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EU-Postenpoker
SPD verzichtet auf Kommissarsposten

Die SPD lenkt ein: Laut Parteichef Sigmar Gabriel werden die Sozialdemokraten einen deutschen Kommissar von der Union akzeptieren – sofern Martin Schulz Präsident des Europaparlaments bleibt. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte Schulz ihre Unterstützung zu.

20.06.2014
    SPE-Fraktionschef Martin Schulz und Vizekanzler Sigmar Gabriel bei einer Sitzung des SPD-Vorstandes.
    SPE-Fraktionschef Martin Schulz und Vizekanzler Sigmar Gabriel bei einer Sitzung des SPD-Vorstandes. (dpa / Maurizio Gambarini)
    Martin Schulz, Spitzenkandidat der Sozialdemokraten bei den Europawahlen, wird seinen Anspruch auf einen Kommissarsposten begraben müssen. "Die SPD wird einen Kommissar der Union akzeptieren - sofern Schulz zum Präsidenten des Europaparlaments gewählt wird", sagte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel.
    Die CDU bestätigte die Absprachen über eine gemeinsame Haltung zur Besetzung von EU-Spitzenposten. Die Parteivorsitzende Merkel sagte in Berlin, die Union werde auch künftig den deutschen EU-Kommissar stellen. Die Wahl des Parlamentspräsidenten und des künftigen Kommissionspräsidenten seien jedoch Personalien, die nicht allein in deutscher Hand lägen, betonte Merkel. Wenn Schulz aber von der sozialistischen Fraktion als Parlamentspräsident vorgeschlagen werde, so werde die von den Unionsparteien gestellte deutsche Gruppe in der Europäischen Volkspartei (EVP) den SPD-Politiker unterstützen.
    Nach Einschätzung von DLF-Hauptstadtstudiochef Stephan Detjen ist dies nicht nur ein erster Durchbruch im Personalpoker in Berlin und Brüssel, sondern auch ein Erfolg für Merkel – und eine bitterer Realitätsschock für Martin Schulz. Gabriel hatte ihm noch am Abend der Europawahl zugesichert: "Das Wahlergebnis hat einen Namen, und der lautet Martin Schulz".
    Die Union hatte zuvor ausgeschlossen, dass Schulz Vizepräsident der EU-Kommission werden kann. Der Sozialdemokrat war bereits in der vergangenen Legislaturperiode EU-Parlamentspräsident. Die SPD lenkte nun offenbar ein, um zu verhindern, dass Schulz beim Postenpoker am Ende ohne eine EU-Spitzenamt ausgeht. Nun dürften die Chancen von Günther Oettinger (CDU) steigen, Kommissar in Brüssel zu bleiben.
    Merkel offenbar vorab informiert
    Die Sozialdemokraten wollen einen Kommissar der Union allerdings nur mittragen, wenn Schulz zum Parlamentschef gewählt wird, bevor Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsident feststeht. "Die Wahl Junckers zum Kommissionspräsidenten und die Wahl von Schulz sollten verknüpft werden", sagte Gabriel. Europa brauche eine starke Achse Juncker/Schulz. Gabriel forderte die Kanzlerin auf, die konservative Parteienfamilie in Europa zu überzeugen.
    Gabriels Vize Ralf Stegner hatte am Freitagmorgen im Deutschlandfunk noch ausweichend auf die Frage geantwortet, ob sich im Postenstreit ein Deal zwischen Union und Sozialdemokraten anbahne. Mehrere Zeitungen hatten berichtet, die SPD könne Schulz' Ansprüche auf einen Kommissionsposten für eine gelockerte Austeritätspolitik in der EU opfern. Stegner signalisierte indirekt, dass die Sozialdemokraten Juncker unterstützen könnten, wenn er mit seinem Programm für "ein gerechteres Europa" stünde. Gleichzeitig sprach er sich in der Diskussion um den Euro-Stabilitätspakt für mehr Flexibilität in der Umsetzung aus.
    (tgs/tön/sdö/nin)