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Europawahlschlappe
Goppel: CSU braucht eine Neuorientierung

Für die CSU war es ein schlechter Tag: nur 40,5 Prozent für die Christsozialen, ein Minus von mehr als sieben Prozentpunkten bei den Europawahlen. Ob als Konsequenz auch personelle Veränderungen anstünden, stehe noch nicht fest, sagte der CSU-Politiker Thomas Goppel im Deutschlandfunk.

Thomas Goppel im Gespräch mit Peter Kapern |
    Thomas Goppel: für die CSU Mitglied des Bayerischen Landtags.
    Thomas Goppel: für die CSU Mitglied des Bayerischen Landtags. (dpa/Tobias Hase)
    Die CSU sei bewusst mit differenzierteren und kritischeren Stimmen als in der Vergangenheit in den Wahlkampf gegangen. Das habe auch seinen Grund, sagte Goppel, denn "wir sind die föderale Stimme, die Wert auf die regionalen Unterschiede legt".
    Gleichwohl räumte er ein, dass viele Wähler entweder nicht zur Wahl gegangen seien oder ihre Stimme den ausgewiesenen Europakritikern gegeben hätten. Jetzt sei es an der Zeit, wieder eine gemeinsame Linie zu finden. CSU-Chef Horst Seehofer habe klar die Verantwortung für die Strategie im Europawahlkampf übernommen. Wie es jetzt weitergehe, müsse sich zeigen. Der Vorstand der CSU habe ihrem Parteichef aber deutlich zu verstehen gegeben, dass es ein Problem gebe, das bereinigt werden müsse.

    Das Interview in voller Länge:
    Peter Kapern: Eine Zeit lang hatte es so ausgesehen, als könne Horst Seehofer die CSU in Bayern zu alter Stärke zurückführen. Die Partei regiert das Land jetzt wieder mit absoluter Mehrheit und auch bei der Bundestagswahl hatte die CSU gut abgeschnitten. Dann aber am Sonntag dieser desaströse Absturz, über den wir gerade gesprochen haben, auf gerade noch 40,5 Prozent. Bei uns am Telefon Thomas Goppel, Vorstandsmitglied und ehemaliger Generalsekretär der CSU. Guten Morgen!
    Thomas Goppel: Guten Morgen, Herr Kapern.
    Kapern: Herr Goppel, die CSU, die war im Wahlkampf für die EU, und die CSU war gegen die EU. Ist damit das Geheimnis des Misserfolgs schon hinreichend beschrieben?
    Goppel: Sie hat sehr viel differenzierter auf beide Positionen gesetzt als früher. Aber dass wir eine kritische Stimme gegenüber Europa haben, ist seit Beginn bekannt. Das war von Anfang an so, weil wir die Föderalisten sind, die innerhalb der deutschen Stimme immer Wert darauf gelegt haben, dass die regionale Identität erhalten bleibt. Da waren wir schon immer kritisch. Das ist diesmal sehr deutlich gemacht worden und diese sehr deutlichen Dinge haben für eine ganze Reihe von Wählern sichtlich zwei Dinge zur Folge gehabt: Ein Teil ist zuhause geblieben und ein anderer Teil hat gesagt, da wähle ich dann lieber die Kritiker, die ausdrücklich die Kritik sehen und nicht die zukünftige Entwicklung. Ich halte das persönlich für nicht gut, dass es sich so entwickelt hat, weil ich glaube, dass die kritische Stimme innerhalb des Apparates besser ist als die Maulerei im Parlament.
    Kapern: Das was die CSU schon immer gemacht hat, das war dann diesmal falsch?
    Goppel: Nein! Ich hatte ja gesagt, es ist sehr viel differenzierter oder pointierter.
    Kapern: Da ist unsere Telefonverbindung zu Herrn Goppel offenbar abgebrochen. Wir machen ein paar Takte Musik und versuchen, ihn dann noch mal ans Telefon zu bekommen.
    Zweiter Anlauf mit Thomas Goppel, Vorstandsmitglied der CSU und ehemaliger Generalsekretär. – Was sind die Konsequenzen aus diesem Wahldesaster, das die CSU da am vergangenen Sonntag eingefahren hat?
    Goppel: Ich darf es noch mal sagen: Es ging mir um eine pointiertere Auftrittsweise. Die hat der Parteivorsitzende und der Vorstand so gebilligt. Und diese Vornahme gemeinsam, sicher auch der Name Gauweiler eine feste Rolle in dem Zusammenhang, der ja die Kritik übrigens auch im Landtag und wenn er sonst unterwegs war im Bundestag immer mehr in den Vordergrund gestellt hat als die Tatsache, wo er konform geht, weil er sagt, da wo ich einer Meinung bin, muss ich mich eigentlich nicht äußern. Also es ist eine andere Vorgehensweise, die vielleicht auch ein bisschen dem süddeutschen Charakter entspricht. Aber der Vorsitzende hat gestern ausdrücklich gesagt, die Strategie habe ich ausgegeben, das ist mein Bier, dazu stehe ich, und insoweit sagt die CSU, lasst uns gemeinsam die Linie wieder finden, auf der wir so erfolgreich sind wie im letzten Jahr und in diesem Frühjahr bei den Kommunalwahlen.
    Kapern: Sie haben es gerade angedeutet, Herr Goppel: Horst Seehofer hat gestern gesagt, ich übernehme die Verantwortung. Wissen Sie, was das heißt?
    Goppel: Ja!
    Kapern: Sagen Sie es uns!
    Goppel: Dass er ganz deutlich sagt, an dieser Stelle braucht niemand besonders nach irgendwelchen Schuldigen suchen. Unsere Kandidaten haben exzellente Arbeit geleistet. Das muss man ganz ausdrücklich sagen. Die Stimmung, da wo wir draußen waren – ich war ja auch dabei -, war fast überall gut. Ich gebe allerdings auch zu, dass ich genau gemerkt habe, dass ein ganzer Teil von Leuten fehlt. Die Europakritik ist ja etwas, was sowieso ganz anders implantiert ist. Im Übrigen, einfach nur mal ganz kurz: Wir haben nach wie vor mit 40 Prozent das beste Ergebnis, das insgesamt überhaupt aufkreuzt, egal bei welcher Partei, und wir sind nach wie vor jemand, der Stabilität nachweist, jenseits der Tatsache, dass der Einbruch schmerzlich ist und von niemandem von uns schön geredet werden braucht.
    Kapern: Wir halten fest, dass die CSU mit 40,5 Prozent jetzt schon fast zufrieden ist.
    Goppel: Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich habe nur gesagt, Ihre Unzufriedenheit geht ein bisschen weit, wenn man sieht, wie viel andere nicht haben, nicht gekriegt haben, nicht wiedergeholt haben. Es wird ja immer nur bei der CSU gerechnet, wie viel seit ihr unter 50, und bei den anderen, oh, wie schön, sie sind über 20. Alles was recht ist!
    Kapern: Nun hat sich ja Horst Seehofer durch die Art seiner Amtsführung in den letzten Monaten und Jahren nicht so furchtbar viele Freunde innerhalb der Partei gemacht. Er ist da einigen Parteifreunden mächtig auf die Füße getreten, ich nenne nur mal den Namen Markus Söder. Jetzt muss er die Verantwortung übernehmen für dieses Wahlergebnis. Herr Goppel, was hören Sie da so in der Partei? Gibt es für den Putsch gegen Seehofer schon ein Datum?
    Goppel: Nein, das hat mit Putsch überhaupt nichts zu tun. Im Übrigen möchte ich nicht von Ihnen zum Spekulanten gemacht werden, das ist nicht mein Thema, genauso wenig wie Wahrsager. Es ist ja ganz interessant, der Begriff Wahrsager, wo der herkommt. Da sagt einer was und es muss nachher bewiesen werden, dass es wahr ist. Unsere Sprache ist schon manchmal sehr verräterisch.
    Ich will Ihnen ausdrücklich sagen: Der Ministerpräsident hat an dieser Stelle deutlich von allen zu sehen bekommen, denn es sind mehr die Mienenspiele als die Tatsache, dass jemand was äußert, dass wir an der Stelle das Problem bereinigen müssen. So wie ich ihn kenne und so wie ich mitgekriegt habe, dass er Politik macht, wird sein ganzes Bestreben danach sein, ab morgen mit einer ganzen Reihe von Aktivitäten durchaus deutlich zu machen, dass da etwas der Differenzierung und der neuen Gestaltung und der neuen Zielfestsetzung bedarf. Das wird er übernehmen, da bin ich fest überzeugt. Jenseits davon, dass Sie recht haben: Seine Lieblingsbeschäftigung war durchaus auszuteilen. Der Markus Söder hat das in der Starkbier-Veranstaltung vor kurzem so formuliert, dass der Unterschied zwischen Zirkus und Kabinett ist, dass im Zirkus alle über einen lachen und im Kabinett einer über alle. Solche Beschreibungen können Sie sich auch nur in Bayern leisten. Wir sind sehr viel direkter als der Rest der Welt und alles, was Sie fragen, haben wir schon gesagt.
    Kapern: Aber mir ist da, Herr Goppel, etwas im Ohr hängen geblieben, was Sie gerade gesagt haben, nämlich ein Problem müsse da bereinigt werden. Aber Sie sind sicher, dass das Problem, das da bereinigt werden muss, nicht den Namen Horst Seehofer trägt?
    Goppel: Was heißt sicher? Ich kann Ihnen nur sagen, ich will nicht zum Wahrsager werden. Die Ausgangsposition ist im Augenblick, ist die Konstellation bei uns so, dass wir geschlossen mit dem Ergebnis fertig werden wollen, das hat der Vorstand gestern Morgen gesagt, und dass wir gemeinsam auch festlegen müssen oder feststellen müssen, dass wir vorher auch diese Linie zugelassen haben. Es ist ja nicht so, dass das ein einsamer Beschluss des Vorsitzenden war, dass wir uns sowohl kritisch, als auch verhalten haben, was ja gemessen an der Art und Weise, wie mancher andere in der Politik vorgegangen ist, durchaus einen Sinn zu machen schien. Aber das war verkehrt, ohne Zweifel.
    Kapern: Aber wenn es mir nicht gelingt, Herr Goppel, Sie zum Wahrsager zu machen, dann möchte ich doch noch mal versuchen, Ihnen eine Prognose zu entlocken. Das Wahlergebnis vom vergangenen Sonntag, war das der Anfang vom Ende der Ära Seehofer?
    Goppel: So würde ich es nicht formulieren. Es war der Anfang einer Neuorientierung der CSU in Fragen der internationalen Politik. Es war der Anfang einer Neuplatzierung der CSU in der internationalen Politik und insofern einer Ausrichtung der Politik nach einem Themenkomplex, der in den letzten zwei, drei Jahren zu kurz gekommen ist. Sie werden Veränderungen mitkriegen. Ob sie sich auf die Person beziehen, ist etwas, was Sie am Tag nach der Wahl nicht so feststellen können.
    Kapern: Thomas Goppel, das Vorstandsmitglied der CSU und deren ehemaliger Generalsekretär, heute Morgen im Deutschlandfunk mit einem kleinen Problem mit der Telefonleitung zwischendurch.
    Goppel: Tut mir leid!
    Kapern: Das muss ja nicht an Ihnen gelegen haben, Herr Goppel. Das ist ja eine lange Leitung von Ihnen zu uns. – Ich bedanke mich auf jeden Fall für das Gespräch und wünsche Ihnen einen schönen Tag.
    Goppel: Guten Morgen, gleichfalls.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.