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Erster ICE 3 fährt durch den Kanaltunnel nach London

Ab 2013 will die Deutsche Bahn regulär von Köln nach London pendeln. Aber Frankreich könnte der Deutschen Bahn noch einen Strich durch die Rechnung machen. Dieter-Lebrecht Koch vom Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments lobt hier den Mut der Tunnelbetreiber und von Eurostar.

Dieter-Lebrecht Koch im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 19.10.2010
    Tobias Armbrüster: Eine historische Zugfahrt war es, die da in den frühen Morgen stattgefunden hat. Zum ersten Mal ist ein Zug der Deutschen Bahn, ein ICE 3, durch den Kanaltunnel nach London gefahren. Heute Nachmittag wird er dort auf dem Bahnhof King's Cross der britischen Öffentlichkeit präsentiert. Dazu reisen dann auch Bahnchef Rüdiger Grube und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer in die britische Hauptstadt. Es ist das erste Mal in der 16jährigen Geschichte des Tunnels, dass ein nicht französischer Zug diesen Tunnel passieren darf. Und die Bahn will damit klarstellen, dass sie mitmachen will im Passagiergeschäft auf der Tunnelstrecke. Ab 2013 will sie eine direkte Verbindung von Deutschland nach London im Fahrplan haben.
    Deutsche Züge, die also nach London rollen, ein symbolträchtiger Akt, über den ich jetzt mit Dieter-Lebrecht Koch sprechen möchte. Er ist für die CDU im Europäischen Parlament und dort stellvertretender Vorsitzender im Verkehrsausschuss. Schönen guten Morgen, Herr Koch.

    Dieter-Lebrecht Koch: Einen wunderschönen guten Morgen, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Warum ist das so ein wichtiger Augenblick, wenn zum ersten Mal ein deutscher Zug durch den Tunnel nach London rollt?

    Koch: Da gibt es viele Gründe zu nennen. Der eine ist, dass wir doch zeigen können, dass deutsche Technologie auf dem Weltmarkt anerkannt ist. Zum anderen hat sich endlich ein europäisches Gesetz durchgesetzt zur Wettbewerbsregelung, dass nämlich solche Strecken, solche Dienstleistungen offen ausgeschrieben werden müssen und eben nicht mehr nur ein Staatsunternehmen zum Tragen kommt, sondern auch andere aus anderen Ländern sich bewerben können. Und das ist, glaube ich, ein großer Vorteil für Europa.

    Armbrüster: Und das Staatsunternehmen war bisher die französische Staatsbahn?

    Koch: Die französische Staatsbahn mit Zügen, die hergestellt worden sind von einem französischen Unternehmen, Alstom. Und ich denke, wir können dort durchaus mithalten als deutsche Hersteller.

    Armbrüster: Sagt uns diese Zugfahrt denn auch etwas aus über die europäische Verständigung?

    Koch: Ja! Ich denke schon, dass damit auch die Insel Großbritannien und der Rest Europas – ich sage das scherzhaft – zusammenwachsen, dass eine ständige Verbindung herrscht.

    Armbrüster: Warum hat es nun so lange gedauert, bis ein deutscher Zug durch diesen Tunnel fahren durfte? Immerhin wurde der Tunnel ja 1994 in Betrieb genommen.

    Koch: Ja! Es werden natürlich immer Lizenzen vergeben für lange Fristen, für lange Zeiten. Und wenn die auslaufen, wird neu ausgeschrieben und muss neu ausgeschrieben werden aufgrund europäischer Gesetze. Und damit entsteht jetzt zum ersten Mal die Chance, dass überhaupt andere Hersteller, andere Bahnbetreiber den Tunnel mit nutzen können. Übrigens muss ich da sagen, eine Gratulation an den Tunnelbetreiber und an das Bahnunternehmen Eurostar, denn die waren mutig genug zu sagen, ja, wir lassen nicht nur die französischen Züge zu, sondern eben auch andere. Das ist ein Stückchen Mut, weil Eurostar zu 50 Prozent dem französischen Staat gehört und damit eine riesen Einflussmöglichkeit des französischen Staates da ist. Übrigens da wird auch schon gedroht von dem französischen Verkehrsminister bis hin zu Sarkozy, die richtig drohen und sagen, das geht so nicht, dass ihr nicht mehr nur mit unseren Zügen fahrt. Das halte ich für unerträglich.

    Armbrüster: Warum ist das unerträglich?

    Koch: Weil das einfach ein Eingriff ist in die Wettbewerbssituation in Europa und wir müssen die Chancen haben, alle auf einem gemeinsamen Binnenmarkt unsere Leistungen anzubieten, alle Länder übrigens. Es könnten auch die Spanier sein oder die Italiener. Aber ich bin natürlich stolz, dass es ein deutscher Zug ist, der diese Ausschreibung gewonnen hat.

    Armbrüster: Jetzt sagt die französische Regierung allerdings, die deutschen Züge seien nicht sicher.

    Koch: Ja. Es gibt natürlich Ausschreibungen und denen entsprechen die deutschen Züge. Es sind auch zwei Tests gemacht worden mit Evakuierungen in den letzten Tagen, die perfekt geklappt haben. Es gibt eine Begründung aus Frankreich, die sagt, so ein Zug muss von vorne bis hinten durchgängig sein. Und der deutsche Zug besteht nun mal aus zwei Zughälften. Damit ist die Durchgängigkeit nicht gegeben. Aber ich glaube, das ist nicht die entscheidende Frage für Sicherheit in diesen Zügen. Es ist einfach eine neu entwickelte Situation auch für den Eurostar, der ICE 320, der alle anderen Anforderungen erfüllt, von der Leistung bis hin zur Beförderung auch von Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.

    Armbrüster: Aber wir halten kurz fest, Herr Koch: In der vergangenen Nacht, am frühen Morgen ist nun zum ersten Mal ein deutscher Zug durch den Tunnel gerollt, aber ob die Deutsche Bahn ihre ICEs tatsächlich ab 2013 wie geplant fahren lassen darf, das ist noch unklar. Und das hängt unter anderem davon ab, ob sich die französische Regierung weiterhin querstellt und sagt, euere Züge sind nicht sicher. Ist das korrekt?

    Koch: Das ist korrekt. Frankreich versucht es also durch fast Erpressung gegenüber dem Bahnunternehmen Eurostar. Aber Frankreichs Staatspräsident hat auch bei der europäischen Kommission angerufen und schon dort versucht, die Kommission auf seine Seite zu ziehen. Und ich erwarte eigentlich so ein bisschen, dass sowohl unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch unser Verkehrsminister Peter Ramsauer sich bei der europäischen Kommission vorstellen und unsere Sicht darlegen, dass es nicht nur einseitig dort irgendwo ankommt.

    Armbrüster: Kann denn die Kommission da überhaupt etwas machen?

    Koch: Die Kommission könnte einschreiten, wenn wirklich die Ausschreibung nicht vorschriftsgemäß ausgeführt worden ist, was ich nicht glaube. Und ich persönlich werde mich auch an die europäische Kommission wenden, um zu sagen, hier ist alles okay gelaufen, das ist einfach ein Akt des Protektionismus aus Frankreich, weil es die Franzosen anscheinend nicht ertragen, dass ihre Produkte nicht nur die allerbesten auf der Welt sind.

    Armbrüster: Nun lassen Sie uns noch kurz über den Tunnel selbst sprechen, Herr Koch. Das ist kein besonders einträgliches Geschäft gewesen in den vergangenen 16 Jahren. Die Betreibergesellschaft hätte wahrscheinlich ohne ein Umschuldungsverfahren in den vergangenen Jahren Konkurs anmelden müssen. Woran liegt das eigentlich?

    Koch: Der Tunnel wird im Moment nur zu 50 Prozent ausgenutzt. Auch das ist ein Grund, weshalb der Tunnelbetreiber sagt: Wir brauchen ein besseres Angebot für die Reisenden, aber auch für den Transport von Waren und von Produkten. Übrigens: Die werden weiterhin auf der Basis von Zügen, die dem TGW zugrunde liegen, transportiert werden. Es geht ja im Moment "nur" um den Transport von Personen, der übernommen werden soll von unserem ICE. Also bessere Tunnelauslastung bringt auch eine höhere Effizienz des Tunnels.

    Armbrüster: Warum gibt es denn eigentlich immer noch Flüge und Autofähren über den Ärmelkanal? Könnte das nicht alles durch den Tunnel komplett abgewickelt werden?

    Koch: Ich glaube, komplett nicht, denn Flüge kommen nicht nur aus Frankreich oder aus Deutschland nach Großbritannien. Aber ein Großteil könnte schon auch über den Tunnel abgewickelt werden. Allerdings müsste dann auch die Zufahrtsmöglichkeit noch verbessert werden. Und wenn wir in Deutschland davon reden, dass der Zug von Köln bis London fahren soll, könnte ich mir natürlich auch vorstellen, warum nicht von Frankfurt wenigstens aus, weil gerade auch die Strecke Frankfurt-Köln und dann weiter in Richtung Brüssel beziehungsweise London ist schon eine sehr stark befahrene Strecke, die ich selbst fast wöchentlich nutze. Ich weiß also, wovon ich rede.

    Armbrüster: In der vergangenen Nacht ist zum ersten Mal ein deutscher Zug, ein ICE 3, durch den Kanaltunnel gefahren. Heute Nachmittag wird er in London präsentiert. Wir sprachen darüber mit Dieter-Lebrecht Koch. Er sitzt für die CDU im Europäischen Parlament und er ist dort stellvertretender Vorsitzender im Verkehrsausschuss. Vielen Dank, Herr Koch, für das Gespräch.

    Koch: Vielen Dank, Herr Armbrüster.