Friedbert Meurer: In der Nordsee ist eine Öl- und Gasbohrinsel außer Kontrolle geraten. Alle 240 Mann Besatzung wurden sofort am Wochenende mit dem Hubschrauber evakuiert. Außer Kontrolle, das heißt: es strömt ununterbrochen Gas seit dem Wochenende ins Meer. Der französische Betreiberkonzern Total - ihm gehört die Plattform - will einen Weg finden, das Gas zu stoppen. Rund um die Unglücksstelle ist jetzt Sperrgebiet und sogar eine Flugverbotszone eingerichtet worden.
Mitgehört hat Günther Oettinger, er ist EU-Energiekommissar. Guten Morgen, Herr Oettinger!
Günther Oettinger: Guten Morgen.
Meurer: Wie gefährlich schätzt man denn in der Kommission die Lage in der Nordsee rund um die Öl- und Gasbohrinsel ein?
Oettinger: Wir haben dort Profis, Total und alle Partner sind absolut erfahren in der Bearbeitung dieser Risiken. Klar ist auch, dass wir das Gas, das ausströmt, derzeit nicht beherrschen, dass die Gefahr besteht, dass eine Flamme das Ganze berührt und damit ein großer Schaden für die Region entsteht. Ansonsten müssen wir eben alles tun, um die entstehenden Gasmengen zu stoppen und die vorhandenen Löcher zu stopfen.
Meurer: Was würde denn Ihrer Kenntnis nach geschehen, Herr Oettinger, wenn es anfängt zu brennen?
Oettinger: Dann wäre sicher die Gefahr, dass über die Bohrinsel hinaus in einer größeren Region bis hin zum Festland Gefahren entstehen können. Das glaube ich im Augenblick nicht, das ist beherrschbar, aber wir sollten in den nächsten Tagen erreichen, dass das Gas nicht mehr ungehindert entweicht und dass wir wissen, dass es nicht entflammen kann.
Meurer: Ist es im Moment Ihrer Einschätzung nach deswegen beherrschbar, weil es relativ windstill ist? Das heißt, wenn das Wetter sich ändert, dann wird es gefährlicher?
Oettinger: Ja, da haben Sie recht, keine Frage.
Meurer: Umweltschützer sagen, das Gebiet ist eine Todeszone. Total, der Betreiberkonzern aus Frankreich, sagt – wie sagt man salopp? -, alles nicht so schlimm, das Gas wird sich verflüchtigen. Wie schätzen Sie das denn ein?
Oettinger: Gas ist weniger schlimm als Öl, Gas geht in die Atmosphäre und wird damit vermischt. Öl wäre sofort auf dem Teppich des Meeres. Aber die Gefahr besteht eben A darin, dass eine Entzündung entsteht, eine Entflammung entstehen könnte – dann wäre es brandgefährlich -, und zum zweiten müssen wir sehen, dass auch Gas eine Verschlechterung, eine Veränderung der Atmosphäre herbeiführt und sofort für eine größere Region eine Gefahr darstellen kann. Deswegen: Wir müssen das Bohrloch stopfen und wir müssen erreichen, dass es nicht zu einer größeren, einer großen Explosion kommt.
Meurer: Es kommt häufiger in der Nordsee vor, dass es solche Gaslecks gibt, aber nicht so schlimm wie jetzt. Wer kontrolliert die Öl- und Gasbohrinseln in der Nordsee?
Oettinger: Wir haben relativ stringente Vorgaben, wer darf bohren, wer darf produzieren. Bisher ist dies eine rein nationale Aufgabe, sprich der Anrainer und deren Gesetzgebung und deren Aufsichtsbehörden. Die machen dies auch kompetent. Aber wir haben einen Vorschlag im Europäischen Parlament und im Rat, dies europäisch zu höchsten Standards zu führen, das heißt zu Standards, die alle betreffen: in Nordsee, im Mittelmeerraum, im Schwarzen Meer. Das war eine Folge dieser schlimmen Vorgänge, die wir im Golf von Mexiko erlebt haben, und ich hoffe, dass wir jetzt auch aus der Erfahrung dieser Vorgänge der letzten Tage zu einem gemeinsamen höchsten europäischen Standard für Sicherheit kommen können.
Meurer: Herr Oettinger, haben Sie die Befürchtung, dass bei nationalen Kontrollen ein Auge auch mal zugedrückt wird, weil es um Wirtschaftsinteressen geht?
Oettinger: Nein! Aber wir haben natürlich europäische Erfahrungen. Wir wissen, wer kann was am besten. Wir wissen, wo sind die Vorkehrungen am strengsten, wo sind die Sicherheitsvorschriften am weitesten gediehen, wo sind die Fachleute klüger als andere, und deswegen wollen wir zu höchsten Standards kommen. Jeder lernt aus dem, was Nachbarländer können oder erfahren haben und wissen, und deswegen werden wir aus allen einzelnen Beispielen, auch jetzt aus diesem Vorgang noch was lernen, um dann vorzuschlagen, was ist im Grunde genommen machbar und was sollte zur Vermeidung künftiger Vorfälle vermieden werden.
Meurer: Das Gesetz, das Sie vorgelegt haben, aber das noch verabschiedet werden muss, sieht auch vor, dass die Haftungsregeln verschärft werden sollen. Was schwebt Ihnen vor?
Oettinger: Wir haben natürlich wie in vielen anderen großtechnischen Bereichen Haftungsregelungen, die den schlimmsten Vorfall nicht wirklich umfassen, und wir glauben, dass es deswegen zu gemeinsamen Haftungsregeln und Versicherungslösungen nach einem europäischen Standard kommen muss. Es kann nicht sein, dass dann, wenn was passiert, eine große Company es beherrscht, aber eine kleinere es nicht mehr in ihrem Kapital beherrschen könnte. Deswegen wollen wir, dass wir Versicherungslösungen finden und bei jedem Bohrloch, egal ob Öl oder Gas, strengste und weitreichende Versicherungslösungen Verpflichtung sind.
Meurer: Da Sie sagen, es geht darum, dass auch kleinere Unternehmen sozusagen per Versicherung den Schaden bezahlen können – beim großen Konzern Total haben Sie da keine Bedenken, dass da auch wirklich restlos für alle entstehenden Schäden aufgekommen wird?
Oettinger: Wir haben bei Total eigentlich nur gute Erfahrungen: ein großer Konzern, leistungsfähig und am Ende des Tages auch bereit und in der Lage, das zu bezahlen, was an Schaden entsteht.
Meurer: Umweltschützer machen darauf aufmerksam, auf einen ganz banalen Umstand, nämlich dass Norwegen nicht zur Europäischen Union gehört, Norwegen aber eine Reihe von Bohrinseln betreibt. Haben Sie da Einfluss?
Oettinger: Ja. Norwegen ist Teil unserer Energiepartnerschaft. Die Norweger übernehmen alle unsere europäischen, also all unsere EU-Regeln. Und deswegen: Norwegen ist für mich ein Teil unserer Haftungsfamilie bei Öl und Gas.
Meurer: Aber werden sich die Norweger von europäischen Kontrolleuren auf die Finger schauen lassen?
Oettinger: Norwegen ist eher Vorbild. Wir haben dort strengste Regeln, die wir zum Teil in unsere Vorschriften übernehmen, und die Norweger werden am Ende alles akzeptieren, was europäisches Recht geworden ist.
Meurer: Günther Oettinger, der Energiekommissar der Europäischen Union, heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk zu Kontrollen und Haftungsfragen aus Anlass des Unglücks auf einer Öl- und Gas-Bohrinsel in der Nordsee. Herr Oettinger, besten Dank und auf Wiederhören.
Oettinger: Guten Tag! Auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mitgehört hat Günther Oettinger, er ist EU-Energiekommissar. Guten Morgen, Herr Oettinger!
Günther Oettinger: Guten Morgen.
Meurer: Wie gefährlich schätzt man denn in der Kommission die Lage in der Nordsee rund um die Öl- und Gasbohrinsel ein?
Oettinger: Wir haben dort Profis, Total und alle Partner sind absolut erfahren in der Bearbeitung dieser Risiken. Klar ist auch, dass wir das Gas, das ausströmt, derzeit nicht beherrschen, dass die Gefahr besteht, dass eine Flamme das Ganze berührt und damit ein großer Schaden für die Region entsteht. Ansonsten müssen wir eben alles tun, um die entstehenden Gasmengen zu stoppen und die vorhandenen Löcher zu stopfen.
Meurer: Was würde denn Ihrer Kenntnis nach geschehen, Herr Oettinger, wenn es anfängt zu brennen?
Oettinger: Dann wäre sicher die Gefahr, dass über die Bohrinsel hinaus in einer größeren Region bis hin zum Festland Gefahren entstehen können. Das glaube ich im Augenblick nicht, das ist beherrschbar, aber wir sollten in den nächsten Tagen erreichen, dass das Gas nicht mehr ungehindert entweicht und dass wir wissen, dass es nicht entflammen kann.
Meurer: Ist es im Moment Ihrer Einschätzung nach deswegen beherrschbar, weil es relativ windstill ist? Das heißt, wenn das Wetter sich ändert, dann wird es gefährlicher?
Oettinger: Ja, da haben Sie recht, keine Frage.
Meurer: Umweltschützer sagen, das Gebiet ist eine Todeszone. Total, der Betreiberkonzern aus Frankreich, sagt – wie sagt man salopp? -, alles nicht so schlimm, das Gas wird sich verflüchtigen. Wie schätzen Sie das denn ein?
Oettinger: Gas ist weniger schlimm als Öl, Gas geht in die Atmosphäre und wird damit vermischt. Öl wäre sofort auf dem Teppich des Meeres. Aber die Gefahr besteht eben A darin, dass eine Entzündung entsteht, eine Entflammung entstehen könnte – dann wäre es brandgefährlich -, und zum zweiten müssen wir sehen, dass auch Gas eine Verschlechterung, eine Veränderung der Atmosphäre herbeiführt und sofort für eine größere Region eine Gefahr darstellen kann. Deswegen: Wir müssen das Bohrloch stopfen und wir müssen erreichen, dass es nicht zu einer größeren, einer großen Explosion kommt.
Meurer: Es kommt häufiger in der Nordsee vor, dass es solche Gaslecks gibt, aber nicht so schlimm wie jetzt. Wer kontrolliert die Öl- und Gasbohrinseln in der Nordsee?
Oettinger: Wir haben relativ stringente Vorgaben, wer darf bohren, wer darf produzieren. Bisher ist dies eine rein nationale Aufgabe, sprich der Anrainer und deren Gesetzgebung und deren Aufsichtsbehörden. Die machen dies auch kompetent. Aber wir haben einen Vorschlag im Europäischen Parlament und im Rat, dies europäisch zu höchsten Standards zu führen, das heißt zu Standards, die alle betreffen: in Nordsee, im Mittelmeerraum, im Schwarzen Meer. Das war eine Folge dieser schlimmen Vorgänge, die wir im Golf von Mexiko erlebt haben, und ich hoffe, dass wir jetzt auch aus der Erfahrung dieser Vorgänge der letzten Tage zu einem gemeinsamen höchsten europäischen Standard für Sicherheit kommen können.
Meurer: Herr Oettinger, haben Sie die Befürchtung, dass bei nationalen Kontrollen ein Auge auch mal zugedrückt wird, weil es um Wirtschaftsinteressen geht?
Oettinger: Nein! Aber wir haben natürlich europäische Erfahrungen. Wir wissen, wer kann was am besten. Wir wissen, wo sind die Vorkehrungen am strengsten, wo sind die Sicherheitsvorschriften am weitesten gediehen, wo sind die Fachleute klüger als andere, und deswegen wollen wir zu höchsten Standards kommen. Jeder lernt aus dem, was Nachbarländer können oder erfahren haben und wissen, und deswegen werden wir aus allen einzelnen Beispielen, auch jetzt aus diesem Vorgang noch was lernen, um dann vorzuschlagen, was ist im Grunde genommen machbar und was sollte zur Vermeidung künftiger Vorfälle vermieden werden.
Meurer: Das Gesetz, das Sie vorgelegt haben, aber das noch verabschiedet werden muss, sieht auch vor, dass die Haftungsregeln verschärft werden sollen. Was schwebt Ihnen vor?
Oettinger: Wir haben natürlich wie in vielen anderen großtechnischen Bereichen Haftungsregelungen, die den schlimmsten Vorfall nicht wirklich umfassen, und wir glauben, dass es deswegen zu gemeinsamen Haftungsregeln und Versicherungslösungen nach einem europäischen Standard kommen muss. Es kann nicht sein, dass dann, wenn was passiert, eine große Company es beherrscht, aber eine kleinere es nicht mehr in ihrem Kapital beherrschen könnte. Deswegen wollen wir, dass wir Versicherungslösungen finden und bei jedem Bohrloch, egal ob Öl oder Gas, strengste und weitreichende Versicherungslösungen Verpflichtung sind.
Meurer: Da Sie sagen, es geht darum, dass auch kleinere Unternehmen sozusagen per Versicherung den Schaden bezahlen können – beim großen Konzern Total haben Sie da keine Bedenken, dass da auch wirklich restlos für alle entstehenden Schäden aufgekommen wird?
Oettinger: Wir haben bei Total eigentlich nur gute Erfahrungen: ein großer Konzern, leistungsfähig und am Ende des Tages auch bereit und in der Lage, das zu bezahlen, was an Schaden entsteht.
Meurer: Umweltschützer machen darauf aufmerksam, auf einen ganz banalen Umstand, nämlich dass Norwegen nicht zur Europäischen Union gehört, Norwegen aber eine Reihe von Bohrinseln betreibt. Haben Sie da Einfluss?
Oettinger: Ja. Norwegen ist Teil unserer Energiepartnerschaft. Die Norweger übernehmen alle unsere europäischen, also all unsere EU-Regeln. Und deswegen: Norwegen ist für mich ein Teil unserer Haftungsfamilie bei Öl und Gas.
Meurer: Aber werden sich die Norweger von europäischen Kontrolleuren auf die Finger schauen lassen?
Oettinger: Norwegen ist eher Vorbild. Wir haben dort strengste Regeln, die wir zum Teil in unsere Vorschriften übernehmen, und die Norweger werden am Ende alles akzeptieren, was europäisches Recht geworden ist.
Meurer: Günther Oettinger, der Energiekommissar der Europäischen Union, heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk zu Kontrollen und Haftungsfragen aus Anlass des Unglücks auf einer Öl- und Gas-Bohrinsel in der Nordsee. Herr Oettinger, besten Dank und auf Wiederhören.
Oettinger: Guten Tag! Auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.