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EU-Gipfel in Brüssel
Die schwierige Suche nach einer gemeinsamen Linie

In Brüssel treffen sich ab heute die Staats- und Regierungschefs der EU. Auf ihrer Agenda stehen die Krisenherde Syrien und Ukraine, das Verhältnis zu Russland sowie das umstrittene Freihandelsabkommen mit Kanada, CETA. In all diesen Fragen sind die EU-Staaten gespalten - eine gemeinsame Position ist nicht in Sicht.

Von Jörg Münchenberg | 20.10.2016
    Flaggen wehen vor dem Europaparlament in Straßburg
    Flaggen wehen vor dem Europaparlament in Straßburg (Bild: EP)
    Es ist eine Premiere. Erstmals wird auch die neue britische Regierungschefin Theresa May an einem EU-Gipfel teilnehmen. Und natürlich wird sie beim gemeinsamen Abendessen auch über den Brexit aus britischer Sicht berichten. Kritische Nachfragen durch die Kollegen, so heißt es vorab in Diplomatenkreisen, nicht ausgeschlossen. Doch zentrales Thema beim abendlichen Dinner wird das Verhältnis der EU zu Russland sein. Bundeskanzlerin Merkel und der französische Präsident Hollande sollen zunächst über ihr gestriges Treffen mit dem russischen Staatspräsidenten Putin in Berlin informieren.
    Zugleich soll es eine offene Debatte unter den Chefs geben, der Krieg in Syrien und Russlands aktive Rolle dabei sowie der schwelende Konflikt in der Ostukraine dürften im Zentrum stehen. Auch das Thema Sanktionen wird eine Rolle spielen, nachdem sich die EU-Außenminister damit schon Anfang der Woche beschäftigt hatten. Niemand habe aber neue Sanktionen gegen Moskau gefordert, berichtete anschließend die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini: "Das hat niemand vorgeschlagen. Das wird derzeit vor allem in den Medien diskutiert. Aber in keinem unserer Treffen ist diese Forderung laut geworden".
    Ob dies auch für die Ebene der Staats- und Regierungschefs gilt, bleibt abzuwarten. In jedem Fall gibt es keine klare Linie innerhalb der EU: Frankreich und Großbritannien stehen für eine härtere Gangart gegenüber Moskau - Italien, Griechenland und andere für eine weichere Linie. Beschlüsse aber, so hieß es im Vorfeld, seien ohnehin nicht vorgesehen.
    Weitere Bestandsaufnahme der Flüchtlingspolitik
    Das gilt auch für das Dauerthema auf den EU-Gipfeln in den letzten Monaten, die Migrationspolitik. Hier soll es eine weitere Bestandaufnahme geben. Insgesamt hat sich die Lage nach dem EU-Türkei-Pakt zumindest auf der Agäis-Route deutlich entspannt, während deutlich mehr Migranten die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer wagen. Hier setzt die EU neben einem verbesserten Küstenschutz auf einen langfristigen Ansatz. Sogenannte Migrationspartnerschaften mit Niger, Nigeria, Äthiopien, Senegal und Mali sollen die wirtschaftliche Lage vor Ort verbessern sowie die illegale Migration eindämmen helfen. Mogherini wird dabei den Staats- und Regierungschefs eine Zwischenbilanz vorlegen: "Die Ziele dieser Partnerschaften und Projekte sind: ersten Leben zu retten; die Netzwerke der Schmuggler zu zerstören, reguläre Migration zu ermöglichen und auch die Rücknahme von Migranten, die illegal nach Europa gekommen sind."
    Am Freitag schließlich werden sich die Staats- und Regierungschefs mit Handelsfragen beschäftigen. Auch die Hängepartie um Ceta wird dabei ein Thema sein, nachdem die belgische Wallonie bislang eine Unterzeichnung des Handelsabkommens mit Kanada durch die Fachminister verhindert hat. Ein Kompromiss zeichnet sich bislang nicht ab, auch wenn sich EU-Vizekommissionspräsident Jyrki Kateinen gestern noch optimistisch zeigte: "Ich glaube immer noch, dass wir einen Weg finden können für den Abschluss dieses modernen Handelsabkommens. Es ist fair und sehr wichtig für Europa, weil es die Wohlfahrtssysteme anerkennt und für neue Jobs steht".
    Einigung auf gemeinsame Position ist offen
    Doch auch die Staats- und Regierungschefs werden den innerbelgischen Konflikt nicht lösen können. Das müssten Föderalregierung und die Wallonie schon selbst regeln, heißt es aus Diplomatenkreisen. Daneben soll es auch um das ebenfalls nicht immer einfache Handelsverhältnis der EU zu China gehen. Und damit auch um mögliche Schutzmaßnahmen wie Anti-Dumping-Zölle, etwa für den Stahlsektor.
    Die EU ist allerdings in dieser Frage gespalten. Manche fürchten einen neuen Protektionismus, andere wie Deutschland argumentieren, man müsse sich gegen einen unfairen Wettbewerb auch zur Wehr setzen können. Ob sich die Staats- und Regierungschefs schon jetzt auf eine gemeinsame Position verständigen können, ist offen.