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Euro-Finanzministertreffen
"Griechen haben überhaupt keinen Plan"

Nach dem Scheitern des Treffens der Eurogruppe zu Griechenland hat der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Hans-Peter Friedrich das Verhalten der neuen Regierung in Athen mit dem von "Halbstarken" verglichen. Spätestens am Montag müsse Griechenland konkrete Vorstellungen schriftlich auf den Tisch bringen, sagte Friedrich im DLF.

Hans-Peter Friedrich im Gespräch mit Bettina Klein | 12.02.2015
    Porträtbild von Hans-Peter Friedrich (CSU)
    Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Friedrich (CSU) (picture alliance / dpa/ Sven Hoppe)
    Es reichte nicht einmal für einen Minimalkonsens im Schuldenstreit: Das Sondertreffen der Finanzminister der Eurozone zu Griechenland ist ohne greifbare Fortschritte zu Ende gegangen. Am Montag wollen sich die Beteiligten erneut an den Tisch setzen. Spätestens dann müssten konkrete Vorstellungen auf den Tisch, sagte der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, im DLF. "Griechenland kann sich nicht aufführen wie die Halbstarken", so dass am Ende alle froh sind, wenn irgendwas erreicht wird.
    Friedrich betonte, die existierenden Vereinbarungen mit Griechenland seien auch für die jetzige Regierung verpflichtend. Tsipras habe sich verkalkuliert, wenn er geglaubt habe, er könne die anderen Südländer auf seine Linie bringen. Es werde keine Veränderung in der Substanz der Programme geben, denn - bei aller Härte - zeigten sie Wirkung.
    Für Kosovo als sicheres Herkunftsland
    Mit Blick auf das aktuelle Flüchtlingsdrama im Mittelmeer mit vielen Toten sagte Friedrich: "Es ist nicht so, dass hier nichts passiert". Dennoch müssten die Probleme auf einer Art europäischen Flüchtlingskonferenz besprochen werden.
    Für den momentan starken Andrang von Asylbewerbern aus dem Kosovo zeigte Friedrich keinerlei Verständnis. Das Land müsse schnell als sicheres Herkunftsland eingestuft werden. "Selbstverständlich" ginge es überhaupt nicht, dass die Kosovaren hier die Sozialkassen anzapften, unterstrich Friedrich. Wirtschaftliche Not ließ Friedrich nicht als Argument für den Massenexodus gelten. Es werde geholfen, aber die Hilfe müsse vor Ort von den Ländern umgesetzt werden.

    Das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: Stundenlang feilten die Euro-Finanzminister an einer Erklärung in Brüssel, um den weiteren Weg für Griechenland abzustecken. Doch am Ende hat der griechische Finanzminister Varoufakis seine Zustimmung dann wieder zurückgezogen. Das gilt als kein besonders gutes Signal für den EU-Gipfel heute.
    Und am Telefon begrüße ich Hans-Peter Friedrich, CSU, stellvertretender Unionsfraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag und dort auch für die Europapolitik zuständig. Guten Morgen, Herr Friedrich!
    Hans-Peter Friedrich: Guten Morgen, Frau Klein!
    Klein: Wir haben es gehört, Enttäuschung bei Jeroen Dijsselbloem, durchaus auch Ärger, Varoufakis ist abgereist. Ist das jetzt ein neuer Eklat?
    Friedrich: Na ja, sagen wir so, es ist zumindest weniger als das, was wir erwartet und auch erhofft hatten. Man hat ja gehofft, dass man zumindest eine Art Verfahren, eine Art Prozess auf den Weg bringt und dann sagt, gut, wir machen den Zeitplan, wir setzen Arbeitsgruppen ein oder was immer da denkbar gewesen wäre. Das alles ist nicht passiert und insofern kann man schon sagen, dass das eine große Enttäuschung ist, die da gestern Abend stattgefunden hat.
    Klein: Ist Ihnen deutlich geworden, was im Kern die Ursache dafür ist?
    Friedrich: Also, es drängt sich der Verdacht auf, dass die Griechen eigentlich keinen Plan haben. Jeder hat immer gerätselt, was ist die Strategie, was wollen die, wie glauben sie, dass sie vorwärtskommen? Aber es zeigt sich doch, dass sie offensichtlich überhaupt keinen Plan haben, sondern nach dem Motto "Frechheit siegt" versuchen, Druck auszuüben, sich aufführen wie die Halbstarken und dann hoffen, dass alle am Schluss froh sind, wenn sie irgendwie zu irgendwas sich bereit erklären. Ich fürchte, diese Strategie wird nicht aufgehen.
    Klein: Sich aufführen wie die Halbstarken, starke Worte jetzt wiederum von Ihnen heute Morgen! Womit muss dann Varoufakis zurückkehren am Montag, damit es eine Aussicht auf eine Einigung gibt Ihrer Meinung nach?
    Friedrich: Zumindest müssen ja mal konkrete Vorschläge auf den Tisch. Und davon war ja wohl gestern Abend gar nichts zu hören. Man muss davon ausgehen, dass zumindest mal die griechische Regierung ein Papier auf den Tisch legt und sagt, das sind unsere Vorstellungen, dass man mal konkret über die einen oder anderen Dinge reden kann. Ganz klar ist, dass es Vereinbarungen gibt mit Griechenland, nicht mit einer Regierung, sondern mit dem Land, und dass jeder erwarten kann, dass, egal welche Regierung dort regiert, diese Vereinbarungen auch einhält. Und wenn man Modifizierungen in irgendeiner Weise haben möchte, dann muss man das begründen, dann muss man das vorlegen, und das wäre eine seriöse und solide Vorgehensweise und die erwarten wir im Grunde jetzt von den Griechen. Die Griechen können jetzt, nachdem sie auf ihrer Revolutionsvorstellung herausgekommen sind, müssen jetzt langsam begreifen, dass sie Verantwortung für diesen Staat haben, und auch entsprechend handeln.
    Klein: Konkret, was muss am Montag vorgelegt werden?
    Friedrich: Konkret ein Papier, auf dem die Griechen deutlich machen, was sie wollen. Und darüber muss man dann reden können. Aber das muss schriftlich auf den Tisch gelegt werden.
    Klein: Die Frage ist ja, inwieweit die Europäische Union und die Teilnehmer, die Mitglieder der Troika dann möglicherweise auch als Entgegenkommen signalisieren können. Bisher geht es darum, dass man da vielleicht das Ganze umorganisiert, die Troika, die zur Kontrolle der Auflagen ja da ist, dass man da einen neuen Namen findet, neue Sprachetiketten. Aber wie viel soll das dann bringen? Ist das wirklich ein ernst gemeintes Signal?
    Friedrich: Ja gut, diese Frage, ob die Troika Troika heißt, das habe ich ja schon mal gesagt, darauf kommt es überhaupt nicht an. Entscheidend ist natürlich, dass die Geldgeber oder die Vertreter der Geldgeber auch kontrollieren, was mit dem Geld der, man kann sagen im weitesten Sinne: Steuerzahler, die sie vertreten, passiert. Und deswegen wird es immer Kontrolle und Aufsicht geben müssen. Wie das Ganze heißt und in welchem Verfahren, das ist eine völlig andere Frage. Auch darüber kann man im Einzelnen diskutieren und reden, aber selbstverständlich muss ein Monitoring dessen, was da eingesetzt wird an Geld, und was damit passiert, stattfinden, überhaupt keine Frage!
    Klein: Also, die EU geht davon aus, dass es da so ein paar kosmetische Veränderungen geben wird, aber sich an der Struktur und an der Legitimation der Troika auch nichts ändern wird?
    Friedrich: Wie gesagt, man muss jetzt mal warten, was auf den Tisch gelegt wird. Es muss nicht nur um Kosmetik gehen, natürlich, man weiß immer, dass auch die Griechen ihr Gesicht wahren müssen. Aber sie können nicht allen Ernstes erwarten, dass vonseiten der übrigen Länder in der Substanz etwas verändert wird. Und das ist, glaube ich, auch ganz klar gesagt worden nicht nur vom deutschen Finanzminister, sondern auch von den anderen Finanzministern. Ich glaube, das ist das eigentlich Interessante: Die Griechen haben sich, glaube ich, verkalkuliert, weil sie geglaubt haben, dass sie andere Länder, vielleicht andere Südländer mit dieser Linie auf ihre Seite bringen. Das ist ihnen nicht gelungen. Auch die Italiener, auch die Spanier, auch die Portugiesen schwenken nicht auf diese Linie der Griechen ein, und ich glaube, das ist eine Fehlkalkulation, die sie jetzt ausbaden müssen.
    Klein: Es gingen ja durch die Presse schon verschiedene Spekulationen, inwieweit man den Griechen doch dann sehr entgegenkommen könnte und wirklich auch von bisherigen Auflagen abweichen würde. Das sehen Sie aber nicht?
    Friedrich: Ich sehe es auch schon deshalb nicht, weil die Griechen ja offenkundig auf einem ganz guten Weg sind. Die Zahlen, zumindest auch die Prognosen sind ganz optimistisch. Also, man kann sagen, die Programme, die da aufgelegt wurden, wirken bei aller Härte, die damit auch verbunden sind. Sie wirken übrigens ja auch in den anderen Ländern und haben dort Erfolg gebracht. Und deswegen ist überhaupt nicht einzusehen, dass man in irgendeiner Form abweicht. Und das war auch nicht die Vereinbarung. Es ist ganz klar gemacht worden, es gibt keine Veränderung in der Substanz, und dabei muss es auch bleiben.
    Klein: Der neue griechische Regierungschef Alexis Tsipras wird ja heute zum ersten Mal bei einem Gipfel der EU teilnehmen. Inwiefern ist denn zu erwarten, dass man sich da noch ein wenig annähert auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs?
    Friedrich: Na ja, also, ich glaube, dass das Verfahren schon so ist, dass man zunächst einmal sagt, ihr müsst euch einigen unter den EU-Finanzministern. Ich glaube nicht, dass die Staats- und Regierungschefs jetzt in irgendeiner Weise etwas vor strukturieren, was auf der Fachebene von den Fachleuten nicht zustande gebracht wird. Aber das muss man abwarten, also, das wird sicher nur eine atmosphärische Frage sein, man wird sicher dort in der Sache nicht weiterkommen.
    Klein: Herr Friedrich, da wir gerade über den EU-Gipfel heute sprechen: Ein Thema, was da im Augenblick nicht auf der Agenda steht, das ist das Flüchtlingsdrama, was wir im Augenblick im Mittelmeer sehen. Wirklich erschreckende Bilder und erschreckende Zahlen, von Hunderten von Toten dort. Die Sozialdemokraten im Europaparlament haben jetzt gefordert, das auch auf die Agenda zu setzen. Inwiefern sehen Sie Handlungsbedarf auch auf europäischer Ebene, selbst wenn Sie jetzt nicht Mitglied im Europaparlament sind?
    Friedrich: Na ja, dieses Thema steht im Grunde schon seit vielen Jahren auf der Tagesordnung und man hat ja mit allen möglichen einzelnen Fragestellungen auch schon reagiert, was Frontex angeht, was auch den Auftrag von Frontex angeht, dort auch mit Rettungsmaßnahmen einzugreifen, was die Unterstützung auch Italiens angeht in all diesen Fragen. Ich glaube, was nach wie vor offen ist, ist eine Art europäische Flüchtlingskonferenz. Das ist meiner Meinung nach seit vielen Jahren fällig. Denn es ist nicht nur ein Thema, das ja Italien oder Frankreich oder Deutschland oder Belgien betrifft, sondern das allmählich alle EU-Länder auch angeht, die Flüchtlingsproblematik. Und insofern, denke ich, muss man da früher oder später mal eine solche europäische Flüchtlingskonferenz auch durchführen.
    Klein: Muss man sich nicht aber vielleicht eher früher als später ganz klare Gedanken machen über humanitäre Hilfe, die dort im Augenblick, in diesen Stunden und Minuten erforderlich ist?
    Friedrich: Ja, das findet aber doch schon statt. Also, man soll jetzt nicht so tun, als ob da nichts passiert. Es wird sowohl in der Frage der Entwicklungshilfe als auch in der Frage der Unterstützung, der Stabilität der Staaten vor allem in Nordafrika sehr, sehr viel unternommen. Aber dass man so ein bisschen das außenpolitische Gewicht und Augenmerk auf diese Sache legen muss, das darf man erwarten, überhaupt keine Frage. Aber wie gesagt, es ist nicht so, dass nichts passiert, sondern es finden dort viele Aktivitäten statt. Bisher natürlich noch nicht mit einem abschließenden Ergebnis.
    Klein: Herr Friedrich, abschließende Frage von mir mit Bitte um eine kurze Antwort: Flüchtlinge, die aus dem Kosovo kommen, müssen nicht übers Mittelmeer, aber sie sollen jetzt schneller abgeschoben werden, das Kosovo soll als sicheres Drittland gelten. Unterstützen Sie die Forderung, die jetzt auch vom Bundesinnenminister geteilt wird?
    Friedrich: Selbstverständlich, das geht überhaupt nicht, dass man aus den Balkanländern – das ist ja ein Problem, das wir schon länger haben – nach Deutschland kommt, um hier Sozialkassen anzuzapfen, sondern die Leute müssen wieder zurück, das hilft alles nichts.
    Klein: Und da gibt es auch kein Mitleid mit der Armut und damit, dass die Menschen versuchen, ein besseres Leben hier zu führen?
    Friedrich: Auch das ist wieder eine andere Frage. Es gibt Verträge, es gibt Abkommen, es gibt Programme mit der Europäischen Union, es wird geholfen, es wird Geld in die Hand genommen, aber das muss eben vor Ort in den Ländern auch umgesetzt werden. Und man kann nicht sagen, die können jetzt zu uns kommen.
    Klein: Mehr zum Thema übrigens in einer Stunde bei uns. Das war heute Morgen Hans-Peter Friedrich von der CSU, stellvertretender Unionsfraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag. Danke für das Interview, Herr Friedrich!
    Friedrich: Gerne, Frau Klein!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.