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EuGH
Kein Schadensersatz bei Scheinbewerbung

Wer eine "Scheinbewerbung" einreicht, ist nicht durch EU-Antidiskriminierungsregeln geschützt. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Der Schutz vor Benachteiligung wegen des Alters, der Religion, der Weltanschauung oder der sexuellen Ausrichtung sei nur für ernsthafte Bewerbungen gedacht, heißt es in dem Urteil.

Von Frederik Rother | 28.07.2016
    Eine blaue Bewerbungsmappe mit dem Schriftzug Bewerbung
    Der Kläger hatte sich vor sieben Jahren bei einem deutschen Versicherungsunternehmen auf eine Trainee-Stelle beworben und wurde abgelehnt. (imago)
    Das Urteil der Ersten Kammer des Europäischen Gerichtshofs, kurz EuGH, ist eindeutig: Niemand dürfe sich in "betrügerischer oder missbräuchlicher Weise" auf die EU-Vorschriften zum Diskriminierungsschutz berufen, befanden die Luxemburger Richter. Genau das soll der Kläger Nils K. – selbst Anwalt – gemacht haben.
    Vor sieben Jahren bewarb er sich bei einem deutschen Versicherungsunternehmen auf eine Trainee-Stelle. Gewünscht war ein sehr guter Hochschulabschluss, der nicht länger als ein Jahr zurückliegt oder kurz danach erworben wird, und erste Praxiserfahrung. Für Bewerbungen im juristischen Bereich des Unternehmens wurden zusätzlich zwei Staatsexamen und eine arbeitsrechtliche Ausrichtung verlangt.
    Entschädigung in Höhe von 14.000 Euro eingefordert
    K. erfüllte nach eigener Ansicht alle Kriterien für die juristische Trainee-Stelle: In seiner Bewerbung hieß es, er hätte bereits langjährige Berufserfahrung als Anwalt und leitender Angestellter. Außerdem besuche er einen Kurs für Arbeitsrecht und hätte Kenntnisse im Medizinrecht.
    Die Versicherung lehnte K. ab, der dann eine Entschädigung in Höhe von 14.000 Euro wegen angeblicher Altersdiskriminierung einforderte. Das darauf folgende Gesprächsangebot der Versicherung nahm K. nicht an, im Gegenteil: Er verklagte das Unternehmen stattdessen. Da die vier ausgeschriebenen Stellen ausschließlich mit Frauen besetzt wurden, obwohl sich gleichviele Männer beworben hatten, verlangte K. weitere 3.500 Euro wegen Geschlechterdiskriminierung – insgesamt gut 17.000 Euro.
    Die Klage ging in Deutschland durch alle Instanzen und landete schließlich beim Bundesarbeitsgericht. Das stellte eine Scheinbewerbung fest. Die Erfurter Richter vermuten, dass K. sich nur beworben hatte, um den Status als Bewerber zu erreichen und dann Entschädigung geltend zu machen.
    Bundesarbeitsgericht muss jetzt über Klage entscheiden
    Das sah auch der EuGH so und begründete mit der Scheinbewerbung die Ablehnung der Schadensersatzansprüche. Der Schutz vor Benachteiligung wegen des Alters, der Religion, der Weltanschauung oder der sexuellen Ausrichtung sei nur für ernsthafte Bewerbungen gedacht, heißt es in dem Urteil – K. sei kein Opfer von Diskriminierung und könne sich dementsprechend nicht auf diese Regeln berufen.
    Das Bundesarbeitsgericht hatte den EuGH um Klärung des Falls gebeten. Die Erfurter Richter wollten wissen, ob eine Person, die nur den Bewerberstatus erreichen will um Entschädigungen einzufordern, als normaler Bewerber angesehen werden kann. Das verneinte der EuGH. Außerdem sollte die Frage geklärt werden, ob es sich dabei um Rechtsmissbrauch handeln könnte. Das wiederum bestätigten die Luxemburger Richter.
    Das Verfahren geht jetzt wieder zurück nach Erfurt an das Bundesarbeitsgericht, das über die Klage von K. entscheiden muss.
    Der wiederum fällt nicht das erste Mal auf: K. soll sich regelmäßig auf Stellenausschreibungen beworben haben, um bei Ablehnung Entschädigungen wegen Diskriminierung einzufordern. Die Münchener Staatsanwaltschaft hatte K. deswegen schweren Betrug vorgeworfen. Ein Gericht wies die Klage im letzten Jahr zurück: Es sei nicht illegal, sich auf diskriminierende Stellenanzeigen zu bewerben, um eine Entschädigung einzufordern.