Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Essays von Peter Suhrkamp
"Über das Verhalten in der Gefahr"

Rund 250.000 Blatt Papier soll der Nachlass von Peter Suhrkamp umfassen. Aus diesem reichen Dokumentenschatz eines überaus interessanten Verlegerlebens haben der Suhrkamp-Verleger Jonathan Landgrebe und der Lektor Raimund Fellinger geschöpft. Sichtbar wird eine widersprüchliche Persönlichkeit.

Von Angela Gutzeit | 23.06.2020
Collage des Buchcovers "Über das Verhalten in der Gefahr" und dem Autor Peter Suhrkamp selbst
Peter Suhrkamp "Über das Verhalten in der Gefahr" (© Suhrkamp Verlag)
Der Suhrkamp Verlag feiert am 1. Juli sein 70jähriges Bestehen. Da ist es naheliegend, an seinen Gründer zu erinnern, an Peter Suhrkamp. In die Wiege gelegt war diesem Mann die Verlegertätigkeit keineswegs. Peter Suhrkamp war Spross einer Bauernfamilie im oldenburgischen Kirchhatten, wo er 1891 geboren wurde. Den elterlichen Hof wollte er nicht übernehmen. Ihn zog es in das kulturelle Leben Berlins, wo er die Weichen stellte für seine Verlegertätigkeit – erst im S. Fischer Verlag, dann im eigenen Suhrkamp Verlag. Gerade erschienen ist jetzt das Buch "Über das Verhalten in der Gefahr" mit Essays, Kritiken, Aufsätzen und Tagebucheintragungen von Peter Suhrkamp. Herausgeber sind der Suhrkamp-Verleger Jonathan Landgrebe und der kürzlich verstorbene Suhrkamp- und Insel-Cheflektor Raimund Fellinger.
Peter Suhrkamps intellektuelle Biografie beginnt um das Jahr 1929, als er seinen Lehreberuf an den Nagel hängt und in Berlin zunächst Kritiken unter anderem für das "Berliner Tageblatt" schreibt, bevor er dann 1933 in den S. Fischer Verlag eintritt, zunächst als Chefredakteur der Kulturzeitschrift "Die Neue Rundschau". Er zeigt sich da in seinen Artikeln als ziemlich typisches Kind seiner Zeit, das geprägt war durch den Ersten Weltkrieg und die Jugend- und Wandervogelbewegung. Viel ist in seinen Texten von Schicksal, Seele, Blut und geschichtlicher Erfüllung die Rede und ein gewisser Kultur- und Geschichtspessimismus scheint ihm die Feder geführt zu haben.
Ein schwieriger Spagat
Auch wird nicht deutlich, wie Peter Suhrkamp zur nationalsozialistischen Bewegung und zu deren Machtübernahme stand. Im Gespräch mit Dlf-"Büchermarkt"-Moderatorin Angela Gutzeit bestätigte Verleger Jonathan Landgrebe diesen Eindruck: "Er hat sich ja auch freiwillig zum Ersten Weltkrieg gemeldet und hatte durchaus keine kategorische Ablehnung (...) gegen die Euphorie (...) in Bezug auf das Militärische. Da guckt man, das haben wir ja auch dokumentiert, etwas befremdet auf diese Zeit." Peter Suhrkamp habe durchaus einen gewagten Spagat machen müssen, als er von dem ins Exil getriebenen Samuel Fischer treuhänderisch den S. Fischer Verlag weiterführte, indem er Kontakte zu den Nationalsozialisten gehalten habe. Er habe sich aber, so Landgrebe, "in dem, was er publizierte, nie beirren lassen." Das Unheil, das heraufzog, habe er sehr wohl gespürt, aber sich nicht politisch dazu geäußert. Peter Suhrkamp wurde schließlich vom Naziregime dazu gezwungen, den Verlagsnamen S. Fischer zu tilgen und das Unternehmen in Suhrkamp Verlag umzubennenen.
Odyssee durch die Lager
Durch eine Denunziation wurde er schließlich verhaftet und in Konzentrationslager und Gefängnisse gesperrt. Nach Kriegsende erhielt er 1950 als erster Verleger die Lizenz zur Weiterführung des Unternehmens und verstand es, große Autoren wie Hermann Hesse, Bertold Brecht, Max Frisch, Theordor W. Adorno und Walter Benjamin an sich zu binden sowie internationale Schriftsteller. Der Weiterführung des Verlages war eine etwas unerfreuliche Auseinandersetzung mit dem Erben Samuel Fischers, Gottfried Bermann Fischer, vorausgegangen. Ein Vergleich regelte die Aufteilung der Autorenschaft zwischen dem S. Fischer und dem Suhrkamp Verlag. Peter Suhrkamp starb 1959 - schwer gezeichnet von der Haft unter den Nationalsozialisten.
Peter Suhrkamp: "Über das Verhalten in der Gefahr". Essays
Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Raimund Fellinger und Jonathan Landgrebe.
Suhrkamp Verlag, Berlin. 420 Seiten. 30.- Euro.