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Eurokrise
Ökonom Straubhaar: Athen braucht weitere Hilfen

Griechenland will finanziell wieder auf eigenen Beinen stehen. Das hat die Regierung für Ende des Jahres angekündigt. Der Ökonom Thomas Straubhaar vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) glaubt nicht, dass Athen das gelingt. Er hält weitere Hilfen für Griechenland für wahrscheinlich.

Thomas Straubhaar im Gespräch mit Sina Fröhndrich | 08.01.2014
    Sina Fröhndrich: Zunächst, was heißt das denn, an die Finanzmärkte zurückkehren?
    Thomas Straubhaar: Zurückkehren an die Finanzmärkte bedeutet, dass private Kapitalgeber bereit sind, ihr Geld wieder in griechische Staatsanleihen anzulegen, dass sie denken, dass das Risiko sich begrenzen lässt, dass das Geld, das man Griechenland leiht, nicht vollständig zurückbezahlt wird. Und das ist eigentlich der Normalfall, so hat es auch lange funktioniert und ist jetzt nur durch die Finanzmarktkrise ausgehebelt worden, dass das Risiko so groß war, dass eben private nicht mehr bereit waren, diesen Ländern Geld zu geben.
    Fröhndrich: Und glauben Sie denn, dass die Geldgeber am Ende des Jahres wieder bereit sein werden, Griechenland Geld zu leihen?
    Straubhaar: Das halte ich nicht für wahrscheinlich aus folgenden Gründen, weil Griechenland unverändert der Rezession steckt und von daher gesehen, unverändert unsicher bleibt, wann und wie Griechenland aus dieser tiefen Krise herausfinden soll.
    Alle finanzpolitischen Kennziffern sind immer noch unverändert im roten Bereich, sodass von daher gesehen, die privaten Kapitalgeber unverändert kritisch sein müssten.
    Andererseits ist es nicht hoffnungslos, dass früher oder später vielleicht im nächsten oder übernächsten Jahr Griechenland wieder tatsächlich zu einem glaubwürdigen Schuldner werden kann, nicht zuletzt deswegen, weil die Maßnahmen der Rettungsschirme und der europäischen Institutionen ja ganz klar machen, dass wohl jedes Land immer wieder gerettet werden würde, wenn es in Schwierigkeiten kommt.
    Fröhndrich: Wenn Griechenland sich jetzt aber hinstellt, und das hat es ja so getan, und sagt, dass es Ende des Jahres eben trotzdem dieses Ziel hat, wieder sich selbst wieder mit Geld versorgen zu können, hat das denn jetzt schon eine psychologische Wirkung vielleicht, eine Signalwirkung?
    Straubhaar: Das denke ich auch, hängt ja auch etwas damit zusammen, dass ausgerechnet in dieser schwierigen Phase jetzt turnusgemäß Griechenland die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat.
    Und in dem Sinne ist es vielleicht eine gute Signalwirkung zu sagen, dass Griechenland eben unverändert als wichtiges Mitglied der Europäischen Union und auch der Eurozone verstanden wird und dass die griechische Regierung, die ja durchaus unter Druck auch radikalerer Gruppierungen steht, einen Erfolg braucht und deshalb ist es einmal die Absicht weiterhin auf dem diesem Sanierungsweg voranzukommen und gleichzeitig eben wieder an die Kapitalmärkte zurückkehren zu können, den Druck zu erhöhen, auch innenpolitisch unbeliebte Maßnahmen umsetzen zu können.
    Fröhndrich: Wenn Sie da unbeliebte Maßnahmen ansprechen, an welche denken Sie da? Was steht da noch Griechenland bevor?
    Straubhaar: Da stehen unverändert dramatische Anpassungserfordernisse bevor. Die Arbeitslosigkeit in Griechenland ist unverändert auf extrem hohem Niveau, mehr als jeder vierte Grieche und Griechin ist amtlich registriert arbeitslos. Die Staatsausgaben müssen weiter zurückgefahren werden, das heißt, man wird weiterhin überall als Staat sparen müssen, wird nicht mehr Renten und Arbeitslosenunterstützung anheben können. Auf der anderen Seite werden Steuer erhöht werden müssen, werden weitere Privatisierungsanstrengungen unternommen werden müssen.
    Das alles ist unverändert eine sehr sehr dramatische Situation, auch politisch, und von daher gesehen bleiben unverändert hohe Risiken, dass auch die griechische Bevölkerung nicht immer bereit sein wird, diesen Anpassungsweg zu gehen, und jede Gegenreaktion wird natürlich sofort wieder zu mehr Unsicherheit führen und entsprechend auch gegebenenfalls die Zinsen auch auf einem privaten Kapitalmarkt für ein Darlehen nach Griechenland erhöhen.
    Fröhndrich: Jetzt gibt es einige Stimmen, die das, was sie jetzt nachgezeichnet haben, dieses Bild nehmen und in die andere Richtung gehen und sagen, Griechenland braucht einen Schuldenschnitt, braucht vielleicht ein drittes Rettungspaket. Das sagt Michael Fratzscher, der Chef des DIW. Halten Sie das auch für denkbar oder ist das überzogen?
    Straubhaar: Ich würde vielleicht diese Diskussion etwas losgelöst vom speziellen Fall Griechenland als unverzichtbar sogar verstehen, dass man in irgendeiner Art und Weise in den nächsten Jahren und lieber in den nächsten Monaten einen Weg finden muss, dass Länder, die eben so hoch überschuldet sind, wie es bei einigen südeuropäischen Ländern immer noch der Fall ist, dass da auch eine sogenannte geordnete Staatsinsolvenz möglich ist, ohne dass gleichzeitig die ganze Eurozone darunter zu leiden hat, dass ein Land als letzte Drohung damit rechnen muss, dass es die Eurozone zu verlassen hat.
    Im Griechenlandfall denke ich, ist es richtig, dass diese Diskussion wohl zu spät Früchte tragen wird und dass deshalb unverändert das Damoklesschwert einer wie auch immer gearteten neuen Rettungsmaßnahme im Raume steht, dass hier Schulden erlassen werden müssen, dass es in irgendeiner Art und Weise, weiterer Hilfsmaßnahmen auch bedarf. Ich denke, im griechischen Fall wird man da nicht drum herum kommen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.