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EU-Verteidigungspolitik
Brüssel will engere militärische Kooperation

Die EU will ihre militärische Zusammenarbeit verstärken. Dafür werben vor allem Deutschland und Frankreich. Doch es droht ein handfester Streit mit den Briten: Denn London lehnt jeden Gedanken an eine EU-Armee oder ein EU-Armee-Hauptquartier in Konkurrenz zur NATO ab.

Von Kai Küstner |
    Jean-Yves Le Drian und Ursula von der Leyen bei einem Treffen der Verteidigungsminister der NATO in Brüssel
    Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihr französischer Kollege Le Drian werben für ihre gemeinsame Initiative. (EPA)
    Wie schwierig die Zusammenarbeit der EU mit den austrittswilligen Briten in nächster Zeit noch werden kann, dafür gibt es nun erste unheilvolle Anzeichen. In der Verteidigungs-Politik droht ein handfester Streit: Schon immer galten die Briten als Bremser, wenn es um eine stärkere Europäisierung in militärischen Fragen ging. Und bei dieser Haltung wollen sie offenbar bleiben, solange sie noch Teil der EU sind:
    "Wir stimmen zu, dass Europa Herausforderungen wie Terrorismus und Migration angehen muss. Aber wir werden weiter jegliche Vorhaben einer EU-Armee oder auch eines EU-Armee-Hauptquartiers ablehnen. Das würde schlicht die NATO untergraben."
    Jede Menge Papiere im Umlauf
    Droht nun der britische Verteidigungsminister Michael Fallon. Seine deutsche Amtskollegin von der Leyen war nicht die einzige, die sich beeilte klarzustellen: Es sei ja überhaupt nicht vorgesehen, eine solche EU-Armee aufzubauen:
    "Im Gegenteil: Es geht darum, die unterschiedlichen Stärken der europäischen Länder besser zusammenzufassen, damit wir gemeinsam schnell handlungsfähig sind."
    So von der Leyen. Zum Thema Bündelung der EU-Kräfte bei der Verteidigung kursieren gerade jede Menge Papiere: ein deutsch-französisches, eines der EU-Außenbeauftragten Mogherini. In keinem der beiden wird eine EU-Armee auch nur mit einer Silbe erwähnt. Offizielle erklären, wenn überhaupt, dann sei dies auch eher eine Sache von Jahrzehnten denn von Jahren. Und was die NATO betrifft, so trat Generalsekretär Stoltenberg nun symbolträchtig gemeinsam mit der EU-Außenbeauftragten vor die Presse und erklärte:
    "Es gibt keinen Widerspruch zwischen einer starken europäischen Verteidigung und einer starken NATO. Beides verstärkt sich gegenseitig."
    Briten lehnen europäische Armee ab
    Worte, die geeignet schienen, britische Bedenken zu zerstreuen. Doch die dürften weiter bestehen: Dass Verteidigungs-Minister Fallon erklärte, seine Regierung werde sich nicht nur gegen eine EU-Armee, sondern gegen ein EU-Militär-Hauptquartier stemmen, dürfen die Deutschen und die Franzosen durchaus als Warnung auffassen. Denn genau das wollen Berlin und Paris – und übrigens auch die EU-Kommission – mittelfristig, um von dort aus die zahlreichen, bereits laufenden EU-Militär-Missionen zu leiten. Die entscheidende Frage lautet nun: Wie schaffen es diejenigen, die große Schritte tun wollen auf dem Weg hin zu einer ‚Europäischen Verteidigungsunion‘, dies gegen britischen Widerstand durchzusetzen? Denn dass man die Zusammenarbeit vertiefen muss, hält die Bundesregierung für dringend geboten:
    "Das Thema Sicherheit ist wichtig für die Menschen, das merken wir bei allen Umfragen, bei allen Forderungen, die die Menschen an Europa stellen. Hier bleibt Europa zu oft unter seinen Möglichkeiten."
    Rücksichtnahme auf die Briten endgültig vorbei
    Betonte von der Leyen. Eine mögliche Lösung für den drohenden Streit mit den Briten findet sich im deutsch-französischen Papier und trägt den etwas sperrigen Namen "Ständige Strukturierte Zusammenarbeit": Dahinter verbirgt sich die von den EU-Verträgen vorgesehene Möglichkeit, dass einige Staaten sich enger verzahnen und schneller voranschreiten als andere. Dies könnte beim Thema Verteidigung nun passieren. Und hätte den Vorteil, dass nicht ein Land alle anderen blockieren könnte. Aus Sicht der Befürworter würden im Idealfall dabei, wenn nur die Briten sich sperren, alle anderen 27 EU-Staaten mitmachen. Ob das so kommt, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Klar ist nur eins: Viele in der EU scheinen zu glauben, dass die Zeiten der Rücksichtnahme auf die Briten endgültig vorbei sind.