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EU-Türkei-Treffen
Knifflige Begegnung in Warna

Ein Arbeitstreffen im bulgarischen Schwarzmeerort Warna soll die strapazierten Beziehungen zwischen der EU und der Türkei entspannen. Ob das gelingt, ist fraglich, denn beide Seiten gehen mit unterschiedlichen Erwartungen in das Treffen. Immerhin ist es ein Eingeständnis, dass man einander braucht.

Von Kai Küstner | 26.03.2018
    Türkische Flaggen und Flaggen der EU wehen im Wind
    Es wird ein inhaltlich schwieriges Treffen in Warna zwischen der EU und der Türkei (BULENT KILIC / AFP)
    Sie wollen eine ganze Menge voneinander, aber eben nicht unbedingt dasselbe. Und genau das macht dieses EU-Türkei-Spitzentreffen so knifflig: "Ich bin mir im Klaren darüber, dass dies keine einfache Begegnung wird", warnte vorab schonmal EU-Ratspräsident Donald Tusk.
    Das Hauptinteresse der Europäischen Union besteht letztlich darin, den Flüchtlingspakt am Leben zu erhalten und beim Kampf gegen den Terror mit Ankara enger zusammen zu arbeiten. Die Türkei hingegen erhofft sich eher wirtschaftliche Vorteile. Darüber hinaus will die EU-Seite beim Abendessen Themen anschneiden, die Präsident Erdogan ganz und gar nicht schmecken dürften:
    "Ganz sicher werden auch andere komplizierte Punkte in Warna diskutiert: Unter anderem die Lage in der Türkei selbst und das Vorgehen Ankaras in Syrien."
    Heißt konkret: Die türkische Offensive gegen kurdische Kämpfer in Afrin soll ebenso zur Sprache kommen wie die Inhaftierung von EU-Bürgern in der Türkei. Ein drittes Streitthema drohte bereits in den letzten Tagen, das Klima beim Spitzentreffen zu vergiften: Mit deutlichen Worten verurteilte der EU-Gipfel am Freitag das Vorgehen der Türkei im Mittelemeer und bezeichnete unter anderem die jüngste türkische Seeblockade gegen Erdgasbohrungen vor Zypern als "rechtswidrig" was Ankara wiederum entrüstet zurückwies.
    "Wir werden eine ehrliche und offene Aussprache mit Präsident Erdogan haben. Wir werden dabei unsere Meinungsverschiedenheiten nicht verheimlichen, aber hoffen, die Zusammenarbeit trotzdem auszubauen", erklärte EU-Kommissionschef Juncker.
    Kein Abschleifem von Handelsschranken
    Dass die Interessen Erdogans gänzlich anders gelagert sind als die der Europäischen Union, liegt auf der Hand. "Es wird darum gehen, Erwartungs-Management zu betreiben" - so drückt es denn auch ein hochrangiger EU-Offizieller aus angesichts der Wünsche, die Ankara vorbringen wird.
    "Die türkische Seite hätte von der EU gerne die klare Botschaft, dass die Verhandlungen über eine Ausweitung der Zollunion beginnen werden", sagt die Politikexpertin Amanda Paul von der Denkfabrik European Policy Center (epc) im Interview mit dem ARD-Studio Brüssel.
    Es war die Bundesregierung, die nach der Verhaftung zahlreicher EU-Bürger im vergangenen Jahr erklärt hatte, ein Abschleifen von Handelsschranken komme derzeit nicht in Frage. Und es sieht nicht danach aus, als würde sich hier etwas bewegen. Dennoch ist offensichtlich, dass Präsident Erdogan auch wegen des großen türkischen Interesses an einer vertieften Zollunion sich um ein besseres Verhältnis zur EU bemüht und seine berüchtigten Verbalattacken zuletzt zurückgefahren hatte:
    "Am Ende des Tages sieht man auf türkischer Seite ein, dass die EU ein wichtiger Partner ist. Und das gilt umso mehr, wenn man Probleme mit den USA hat. Mit den beiden Schlüssel-Verbündeten der vergangenen Jahrzehnte nicht auszukommen, ist nicht das beste Szenario."
    Auf der türkischen Wunschliste ebenfalls ganz oben steht - seit langem - das Thema Visa-Freiheit. Wie EU-Diplomaten dem ARD-Studio Brüssel bestätigen, übergab Ankara der EU-Kommission vor Wochen ein Schreiben, in dem es darlegt, wie es nun bald die noch ausstehenden Bedingungen dafür erfüllen will. Womit die Türkei den Druck auf Brüssel erhöht. Schnelle Fortschritte erwartet indes auch hier niemand. Die Gefahr, dass dies ein Gipfel der enttäuschten Erwartungen wird, ist also durchaus gegeben. Wobei das Spitzentreffen allerdings auch das beiderseitige Eingeständnis ist, dass man einander braucht. Und daher gar nicht anders kann, als im Gespräch zu bleiben.