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EU und Großbritannien
Brexit soll Europa nicht dauerhaft blockieren

Immer noch ringt die britische Regierung mit der EU über den Brexit. Eine Streitfrage ist, wie lange der Austrittsprozess noch verzögert werden soll. Denn die EU-Staaten wollen allmählich mit dem Thema abschließen, damit notwendige Reformen in Europa nicht länger verschleppt werden.

Von Paul Vorreiter | 10.04.2019
Verlässt das Vereinigte Königreich die Europäische Union - und falls ja wann?
Anti-Brexit-Demonstranten in London - auch in Europa ermüdet der Dauerstreit allmählich die Beteiligten (Mary Turner / Getty Images)
Und täglich grüßt das Murmeltier: Das möchte man zumindest beim Brexit meinen. Schon wieder müssen die 27 europäischen Staats- und Regierungschefs in Brüssel darüber entscheiden, ob sie den Briten einen Aufschub geben können: Denn bis vor kurzem hatten die EU27 den Briten nur zwei Szenarien zur Auswahl gegeben:
Das Vereinigte Königreich sollte bis zum 22. Mai - also bis kurz vor der Europawahl einen kurzen Aufschub bekommen, gesetzt dem Fall, dass Premierministerin Theresa May eine Mehrheit für das Austrittsabkommen im Londoner Unterhaus erhält, was ihr mehrfach nicht gelungen ist.
In diesem Fall sollten die Briten bis zum 12. April, also übermorgen erklären, wie es weitergehen soll, ob sie an den Europawahlen im Mai teilnehmen wollen.
Doch diese harte Option eines möglichen Austritts übermorgen scheint nicht wirklich eine zu sein, auf dem Kontinent will man sie eigentlich vermeiden:
"Es gibt einen Unterschied zwischen ungeregeltem und einem zivilisierten Brexit und wir tun alles, um einen harten Brexit zu vermeiden", sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn gestern in Luxemburg: Also kommt der harte Brexit nun auf keinen Fall? "Certainly not!"
Bedingungen der EU-Staaten
Doch, damit der ganz sicher nicht kommt, wird es aller Voraussicht nach Bedingungen geben, die die 27 EU-Staaten aufstellen werden. Österreichs Europaminister Gernot Blümel sagte am Vormittag, die EU-Mitgliedsländer würden nur zustimmen, wenn es substanzielle Vorschläge der Briten gebe, er erwarte aber, dass die Einheit der EU-27 auch hier aufrecht blieben.
Ähnliche Töne auch bereits gestern von Frankreichs Europaministerin in Luxemburg, Amelie de Montchalin:
"Wir wollen verstehen, wozu das Vereinigte Königreich diese Verlängerung braucht, was die politischen Umstände sind für Theresa May und dann kommt die Frage der Bedingungen, welche Rolle die Briten in dieser Verlängerungszeit spielen und wir wollen wissen, wie wir währenddessen unser europäisches Projekt voranbringen können und den europäischen Bürgern dienen können."
Soll heißen: Die europäische Seite will sich allmählich auch nicht mehr selbst wegen des Brexit blockieren lassen, notwendige Reformen verschleppen. Stellt sich dann allerdings auch noch die Frage, wie lange der Austrittsprozess noch verzögert werden soll; Theresa May hat einen Aufschub bis zum 30. Juni vorgeschlagen, also eine Tag, bevor sich das neue EU-Parlament konstituiert.
Udo Bullmann, Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament dazu am Morgen im Deutschlandfunk:
"Ich glaube, dass Donald Tusk Recht hat, wenn er sagt, wir wollen nicht die Zeit bis Ende Juni damit verbringen, uns alle acht Tage zu sehen und uns in die Augen zu gucken und zu merken, dass nichts geht. Ich finde, dass eine Lösung mindestens bis zum Ende des Jahres her sollte, aber dann bitte mit der Auflage, das zweite Referendum zu machen."
Scholz optimistisch
Ein solcher Aufschub jedenfalls bedeutete jedoch, dass das Vereinigte Königreich nach der Europawahl auch noch Einfluss auf die Wahl von EU-Spitzenämter hätte. Ein Szenario, dass in Brüssel ungern gesehen wird:
"Wir haben Bürgerrechte in der Europäischen Union und jede Bürgerin und jeder Bürger der Europäischen Union hat ein Recht, an den Wahlen zum Europäischen Parlament teilzunehmen, solange das Land Mitglied ist. Jede Bürgerin, jeder Bürger in Großbritannien könnte sofort klagen vor dem Europäischen Gerichtshof. Wenn die eigene politische Klasse zu dumm ist herauszufinden, was sie in Westminster will, ist das noch lange kein Grund, Bürgerrechte einzuschränken."
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hatte sich am Morgen im Sender CNBC zuversichtlich gezeigt, dass es eine Mehrheit für den ausgehandelten Vertrag noch geben werde. Die Gespräche der Regierung und der oppositionellen Labour-Partei für einen Ausweg aus der Brexit-Sackgasse seien sowohl für Europa als auch für Großbritannien gut.
Die Hoffnung stirbt zuletzt.