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EU-Innenminister-Treffen
Kleine Einigkeit in der Uneinigkeit

Die Festlegung sicherer Herkunftsländer und die Verteilung der bisher eingereisten Flüchtlinge innerhalb der EU - das sind die beiden Kernpunkte, auf die sich die EU-Innenminister in Brüssel geeinigt haben. Beim Thema Länder-Quoten gab es weiter Widerstand vor allem der osteuropäischen Länder. Das Thema wurde auf Oktober vertragt.

Von Thomas Otto, Studio Brüssel | 15.09.2015
    Das Gebäude der Europäischen Kommission in Brüssel.
    Eine kleine Einigung gab es gestern beim EU-Innenminister-Sondergipfel zur Flüchtlingspolitik (picture alliance/dpa/Matthias Balk)
    Wirklich einig waren sich die EU-Innenminister nur darin, dass Flüchtlinge in der EU verteilt werden sollen. Von einer "Quote", die gar "bindend" sein könnte, ist keine Rede. Bundesinnenminister Thomas de Maizière kommentierte am Abend den Minimalkompromiss dann auch so:
    "Wir haben heute erreicht, dass wir eine Zustimmung, eine politische Zustimmung zur Verteilung von 160.000 bekommen. Wir haben noch nicht erreicht, die Festlegung auf die Quoten und die Verfahren im Einzelnen. Ich fand nur wichtig die politische Übereinstimmung zur Verteilung dieser 160.000 heute mit nach Hause zu bringen und nicht durch eine Festlegung auf die Quote diese Grundeinigung vielleicht sogar zu gefährden."
    Einstimmigkeit habe es bei dieser Einigung aber nicht gegeben, hieß es aus Verhandlungskreisen.
    Zu den 160.000 Flüchtlingen, die innerhalb der EU verteilt werden sollen, gehören 40.000, auf deren Umsiedlung sich die Staaten bereits im Juni freiwillig geeinigt hatten. Das entsprechende Papier wurde nun verabschiedet. Bis Jahresende soll endgültig feststehen, welches Land wie viele Menschen insgesamt aufnehmen wird. Bereits kommende Woche soll die Umsiedlung beginnen.
    Widerstand der Osteuropäer bleibt
    Für einen festen Verteilungsschlüssel, wie ihn Kommissionspräsident Juncker vergangene Woche vorgeschlagen hatte, gab es keine Mehrheit. Unter anderem Polen lehnt diesen ab, wie Staatssekretär Piotr Stachanczyk es im Vorfeld ausdrückte:
    "Der Kern unseres Standpunktes ist einfach: Wir müssen die Kontrolle über das Verfahren haben. Wir müssen wissen, wer da kommt, wie viel Personen kommen. Das muss alles von unserer Entscheidung abhängen."
    Daneben sollen sich Tschechien, die Slowakei, die baltischen Staaten und Ungarn heftig gegen eine feste Quote gewehrt haben. Auch Großbritannien bekräftigte, sich nicht an einer europäischen Lösung beteiligen zu wollen. Mit Blick auf die Kritiker eines festen Verteilungsschlüssels forderte der französische Innenminister Bernard Cazeneuve:
    "Man kann nicht Menschlichkeit haben ohne Verantwortungsbewusstsein und Standhaftigkeit. Wenn wir dauerhaft etwas erreichen wollen, dann setzt das voraus: eine gemeinsame Verantwortung in der Europäischen Union und Charakterstärke der Staaten bei der Einhaltung der Regeln, die die Grundlage unseres humanitären Plans bilden."
    Damit spricht Cazeneuve die Dublin-Verordnung an, wonach die Länder Flüchtlinge registrieren und aufnehmen müssen, wo diese erst mal EU-Boden betreten. Italien und Griechenland soll deshalb mit EU-finanzierten Aufnahmezentren geholfen werden. Nur von hier aus sollen Flüchtlinge umverteilt werden können.
    Geld für Flüchtlingshilfswerk von der EU geplant
    Geld soll nicht nur in die EU-Länder fließen, in denen besonders viele Asylsuchende ankommen. Die Innenminister wollen auch die Zusammenarbeit mit Transitstaaten intensivieren. Und: Die Lage der Flüchtlinge außerhalb der EU soll verbessert werden, erklärte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn:
    "Dieser Rat hat beschlossen, die Hilfe der EU für das UN-Flüchtlingshilfswerk aufzustocken, damit dieses die Flüchtlingslager effizient und menschenwürdig betreiben kann. Das Geld wird aus dem EU-Haushalt kommen und aus den nationalen Haushalten der Mitgliedsstaaten."
    Außerdem soll mehr Druck auf Herkunftsländer ausgeübt werden, abgewiesene Asylbewerber wieder zurückzunehmen. Als sichere Herkunftsländer sollen in Zukunft EU-weit alle Westbalkan-Staaten gelten. Bisher sind davon Albanien, das Kosovo und Montenegro nach deutschem Recht ausgenommen. Zukünftig werden also Asylbewerber aus allen sechs Westbalkan-Staaten leichter abgeschoben werden können. Viele Staaten plädierten aber dafür, die Türkei nicht zum sicheren Herkunftsland zu erklären.
    "Dies ist ein erster, wichtiger Schritt. Aber die Wahrheit liegt in der Durchführung und in der Umsetzung."
    Mahnte Bundesinnenminister de Maizière. Die Frage, wie die 120.000 Menschen aufgeteilt werden, für die es jetzt noch keinen Verteilungsschlüssel gibt, wurde auf das nächste Treffen der Innenminister am siebten und achten Oktober vertagt.