dem, was in den Fraktionen von CDU/CSU und FDP gestern deutlich geworden ist, Christian Wulff auf eine ganz breite Unterstützung rechnen kann, und das wird dann natürlich auch die Koalition beflügeln, weil wir vor wichtigen Herausforderungen stehen. Wir haben am letzten Wochenende mit dem Zukunftspaket der Haushaltskonsolidierung einen ganz wichtigen Schritt gemacht, der vom Umfang her größer ist als alle Herausforderungen der letzten Jahre, und wir werden jetzt Schritt für Schritt die Herausforderungen abarbeiten, die vor uns liegen.

    Engels: Herr Altmaier, darauf kommen wir gleich. Noch kurz, um dieses Thema abzuschließen: Es wäre also, umgekehrt gefragt, schlimm, wenn es einen dritten Wahlgang geben würde, um Christian Wulff zu wählen?

    Altmaier: Lassen Sie uns, Frau Engels, doch nicht über einzelne Wahlgänge spekulieren, sondern das Ziel formulieren, dass wir die Bundesversammlung, die ja in wenigen Tagen stattfinden wird, so gestalten, dass am Ende Christian Wulff mit einer deutlichen und klaren Mehrheit zum Bundespräsidenten gewählt wird.

    Engels: Dann schauen wir auf das Sparpaket. Wir haben ja gerade noch einmal Peter Müller gehört, den Ministerpräsidenten des Saarlandes, und er steht ja nicht allein mit seiner Forderung, dass der Beitrag der Besserverdienenden zu dieser Sparleistung noch nicht so klar erkennbar sei. Wird es von der Union im Parlament vielleicht doch noch den Antrag auf Erhöhung des Spitzensteuersatzes geben?

    Altmaier: Es hat ja in den letzten Tagen viele Debatten gegeben. Das ist bei einem solchen Paket auch ganz normal und nachvollziehbar. Wir haben mit die größte Sparanstrengung seit über 40 Jahren zu bewältigen. Es gab seit der deutschen Einheit keine derartige Problemfülle, die von der Politik bewältigt werden musste. Aber die Schritte müssen klar sein, und diese Schritte sind: Wir haben uns im Kabinett auf ein eindrucksvolles Sparpaket geeinigt, das auch international im Übrigen gute Kritiken erhält. Dieses Sparpaket belastet Wirtschaft, den staatlichen Bereich und darüber hinaus die Einzelhaushalte der Ministerien in vergleichbarer Weise, und dieses Paket wollen wir jetzt durchsetzen. Deshalb glaube ich, dass Diskussionen über Steuererhöhungen an dieser oder jener Stelle uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht weiterhelfen.

    Engels: Gibt es denn vielleicht noch andere Maßnahmen, die Sie über das Sparpaket hinaus vorgesehen haben, um den Besserverdienenden mehr abzuverlangen?

    Altmaier: Ich glaube, dass es eine falsche Diskussion ist, darüber zu diskutieren, was man einzelnen Gruppen abverlangt. Entscheidend ist doch, dass wir es schaffen, das gute Wirtschaftswachstum in Deutschland weiter voranzubringen, und dass wir erstmals seit 40 Jahren einen Haushalt erreichen wollen, der im Wesentlichen ohne neue Schulden auskommt. Das sind die beiden großen Herausforderungen, und wenn Sie sich das Sparpaket ansehen, ist es uns sogar gelungen, damit Akzente zu setzen. Wir haben in der Bildungspolitik nicht gespart, sondern mehr investiert, wir haben im Umweltbereich deutliche Akzente gesetzt für den Übergang zu einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft. Das sind wichtige Punkte, die dürfen wir nicht zerreden lassen und deshalb werden wir uns auch von unseren politischen Gegnern nicht aufzwingen lassen eine Diskussion, die sich nur verengt auf diese ganz eine spezielle Frage, die Sie eben angesprochen haben.

    Engels: Es ist ja nicht nur der politische Gegner, der darüber fragt, welche Gruppen wie stark belastet werden. Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat ja gerade eine Studie vorgelegt, wonach die Zahl der Reichen, als auch die der Armen steigt, die Mittelschicht dagegen schrumpfe. Muss man sich aufgrund dieser wissenschaftlichen Expertise nicht noch einmal das Sparpaket vornehmen?

    Altmaier: Diese Studie nehmen wir selbstverständlich sehr ernst. Sie müssen aber wissen, dass all die Prozesse, die zu den Ergebnissen dieser Studie geführt haben, bereits zu Regierungszeiten der SPD begonnen haben, sowohl zu Zeiten von Rot-Grün wie auch in der Großen Koalition. Das heißt, wir müssen uns gemeinsam Gedanken darüber machen, was wir tun können, um genau die Mittelschicht zu stärken und zu unterstützen. Da gibt es im Wachstumsbeschleunigungsgesetz aus dem Januar bereits wichtige Elemente, das wollen wir auch in den nächsten Monaten fortsetzen, und da würde ich mir sehr wünschen, dass wir über alle politischen Parteien hinweg auch zu Gemeinsamkeiten kommen können, und da sage ich Ihnen, die staatspolitische Verweigerungshaltung der SPD in Nordrhein-Westfalen derzeit beispielsweise ist kein gutes Zeichen, weil sie dazu führt, dass das größte deutsche Bundesland keine klare und deutliche Regierungsbildung vornehmen kann, die gerade in der jetzigen Zeit wichtig wäre.

    Engels: Herr Altmaier, das Sparpaket ist ja das eine, aber es sind ja auch andere wichtige Themen noch zu entscheiden – Stichwort Kernenergie oder Gesundheitsreform. Nun ist es ja wohl offenbar die neue Linie der Koalition, dass vor der Sommerpause entgegen der ursprünglichen Planung nicht mehr Grundsätzliches entschieden werden soll in Sachen Verlängerung der Laufzeiten für Kernenergie oder Gesundheitsreform. Sieht so ein Neustart aus?

    Altmaier: Die Frage der Verlängerung von Laufzeiten wird im Rahmen eines Energiekonzeptes der Bundesregierung entschieden, was auch den Fragen der erneuerbaren Energien einen großen Raum einräumen wird. Wir hatten von Anfang an vorgesehen, darüber im Herbst zu entscheiden. Zwischenzeitlich gab es die Hoffnung, dass die wissenschaftlichen Berechnungen vielleicht schon vor der Sommerpause vorliegen. Wir haben jetzt festgestellt, dass eine ruhige und gründliche Beratung auf der Grundlage valider wissenschaftlicher Ergebnisse den Vorrang verdient, und deshalb werden wir diese Entscheidung Anfang September treffen. Ich bin überzeugt, dann wird sie auch auf eine größere Resonanz stoßen, weil deutlich wird, dass wir eben nicht willkürlich mit Zahlen jonglieren, sondern eine Entscheidung treffen, die auf Grundlage der vorliegenden Berechnungen und Gutachten Hand und Fuß hat.

    Engels: Das hat den Vorteil, dass man sich auch durch die Verschiebung nicht direkt wieder mit FDP und CSU in die Haare geraten muss.

    Altmaier: Nun, es gibt genügend Themen auf der politischen Agenda, die wir in diesen Tagen bearbeiten und einer guten Lösung zuführen wollen. Mich hat gestern beeindruckt in den parlamentarischen Gremien unserer Fraktionen, wie groß der Wille zur Gemeinsamkeit tatsächlich ist. Es waren alle auch etwas betroffen von den negativen Reaktionen, die es in den letzten Tagen gegeben hat, und ich glaube, dass wir daraus die Kraft schöpfen, jetzt bei den anstehenden Beratungen, auch zur Gesundheitsreform, auch zum Energiekonzept, über die Umsetzung des Zukunftspaketes, deutlich zu machen, dass diese Koalition ein klares Konzept hat, dass sie einen Gestaltungsauftrag hat und auch entschlossen ist, diesen Auftrag über die ganze Dauer von vier Jahren umzusetzen.

    Engels: Peter Altmaier, erster parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Vielen Dank für dieses Gespräch.

    Altmaier: Ich danke Ihnen, Frau Engels.