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EU-Türkei-Gipfel
Merkel sieht keinen Kurswechsel in ihrer Politik

Morgen beginnt in Brüssel der EU-Türkei-Gipfel. Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet, dass dort die Pläne zur Flüchtlingskrise schrittweise umgesetzt werden, auch der Einsatz der Gelder für die Türkei. Eine Abkehr von ihrer bisherigen Politik sieht sie nicht - angesichts der Bilder in Griechenland sagte sie, die Situation dort sei eine andere als zuvor in Ungarn.

Von Stefan Mass | 06.03.2016
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sitzt am 17.02.2016 im Bundestag in Berlin auf der Regierungsbank. Die Bundeskanzlerin gab eine Erklärung vor dem EU-Gipfel ab.
    Merkel hofft auf praktische Schritte auf dem EU-Türkei-Gipfel. (dpa / picture-alliance / Michael Kappeler)
    Sie erkenne keinen Kurswechsel in ihrer Politik, sagt die Bundeskanzlerin im Interview mit der "Bild am Sonntag". Ausgemacht und angesprochen hatte den der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer diese Woche bei seinem Besuch in Budapest. Der CSU-Chef hatte gesagt, Angela Merkels Entscheidung, derzeit keine Flüchtlinge aus Griechenland direkt nach Deutschland zu holen, sei eine Abkehr von ihrer bisherigen Haltung.
    Im September hatte die Kanzlerin Flüchtlinge aus Ungarn direkt nach Deutschland durchreisen lassen. Damals sei die Situation eine andere gewesen, potenziell extrem gefährlich, erklärt die Kanzlerin im Interview, heute seien die Flüchtlinge in Griechenland nicht an Leib und Leben bedroht, Griechenland wolle ihnen zusammen mit den europäischen Partnern helfen. Merkel weiter: Die Europäische Kommission habe gerade noch einmal bekräftigt, dass jedes Land in der Verantwortung stehe, wenn Flüchtlinge ankämen, diese menschenwürdig zu versorgen. Also auch Griechenland. Dabei müssten die EU-Partner das Land unterstützen.
    Praktische Umsetzung der Pläne soll diskutiert werden
    Vom morgen beginnenden EU-Türkei-Gipfel erwarte sie, dass Schritt für Schritt praktisch umgesetzt werde, worauf sich die Staats- und Regierungschefs der 28 Mitgliedsstaaten beim letzten Europäischen Rat im Februar geeinigt hätten. Dabei gehe es genauso um die Frage, wie die Außengrenzen besser zu schützen sind, als auch darum, zu schauen, für welche Projekte die drei Milliarden Euro, die die EU der Türkei zugesagt hat, verwendet werden sollen.
    Markus Ferber, der für die CSU im Europaparlament sitzt, dämpft im Interview der Woche des Deutschlandfunks die Erwartungen an das morgige Treffen:
    "Ich gehe davon aus, dass man an ein paar Stellen erste Vereinbarungen treffen kann, aber ich gehe nicht davon aus, dass bei diesem Treffen die Musterlösung für alle Fragen gefunden werden wird."
    Die Europäische Union brauche die Türkei, um den Zustrom von Flüchtlingen nach Europa zu bremsen, unter Präsident Erdogan ähnele das Land aber eher einem Kalifat als einem Rechtsstaat. Daher sehe er die von der Türkei geforderte Visumsfreiheit kritisch:
    "Visumsfreiheit ist für mich, sage ich in aller Deutlichkeit, ein sehr kritischer Punkt, der weit über das hinausgeht, was man eigentlich seriöserweise der Türkei anbieten kann."
    Türkei ist wegen der Maßnahmen gegen eine Zeitung in der Kritik
    Nach der Entscheidung der türkischen Regierung, die regierungskritische Zeitung "Zaman" unter Zwangsverwaltung zu stellen, kündigte der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, im "Tagesspiegel am Sonntag" an, das Thema morgen bei einem Treffen mit dem türkischen Regierungschef Ahmet Davutoglu anzusprechen.
    Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff, kritisierte das Vorgehen der türkischen Behörden scharf und erklärte gestern im "rbb-Inforadio", er erwarte von der Kanzlerin beim Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten deutliche Worte:
    "Zaman" ist zusammen mit "Hürryiet" im Grunde die letzte kritische Zeitung. Und was die Regierung da tut, ist nichts anderes, als die Gleichschaltung der Presse weiterzutreiben. Mit anderen Worten, das Land entfernt sich von dem, was man im Rahmen des EU-Beitrittsprozesses eigentlich von dem Land erwarten dürfte."
    Die Bundesregierung hatte gestern auf Anfrage erklärt, zu innenpolitischen Vorgängen in der Türkei äußere man sich nicht öffentlich.
    Wegen der Landtagswahlen in drei Bundesländern am kommenden Sonntag hatten auch die Spitzenkandidaten der CDU rasche Ergebnisse angemahnt. Denn in allen drei Ländern hat die Alternative für Deutschland gute Chancen, zweistellig in die Landtage einzuziehen. Merkel spricht sich im Interview mit der "Bild am Sonntag" dafür aus, sich mit der Partei inhaltlich auseinanderzusetzen. Die AfD sei eine Partei, die die Gesellschaft nicht zusammenführe, sondern spalte.