Georg Ehring: Deutschland hat bei den erneuerbaren Energien im letzten Jahr schon kräftig auf die Bremse getreten. Der Zubau der Solarenergie hat sich in etwa halbiert und auch bei der Windenergie vor allem auf See geht es nicht so recht weiter. In der wetterabhängigen Stromerzeugung ist der Anteil der Windkraft im letzten Jahr sogar geschrumpft. In den nächsten Jahren soll der Ausbau weiter verlangsamt werden. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel will den Zubau begrenzen, um die Kosten in den Griff zu bekommen. Darüber und über die Entwicklung der Erneuerbaren Energien in anderen Ländern möchte ich jetzt mit Professor Klaus Töpfer sprechen. Er war viele Jahre Chef des UN-Umweltprogramms und leitet heute das Nachhaltigkeitsinstitut IASS in Potsdam. Guten Tag, Herr Töpfer!
Klaus Töpfer: Einen schönen guten Tag!
Ehring: Herr Töpfer, zunächst zu den Ökostrom-Plänen der Großen Koalition. Ist das eine Abkehr vom Ausbau, oder geht es einfach nicht schneller?
Anpassung der Förderung ist notwendig
Töpfer: Nein. Ich glaube, es ist für jeden einsichtig, dass wir technologischen Fortschritt haben bei den Erneuerbaren Energien, dass wir durch Größenproduktion auch Kostenvorteile haben, und es ist über all die Jahre hinweg immer wieder eine Anpassung der Förderung notwendig gewesen und möglich gewesen. Das ist auch jetzt der Fall. Ob eine Kürzung von 17 auf 12 Euro-Cent im Schnitt nicht ein zu starker Schluck aus der Pulle ist, das werden wir sehr schnell noch sehen können. Also dieses ist eine Entwicklung, die, glaube ich, jeder, der den Markt verfolgt, so erwarten musste, jedenfalls in der Richtung.
Die andere Frage ist, ob wir es wirklich sinnigerweise so machen sollen, dass wir auch die Mengen sehr stark begrenzen, wobei dieses, was wir jetzt vor haben, 2500 Megawatt Sonne und 2500 Megawatt Wind Onshore, immerhin noch fünf Gigawatt darstellen, insgesamt also eine nicht unbeträchtliche weitere Entwicklung. Aber das könnte und sollte sicherlich schneller sein, wenn wir die Ziele, die wir uns gesetzt haben, realisieren wollen. Hier wird sicherlich noch weiter zu diskutieren sein.
Ehring: Die teuerste Energiequelle ist dann ja nicht mehr die Sonne, sondern Windkraft auf hoher See, und ausgerechnet die soll ja recht massiv noch gefördert werden.
Töpfer: Wir müssen ja immer dabei bedenken, welche Vorteile etwa Windkraft auf hoher See hat. Wir haben dort, wie man in der alten Sprache noch sagte, fast Grundlastqualität. Wir haben auf hoher See über 4000 Stunden, in denen das produziert wird, weil eben dort mehr Wind ist. Wir kriegen dadurch sicherlich Vorteile, aber gar keine Frage: Gerade auch deswegen, weil ja die Förderung deutlich verkürzt werden soll, dadurch höher wird, das ist noch mal eine ganz erhebliche Belastung der Kostenseite. Umso wichtiger ist es aus meiner Sicht, dass wir uns nicht nur Gedanken darüber machen, wie wir aktuell den Zuwachs günstiger bekommen, sondern wie wir uns darüber Rechenschaft abgeben, ob wir in der Vergangenheit die Zuordnung der Kosten richtig vorgenommen haben.
Ehring: Und was hat das dann für Konsequenzen?
Strom aus Erneuerbaren Energien ist nahezu wettbewerbsfähig
Töpfer: Das was wir für notwendig erachten ist, deutlich zu machen, der Strom aus Erneuerbaren Energien ist nahezu schon wettbewerbsfähig geworden. Sehen Sie, als ich mal Umweltminister war, lange graue Vorzeiten, da zahlten wir für eine Kilowattstunde Fotovoltaik etwa 60 Euro-Cent, für eine Kilowattstunde. Heute sprechen wir davon, dass es zwölf sind, und es werden mit Sicherheit in absehbarer Zeit Größenordnungen sein, die unter zehn Euro-Cent liegen. Das ist ein großer, großer Investitionsschub gewesen. Das ist eine Entwicklung einer neuen Technik. Ich komme ja gerade zurück aus der Veranstaltung der weltweiten erneuerbaren Energien-Anlagenbetreiber und der damit verbundenen Technologien. Es ist gewaltig, diese Technik ist weltweit jetzt nun so durchgedrungen, dass man in vielen Entwicklungsländern eindeutig darauf setzt, aufgrund der Tatsache, dass wir die Technik so weit vorantreiben konnten in der Effizienz, aber auch in der Marktdurchsetzung, dass solche Kosten jetzt in dem Bereich sein können, den ich gerade genannt habe.
Ehring: Sie kommen gerade von der Tagung der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien, einer UN-Institution mit dem Kürzel IRENA. Welches sind denn die Länder, wo die erneuerbaren Energien derzeit besonders große Fortschritte machen?
In Afrika auf Erneuerbare Energien setzen
Töpfer: Ich glaube, dass die Anwendung in allen Entwicklungsländern rapide vorangeht. Man hat sich als Ziel genommen, bis zum Jahre 2030 die Erneuerbaren Energien weltweit zu verdoppeln, und dieses Ziel wird ohne Schwierigkeiten erreicht werden. Davon gehen alle jetzt aus. Wir sehen, gerade weil die Kosten sich so entwickelt haben, wie sie es durch unsere Investitionen mittragen konnten, dass das sehr attraktiv wird, auch mit Blick auf die damit verbundenen geringeren Netzkosten. Es ist beschlossen worden, in Afrika einen Korridor der Erneuerbaren Energien von Kairo bis nach Kapstadt zu entwickeln. Also das sind Bereiche in Afrika, die intensivst auf Erneuerbare Energien setzen. Es gibt weite Bereiche in Asien, die Japaner haben sehr deutlich dort vorgetragen, welche Notwendigkeiten sie dabei sehen, auch Erneuerbare Energien, dort insbesondere auch Geothermie, die bei uns leider etwas zu kurz gekommen ist, voranzutreiben. Also eins kann man festhalten: Wir sind Zeugen, dass eine neue Energietechnik globale Bedeutung gewonnen hat, dringlich notwendig in einer Welt, die auf neun Milliarden Menschen zugeht und die für eine wirtschaftliche Stabilität auch überall in der Welt dringlich weitere Energie bedarf.
Ehring: Muss man sie dann noch subventionieren und wenn ja, wie lange?
Keine dauerhaften Subventionen
Töpfer: Ich glaube, wir werden sie nicht auf Dauer subventionieren können und auch nicht sollen. Die Technik geht weiter voran, ich sagte es bereits. Ich gehe nicht mehr davon aus, dass wir hier noch in Jahrzehnten zu rechnen haben, wie wir subventionieren, in Entwicklungsländern ohnedies gar nicht mehr möglich, dass wir das auf Dauer subventionieren könnten und dass man es dort subventioniert. Also die Kostenkurve, die in der letzten Zeit sehr deutlich abgefallen ist, wird weiter zurückgehen. Alle, die in der Wissenschaft daran arbeiten, bestätigen das sehr deutlich. Lassen Sie mich nicht auf ein Jahr festlegen, aber wir werden das, glaube ich, in diesem Jahrzehnt noch erreichen können, dass wir immer stärker an die Marktpreise herankommen und eigentlich eine Förderung nur noch wenn, dann auf bestimmte Technologien, die noch nicht so weit entwickelt worden sind, konzentrieren müssen. Dazu gehört sicherlich auch Wind Offshore.
Ehring: Die Zuverlässigkeit ist ja traditionell die Achillesferse von Wind- und Solarenergie. Sind denn da aus Ihrer Sicht die Fortschritte so groß, dass man da so stark drauf setzen kann?
Deutschland hat einen Wettbewerbsvorteil
Töpfer: Wir müssen ja auch aus der Förderung der Gewinnung der Energie ein Stück herauskommen, damit wir wieder die Finanzierungsspielräume haben, um die Infrastruktur zu finanzieren und umzusetzen. Das geht um Netze, das geht nicht nur um die Frage, ob wir die großen Verbindungsnetze bekommen, sondern auch um intelligente, um "smart grid", wie der Fachmann es nennt, es geht vor allen Dingen auch um Speichertechnologien. Da sind am Horizont sicherlich immer bessere Batterietechniken zu sehen, die weltweit entwickelt worden sind, gerade auch in Asien. Wir hoffen sehr, dass die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, die man unter dem Begriff, aus Strom Gas herzustellen, macht, vorankommen. Das wäre natürlich eine tolle Speichermöglichkeit. Also es gibt auf diesem Gebiet noch vieles weiteres zu tun, das ist gar keine Frage. Umso wichtiger ist es, dass wir aus der Subventionierung der Energieerzeugung hineinkommen können in eine Förderung der Energie-Infrastrukturen, die uns wirklich in Deutschland einen ganz großartigen Wettbewerbsvorteil auf Sicht in der Welt schaffen wird. Das ist genau das, was neun Milliarden Menschen auf Dauer auch brauchen, und hier müssen wir Technologieführer bleiben, und wo wir es noch nicht sind, müssen wir es dringlich werden.
Ehring: Professor Klaus Töpfer war das, der ehemalige Bundesumweltminister und heutige Leiter des Nachhaltigkeitsinstituts IASS. Herzlichen Dank.
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