Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

EU-Finanzpolitik
Draghi will den Geldhahn weiter aufdrehen

Der Präsident der Europäischen Zentralbank Mario Draghi hat angekündigt, alles zu unternehmen, um die Inflation zu erhöhen und damit den Preisverfall zu stoppen. Eine Idee, die sowohl bei Jens Weidmann, Präsident der Bundesbank, als auch bei Bundesfinanzminister Schäuble auf Kritik stößt. Denn Draghis Weg könnte genau das Gegenteil bewirken.

Von Stefan Wolff | 20.11.2015
    EZB-Präsident Mario Draghi.
    EZB-Präsident Mario Draghi: "Wir werden alles unternehmen, um die Inflation so schnell wie möglich zu erhöhen." (AFP / Daniel Roland)
    Europas Wirtschaft wächst. Aber viel zu langsam. Zuletzt waren es 0,3 Prozent. Und da die Wachstumsimpulse aus China nachlassen, aus anderen Schwellenländern auch, reden manche Ökonomen schon wieder von Deflation also von sinkenden Preisen, erlahmender Produktion, nachlassenden Investitionen – alles, weil jede Geldausgabe wegen der sinkenden Preise ja niedriger werden könnte und deshalb im Zweifel unterbleibt.
    Inflation muss also her. Die Europäische Zentralbank werde das besorgen. Ihr Präsident Mario Draghi ließ daran heute keine Zweifel aufkommen:
    "Wir werden alles unternehmen, um die Inflation so schnell wie möglich zu erhöhen."
    Ein Schub für mehr Ausgaben
    Dass noch mehr Zentralbankgeld, noch mehr Anleihekäufe zum Beispiel, die Anleiherenditen noch weiter abschmelzen lassen und die Aktienkurse womöglich noch weiter nach oben treiben werden – das ficht Draghi nicht an.
    "Es stimmt, dass unser Kaufprogramm die Preise von Wertpapieren angehoben hat, aber worauf es für die Wirtschaft ankommt, ist das genaue Gegenteil. Niedrigere Kapitalkosten für Unternehmen und ein Schub für mehr Ausgaben."
    Die Geldpolitik also bleibt expansiv. Im Zentralbankrat macht deutlich vernehmbar nur einer dagegen Front: Jens Weidmann, der Präsident der Bundesbank. So auch heute. Die bisherigen Maßnahmen müssten erst mal wirken, sagte er. Das täten sie ja auch, wenn etwa die Kerninflationsrate von 0,6 auf 1,0 Prozent gestiegen sei. Da müsse geldpolitisch nicht nachgelegt werden. Billiges Geld allein genüge nicht, sagte Weidmann:
    "Ohne gute Projekte können auch niedrige Kreditkosten die Wirtschaft nicht ankurbeln. Die Schlüsselfrage ist, welche Maßnahmen wirklich geeignet sind, um die Wachstumsaussichten für den Euroraum zu verbessern."
    Weitere Reformen gefordert
    Weidmann forderte weitere politische Reformen, aber auch Investitionen in den Standort. Als ein Beispiel empfahl er, zur Digitalisierung der Wirtschaft mit guten Lösungen zu wettbewerbsfähigen Preisen beizutragen.
    Der Bundesfinanzminister war auf Weidmanns Seite, sagte, auch er halte nicht viel davon, immer mehr Geld in den Markt zu geben. Und gab ein Beispiel aus seinem Bereich, was finanzielle Solidität trotz Flüchtlingskrise bedeute. Wolfgang Schäuble:
    "Wir können vielleicht im nächsten Jahr ohne Defizite auskommen. Die schwarze Null wird verteidigt, denn wenn sie erst einmal weg ist, ist es viel schwerer zu verhindern, dass die Dämme wegbrechen."
    Kritik von den Banken
    Die Banken sind auch alles andere als glücklich über die niedrigen Zinsen. Jürgen Fitschen, Co-Chef der Deutschen Bank, konnte wenig anfangen mit Mario Draghis Tipp, sinkende Zinseinnahmen doch durch mehr Kredite auszugleichen.
    "Das ist nicht so leicht, sinkende Marken durch mehr Masse zu kompensieren. Denn ein höheres Kreditvolumen verlangt nach mehr Eigenkapital. Deshalb ist diese Gleichung sehr viel komplizierter."
    Im Plenum des Bankenkongresses wurde abgestimmt, ob die Geldpolitik derzeit hilfreich sei oder nicht. Ein Drittel nannte sie hilfreich. Fast die Hälfte meinte, die negativen Begleiterscheinungen dominierten.