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Ethikrat zu Roboter in der Pflege
Menschlichkeit und Technik müssen kein Gegensatz sein

Kümmern sich bald Roboter um alte und kranke Menschen? Der Ethikrat hat die Nutzung Künstlicher Intelligenz in der Pflege unter die Lupe genommen und kommt zum Schluss: Robotik könne von großem Nutzen sein, aber nicht als Ersatz für menschliche Zuwendung.

Von Johannes Kuhn | 10.03.2020
Dieser Pflegeroboter soll Schlaganfallpatienten helfen, wieder laufen zu lernen.
Dieser Pflegeroboter soll Schlaganfallpatienten helfen, wieder laufen zu lernen. (dpa-Zentralbild / Martin Schutt)
Der Deutsche Ethikrat weiß, dass er noch nicht genug weiß. Adelheid Kuhlmey aus der Arbeitsgruppe Robotik und Pflege: "Da müssen wir ehrlich bleiben: Über die tatsächlichen Auswirkungen des Einsatzes von Robotern bei Menschen mit Pflegebedarf ist noch viel zu wenig bekannt."
Dass der Ethikrat nun dennoch eine Stellungnahme zum Thema abgibt, steht dazu allerdings nicht im Widerspruch: Das Gremium will dazu beitragen, dass die Entwicklung entlang ethischer Leitplanken verläuft. So lautet dann auch eine Erkenntnis der Arbeitsgruppe: Die Robotik kann in der Pflege von großem Nutzen sein. Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrates: "Robotik muss guter Pflege nicht entgegenstehen. Im Gegenteil. Wir sind überzeugt: Robotik kann guter Pflege dienen und damit den Menschen im Pflegegeschehen. Menschlichkeit und Technik müssen kein Gegensatz sein."
Kein Ersatz für Zwischenmenschlichkeit
Konkret hält der Ethikrat den Einsatz sogenannter Assistenzsysteme für sinnvoll, wenn sie Pflegebedürftige und Pflegepersonal entlasten. Ein Ersatz für Zwischenmenschlichkeit seien sie aber nicht, argumentiert das Gremium. Und formuliert damit auch eine Kritik an der öffentlichen Debatte: Die Automatisierung werde immer als Werkzeug ins Feld geführt, um den Zeit- und Personalmangel in der Pflege auszugleichen. Ein Fehler, so der Ethikrat-Vorsitzende Dabrock.
"Der Verdacht, Maschinen würden eingesetzt, um Assistenz und Pflege kranker und alter Menschen noch stärker unter der Maßgabe ökonomischer Effizienz und nicht menschlicher Zuwendung zu gestalten, drängt sich ja auf und zerstört oft das Vertrauen in die Möglichkeiten der Nutzung solcher Technik - noch ehe sie aufgebaut ist."
Roboter könnten niemals gleichrangig neben oder anstelle von menschlichen Pflegekräften agieren, so die Warnung. Allerdings könnten Assistenzsysteme Pflegebedürftigen bei der Nahrungsaufnahme und Fortbewegung, den Pflegern bei schweren körperlichen Tätigkeiten helfen. Sogenannte Monitoring-Techniken wiederum beobachten Körperfunktionen von Pflegebedürftigen und schlagen bei Unregelmäßigkeiten Alarm. Was dazu beitragen könne, Menschen länger ein Leben im heimischen Umfeld zu ermöglichen.
Birgit Graf erforscht und entwickelt am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung Roboter im Pflegebereich. Zukunftsvisionen, in der Maschinen uns Menschen pflegen, seien technisch noch weit entfernt, sagt sie dem Deutschlandfunk:
Roboter, die das Pflegepersonal entlasten
"Also Roboter, die jetzt direkt Pflegetätigkeiten am Menschen ausführen, sehe ich in den nächsten Jahren definitiv nicht. Was sicherlich in den nächsten zwei, drei Jahren den Weg in den Markt finden kann, sind Roboter, die Routinetätigkeiten unterstützen. Also die sozusagen das Pflegepersonal bei seiner Arbeit entlasten - Transportfahrzeuge, die verschiedene Pflegehilfsmittel verfügbar machen, seien es Personenlifte oder medizinische Geräte."
Zu den bekanntesten Robotern in der Pflege gehören derzeit die sogenannten Begleitroboter. Sie ähneln oft Tieren wie Robben oder Hunden und reagieren auf Menschen. Diesen Trend, der aus Japan stammt, sieht der deutsche Ethikrat zwiespältig: Solche Roboter könnten tatsächlich emotionale Bedürfnisse erfüllen. Dies sei allerdings nur sinnvoll, wenn der Einsatz nicht als Vorwand für den Abbau von menschlichem Kontakt diene.