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EU-Afrika-Gipfel
Fluchtursachen besser bekämpfen

Die EU möchte mehr abgelehnte Asylbewerber aus Afrika in ihre Heimatländer abschieben und erreichen, dass weniger Menschen von dort fliehen. Dafür ist sie bereit, die Lebensbedingungen in den afrikanischen Staaten zu verbessern - unter anderem durch Wirtschaftspartnerschaften. Einzelheiten sollen ab morgen auf dem EU-Afrika-Gipfel in Malta besprochen werden.

Von Thomas Otto | 10.11.2015
    Menschen versuchen am 3.2.2015, den Grenzzaun der spanischen Exklave Ceuta in Nordafrika zu überwinden.
    Menschen versuchen, den Grenzzaun der spanischen Exklave Ceuta in Nordafrika zu überwinden. (picture-alliance / dpa / Reduan)
    Geht es nach der EU, hätten die afrikanischen Staaten schon längst mit ihr Wirtschafts-Partnerschaftsabkommen abgeschlossen, so genannte EPAs. So wurde es jedenfalls festgehalten im Cotonou-Abkommen aus dem Jahr 2000. Damit sollen die extrem günstigen EU-Einfuhrzölle für afrikanische Güter erhalten bleiben. Denn nach den Regeln der Welthandelsorganisation WTO sind die nicht gestattet, erklärt Karen Ulmer von ACT Alliance EU, einem Zusammenschluss kirchennaher Entwicklungswerke:
    "Die EU sagt: Wir können das nicht mehr anbieten, die WTO erlaubt das nicht. Wir müssen das revidieren, um kompatibel zu sein mit dem WTO-Regelwerk. Und deswegen muss das revidiert werden. Die jetzigen EPAs sind alle – wir nennen das WTO-Plus-Abkommen. Die gehen alle weit über das hinaus, was nach WTO-Vorgaben nötig gewesen wäre, um kompatibel zu sein mit dem jetzigen Handelsrecht."
    Über solche EPAs verhandelt die EU mit den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifik – den AKP-Staaten. Beide Seiten sollen gegenseitig Zölle abschaffen und so ihre Märkte für einander öffnen.
    "Und für die AKP-Länder war in der Tat gar nicht einsichtig: Warum sollen wir das denn tun, wenn wir doch zuvor alles hatten, was wir jetzt angeboten bekommen."
    In der Tat tun sich viele afrikanische Staaten mit den Wirtschaftspartnerschaften schwer. Zwar haben bereits einige Länder EPAs beziehungsweise weniger umfassende Interim-Verträge unterzeichnet. Beispielsweise Nigeria, Afrikas größte Volkswirtschaft, sträubt sich aber noch gegen ein EPA. Nicht ohne Grund, schließlich sollen die Länder ihre Wirtschaft für den Wettbewerb mit EU-Konkurrenten öffnen. Das könnte dazu führen, dass die heimische Produktion durch billigere EU-Importe gefährdet wird. EU-Kommissionssprecher Daniel Rosario sieht das anders:
    "Sie dürfen Zölle auf die sensibelsten Produkte und Industriezweige beibehalten. Sie müssen ihre Märkte nur langsam öffnen, manchmal erst nach 15 oder mehr Jahren. So sollen die Länder mögliche negative Auswirkungen auf ihre Wirtschaften minimieren können."
    Und Rosario geht noch einen Schritt weiter. In erster Linie seien die EPAs eine Form der Entwicklungshilfe:
    "Gleichzeitig wollen wir den Export von Gütern befördern, die es in diesen Ländern nicht gibt, zum Beispiel Dünger oder Maschinen. Damit helfen wir den Ländern auch, ihre Landwirtschaft und ihre gesamte Wirtschaft zu entwickeln."
    EU will sich Wirtschaftsvorteile sichern
    Kritiker wie Karen Ulmer sehen das ganz anders, sprechen davon, dass die EU lediglich ihre eigenen wirtschaftlichen Ziele mithilfe von Freihandelsabkommen absichern will. Sie nennt ein Beispiel:
    "Jetzt hat die EU in allen dieser EPAs eigentlich darauf bestanden, dass keine neuen Ausfuhrzölle und Schutzzölle eingeführt werden dürfen. Obwohl das nicht gefordert wird von der WTO."
    Außerdem versuche die EU in den Verträgen festzuhalten, dass keine Exportzölle für Rohstoffe mehr erhoben werden dürfen. So solle der EU-Wirtschaft der Zugang zu Rohstoffen gesichert werden, meint die Aktivistin Karen Ulmer.
    Was passiert, wenn afrikanische Staaten sich einem EPA verwehren, zeigt das Beispiel Kenia. Jahrelang war ohne Abschluss eines Vertrages verhandelt worden. Am 1. Oktober vergangenen Jahres setzte die EU die günstigen Zollbedingungen für das Land aus. Kommissionssprecher Rosario erklärt das so:
    "Es wäre unfair gewesen, wenn manche Länder ihren besseren Marktzugang behalten hätten, ohne die EPA-Verpflichtungen anzunehmen. Es ging nicht darum, Druck auf jemanden auszuüben. Kenia hätte sich auch gegen ein EPA entscheiden können. Dann hätte es weiter von Zollvorteilen profitieren können, die wir mit einigen Ländern vereinbart haben."
    Nur dass diese zwar vergleichsweise niedrigen Zölle sich trotzdem auf den Export von Schnittblumen, Röstkaffee und Dosenananas ausgewirkt haben. Mit Erfolg für die EU: Wenige Wochen später unterzeichnete Kenia ein Wirtschafts-Partnerschaftsabkommen.
    Offiziell soll es bei dem morgen beginnenden EU-Afrika-Treffen auf Malta um Migration und Entwicklungshilfe gehen. Will die EU ein Entgegenkommen von Herkunfts- und Transitländern erreichen, könnten aber auch noch offene EPAs zur Verhandlungsmasse werden.