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EU-Reformpläne für den Euro
"Es geht in Richtung Absichern, Umverteilen, Stabilisieren"

Die EU-Kommission will den Euro stärken und hat Reformpläne vorgestellt. "Die Frage ist jetzt, ob das, was die Kommission da vorschlägt, die Anreize verbessert", sagte Ökonom Friedrich Heinemann im DLF. Eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung oder Eurobonds würden Ländern wie Italien oder Griechenland nicht dabei helfen, wettbewerbsfähig zu werden.

Friedrich Heinemann im Gespräch mit Silke Hahne | 31.05.2017
    Vor dem Gebäude der EU-Kommission wehen blaue Europa-Flaggen.
    "Irland, Portugal, Spanien haben unter dem Druck der Krise Enormes geleistet", sagte Ökonom Friedrich Heinemann im DLF. (Emmanuel Dunand / AFP)
    Silke Hahne: Seit rund 15 Jahren zahlen wir in vielen Ländern Europas mit dem Euro. Das ist einerseits wahnsinnig praktisch und dennoch ist der Beziehungsstatus zwischen den Euroländern, den Bürgern und der Gemeinschaftswährung kompliziert. Um nur einen Grund dafür zu nennen: Die Debatte, ob die wirtschaftlich starken Länder eines Tages für die Schulden der Schwachen werden zahlen müssen. Allein das Wort Eurobonds lässt bei manchem Finanzminister der Eurozone den Puls ansteigen. Dennoch will die EU-Kommission den Euro stärken. Einige Ideen dafür hat sie heute vorgestellt.
    Über diese Ideen will ich jetzt mit Friedrich Heinemann sprechen. Er leitet am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung den Bereich Unternehmensbesteuerung und öffentliche Finanzwirtschaft. Guten Abend, Herr Heinemann.
    Friedrich Heinemann: Guten Abend, Frau Hahne.
    Hahne: Kerngedanke des Papiers scheint ja zu sein, Institutionen schaffen, die finanziellen Beziehungen der Mitgliedsstaaten in geregelte Bahnen lenken, im Gegensatz zu "die Finanzminister kungeln das unter sich aus", wie es ja, wenn man ehrlich ist, heute läuft. Wagt die Kommission hier mehr Demokratie für den Euro?
    Heinemann: Ich würde nicht sagen, dass die bisherigen Lösungen nicht demokratisch sind, denn die Finanzminister kommen ja von nationalen Regierungen. Die sind demokratisch legitimiert. Schon der Euro bisher war gerade in diesen Verhandlungen eigentlich sehr demokratisch. Nur es ist natürlich auf der einen Seite der Wählerwunsch des Landes A, also Deutschland, auf der anderen Seite der Wählerwunsch des Landes Griechenland.
    Wenn man das unter Demokratieaspekten betrachtet, könnte man vielleicht sagen, es wird in einer europäischen Dimension demokratisch. Man will die Wähler Europas, die über ein Europäisches Parlament die Kommission bestimmen, stärker aufwerten. Aber das ginge dann natürlich zulasten der Wähler zum Beispiel des Bundestages, die dann an Macht verlieren. Unter Demokratie ist das eigentlich gleichgewichtig.
    "Irland, Portugal, Spanien haben unter dem Druck der Krise Enormes geleistet"
    Hahne: Ziel der Kommission bleibt es ja ausdrücklich, dass sich die Euroländer wirtschaftlich angleichen durch den Euro und die Währungsunion. Nach 15 Jahren Euro bisher, wie realistisch ist das eigentlich?
    Heinemann: Das ist realistisch, wenn man die richtigen Anreize setzt. Wir haben in den letzten Jahren seit Ausbruch der Krise ja wirklich auch Fortschritte gemacht. Wenn man sich Länder anschaut wie Irland, Portugal, Spanien, sie haben unter dem Druck der Krise Enormes geleistet und ihre Strukturen auch verbessert. Natürlich sagen wir nicht ausreichend.
    Und die Frage ist jetzt, ob das, was die Kommission da vorschlägt, wirklich die Anreize verbessert. Da bin ich ein bisschen skeptisch, weil sie doch sehr wieder auf die Ideen setzt, mehr Versicherung bei eigenem Eurozonen-Haushalt oder auch diese Idee von bestimmten neuen europäischen Bonds. Das geht alles mehr in die Richtung Absichern, Umverteilen, Stabilisieren, aber nicht in Richtung wirklich Reformen.
    Hahne: Bleiben wir mal bei den Eurobonds. Unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeiten, die wurden ja früher durch Wechselkurse aufgefangen. Im Euro geht das nicht, beziehungsweise Transfers von einem Land zum anderen sind auch unbeliebt. Müsste sich Europa da nicht eigentlich ehrlich machen oder die Eurozone und sagen, ohne solche Transfers und damit auch Schuldenumverteilung geht es eigentlich nicht?
    Heinemann: Nein. Ich glaube, ganz im Gegenteil. Solche Transfers wären das Ende der Eurozone.
    Hahne: Weil das nicht durchsetzbar ist, oder?
    Heinemann: Ja. Von den Ländern in Nordeuropa würden sie nicht akzeptiert werden. Die Antwort auf die weggefallenen Wechselkurse sind flexible Arbeitsmärkte, und das ist das, was in dem Papier viel zu kurz kommt, die Idee, dass Länder ihre Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen müssen durch Abbau von Regulierung, durch Abbau von zu hohen Steuern. Das ist der Weg, wenn man nicht mehr abwerten kann.
    "Einem Land, das reformiert, muss man Anreize und Hilfestellung geben"
    Hahne: Aber eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung ist ja durchaus angedacht. Ist das nicht zumindest ein erster Schritt?
    Heinemann: Die Arbeitslosenversicherung würde nicht wirklich einem Land helfen, was auf Dauer seine Wettbewerbsfähigkeit verliert. Die ist nur dazu gedacht, dass ein Land, was eine Rezession erlebt, ein Stück weit stabilisiert würde. Das würde Italien oder Griechenland überhaupt nicht dabei helfen, wettbewerbsfähig zu werden. Sie kann bei einem starken - wir Ökonomen nennen das einen asymmetrischen Schock, der ein Land viel stärker trifft als das andere - ein Stück weit abfedern, aber sie ist überhaupt kein Beitrag dazu, um jetzt beispielsweise Italien wieder wettbewerbsfähig zu machen. Da müssen Anreize gesetzt werden.
    Heinemann: In ferner Zukunft zeichnet sich ja auch die Idee am Horizont ab, einen Eurohaushalt und einen Eurofinanzminister zu institutionalisieren. Kann das gegebenenfalls dabei helfen, um Krisen des Euros, eventuelle Krisen des Euros stärker und besser abzufedern?
    Heinemann: Ich glaube, so groß kann so ein Haushalt niemals sein, um wirklich so eine Krise abzufedern. Der kann - und diese Idee finde ich interessant an dem Vorschlag - aber Anreize setzen. Zum Beispiel ein Land, was reformiert, was jetzt diese politisch schwierigen Aufgaben in Angriff nimmt, etwa zu viel Regulierung zurückzudrängen, dass man dem dann ein bisschen Hilfestellung und ein paar Anreize gibt und sagt, dafür kriegst Du jetzt ein Investitionsprogramm. Solche kleinen Anreize sind vorstellbar. Aber der Haushalt wird niemals ausreichend groß sein, um wirklich ein Land gegen eine schwere Rezession abzusichern.
    "Wenn diese Bonds eine gute Idee wären, dann gäbe es sie schon"
    Hahne: Und Bonds, Staatsanleihen bündeln, die aber nicht von den Staaten abgesichert werden, sondern von den Banken, das erinnert doch irgendwie grob an die Finanzkrise. Ist das eigentlich eine gute Idee?
    Heinemann: Da bin ich auch skeptisch. Wenn diese Bonds so eine gute Idee wären, dann gäbe es sie schon, denn angeblich sollen die ja ohne irgendwelche Privilegien, ohne Staatsgarantien auskommen. Das sind wirkliche Bündel von Staatsanleihen, neue diversifizierte Bündel. Das stimmt, das erinnert an die Finanzkrise, denn die Überschrift sind Asset Backed Securities, nur dass die Assets jetzt die Staatsanleihen sind. Da ist das Misstrauen und die Sorge auch groß, dass das doch irgendwo in Richtung Vergemeinschaftung von Schulden geht, am Ende man den Banken irgendwelche Anreize geben will, dass die in diese neuen Produkte auch investieren. Und solche Anreize, wenn die gegeben werden und da was schiefgeht, dann muss doch am Ende das Kollektiv haften. Das ist, glaube ich, eine wenig überzeugende Idee aus dem Kommissionspapier.
    Hahne: … sagt Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung zu den Reformplänen der EU-Kommission für den Euro. Danke für das Gespräch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.