Elke Durak: Mitgehört hat Manfred Eisele, er war Beigeordneter des UNO-Generalsekretärs für Friedenseinsätze, kennt sich also sehr gut mit solchen Missionen aus. Herr Eisele, das Zauberwort in diesem Zusammenhang scheint zu heißen, Stabilisierungsmacht. Nur, was gehört dazu sinnvoller Weise, um einen solchen Einsatz zu rechtfertigen?
Manfred Eisele: Nun, eine Stabilisierungsmacht, eine Ordnungsmacht, gibt es in dieser Gegend eigentlich seit dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches schon nicht mehr. Auch die Völkerbundsmandate der Engländer und Franzosen haben dort nur zeitweilig für Ruhe und Ordnung sorgen können. Und die Vereinten Nationen sind ja seit 1948 bereits im Nahen Osten präsent mit ihrer ältesten und ersten Friedensmission, die direkt in Jerusalem stationiert ist und keinen einzigen der Konflikte verhindern konnte, aber auch ganz konkret im Libanon. Die UNIFIL, die so genannte United Nations Interim Force in Lebanon, ist dort seit 1978 stationiert, hat fast 250 ihrer Soldaten durch Kampfhandlungen - weitestgehend durch Kampfhandlungen der Milizen, teilweise aber auch israelisches Feuer - verloren. Und es wird deutlich, dass die Präsenz von UN-Blauhelmen alleine keine stabilisierende Wirkung hat.
Durak: Das heißt, die ganze Idee von einer Blauhelmtruppe im Südlibanon, diese Idee halten Sie für unrealistisch?
Eisele: Nun, wie gesagt, es sind rund 2000 Soldaten dieser UNIFIL-Mission nach wie vor dort stationiert. Woran es ihnen gebricht, ist in erster Linie ein eindeutiges Mandat des Sicherheitsrates. Denn UNIFIL ist auf der Grundlage des Kapitels VI zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten dort stationiert, und es wäre notwendig, unbedingt ein Mandat nach den Konditionen des Kapitels VII zu beschließen.
Durak: Können Sie das kurz beschreiben?
Eisele: Das Kapitel VII würde die Truppe ermächtigen, auch Gewalt anzuwenden, um den politischen Willen der Weltgemeinschaft durchzusetzen. Und hier kommt es ja in erster Linie darauf an, quasi stellvertretend für den schwachen libanesischen Staat, die dortigen Milizen im Zaum zu halten, als Voraussetzung dafür, dass es zu einer Befriedung an dieser Grenze kommt.
Durak: Gewalt aber gegen beide Seiten auch? Auch gegen israelische Truppen?
Eisele: Im Falle, dass israelische Truppen die Waffenstillstandsabkommen, die eine Voraussetzung für ein solches Mandat wären, brechen würden, müsste auch gegen israelische Truppen Gewalt angewendet werden.
Durak: Könnten Sie sich vorstellen, Herr Eisele, dass Bundeswehrsoldaten an einem solchen Einsatz beteiligt werden und auf Israelis schießen?
Eisele: Es ist schwer vorstellbar. Auf der anderen Seite gibt es natürlich keine generellen Gründe, die Deutschland von der Beteiligung an Friedensmissionen ausschließen würden. In diesem Falle ist die wichtigste Voraussetzung aber für ein überzeugendes Mandat eine politische Übereinkunft zwischen den Streitparteien, in diesem Falle in erster Linie also dem Staat Libanon und dem Staat Israel, die beide ja dieser Stationierung zustimmen müssten. Die Hisbollah ist dabei selber als ein internationaler Partner nicht gefragt, weil sie kein Völkerrechtsobjekt sind.
Durak: Möglicherweise könnte ja Syrien helfen, auf die Hisbollah einzuwirken. Der amerikanische Präsident wurde ja unabsichtlich gehört, als er sich dazu geäußert hat. Vielleicht ist ja die Überlegung, eine UNO-Truppe zu stationieren, der zweite Schritt vor dem ersten. Noch sind alle diplomatischen Bemühungen nicht ausgereizt, oder?
Eisele: Das muss man wohl so sehen. Blauhelme sind ja keine Kriegsführungspartei, die also mit Gewalt die Beendigung der Feindseligkeiten erzwingen könnten. Sondern sie wären eine militärische Macht zur Stabilisierung einer politischen Entscheidung. Und dieser politischen Entscheidung müssen die Regierungen aller beteiligten Staaten, im Falle des Libanon und Israels auch des mitbeteiligten Syriens, zustimmen.
Durak: Halten Sie denn die beteiligten Staaten, die sich noch nicht gemeldet haben - Also welche Staaten, anders herum gefragt, welche Staaten halten Sie denn für militärisch, finanziell, materiell, personell, in der Lage, diese Blauhelmmission stark zu machen?
Eisele: Seit Jahrzehnten, das heißt seit 1978, beteiligen sich in erster Linie weit entfernte Staaten an dieser Blauhelmtruppe, weil ja auch nur leichtbewaffnete und sparsam ausgestattete Truppen bisher, unter den Bedingungen des gegenwärtigen Mandats, erforderlich sind.
Durak: Das ginge aber jetzt nicht mehr.
Eisele: Also etwa Fidschi-Insulaner, Nepalesen. Und die sind trotz ihres persönlichen Engagements natürlich nicht diejenigen politischen Kräfte, deren Präsenz man sich da erhoffen würde. Grundsätzlich könnte man sagen, alle Staaten des politischen Nordens wären in der Lage, die notwendigen Kräfte verfügbar zu machen.
Durak: Bodentruppen hat Annan gesagt. Reicht das?
Eisele: Ja, Bodentruppen, das schließt eindeutig natürlich die dritte Dimension, das heißt luftbewegliche Möglichkeiten durch Hubschrauber, unter Umständen auch Kampfhubschrauber, ein. Ja, Bodentruppen sind das, was man dort benötigen würde.
Durak: Ist die Gefahr groß, dass die internationale Gemeinschaft über ihre Blauhelmtruppen plötzlich in einen Krieg mit einer der beteiligten Seiten gerät?
Eisele: Eigentlich nicht. Es hat in der Vergangenheit ja eine überaus erfolgreiche Interventionstruppe der Vereinten Nationen gegeben, die allererste Blauhelmtruppe überhaupt, die 1956 bis 1967 zwischen Ägypten und Israel stationiert war. Und in dem Moment, als die arabischen Nationen sich zu einem Angriff auf Israel gerüstet haben, haben sie die Zustimmung zum Mandat der Blauhelme entzogen. Und die Blauhelme mussten abziehen, als es eben tatsächlich zu kriegerischen Auseinandersetzungen kam. So ähnlich würde sich das wohl auch bei einer Eskalation der Lage zwischen dem Libanon und Israel wieder darstellen. Die Blauhelme hätten dann ihren Auftrag verfehlt und müssten das Gelände verlassen.
Durak: Wenn politisch alles ruhig liefe, kurze Frage zum Schluss, wann könnte diese Truppe stehen, was denken Sie?
Eisele: Nun, ein erster Schritt wäre natürlich, die vorhandenen 2000 Blauhelme von UNIFIL, also dieser präsenten Blauhelmtruppe, mit einem neuen Mandat auszustatten. Aber dann müsste man sich darum bemühen, die derzeitigen Truppen, durch entsprechend besser ausgestattete und für den neuen Zweck vorbereitete Truppen nach und nach zu ersetzen.
Durak: Also Ende 2006?
Eisele: Das hielte ich durchaus für realistisch. Vorausgesetzt, der Sicherheitsrat sieht es als so dringlich an, dass er rasch zu einem entsprechenden Mandat kommt.
Durak: Dankeschön, Manfred Eisele, ehemals Beigeordneter des UNO-Generalsekretärs für Friedenseinsätze. Schönen Dank, Herr Eisele, für Ihre Einschätzung.
Eisele: Danke Ihnen, Frau Durak.
Manfred Eisele: Nun, eine Stabilisierungsmacht, eine Ordnungsmacht, gibt es in dieser Gegend eigentlich seit dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches schon nicht mehr. Auch die Völkerbundsmandate der Engländer und Franzosen haben dort nur zeitweilig für Ruhe und Ordnung sorgen können. Und die Vereinten Nationen sind ja seit 1948 bereits im Nahen Osten präsent mit ihrer ältesten und ersten Friedensmission, die direkt in Jerusalem stationiert ist und keinen einzigen der Konflikte verhindern konnte, aber auch ganz konkret im Libanon. Die UNIFIL, die so genannte United Nations Interim Force in Lebanon, ist dort seit 1978 stationiert, hat fast 250 ihrer Soldaten durch Kampfhandlungen - weitestgehend durch Kampfhandlungen der Milizen, teilweise aber auch israelisches Feuer - verloren. Und es wird deutlich, dass die Präsenz von UN-Blauhelmen alleine keine stabilisierende Wirkung hat.
Durak: Das heißt, die ganze Idee von einer Blauhelmtruppe im Südlibanon, diese Idee halten Sie für unrealistisch?
Eisele: Nun, wie gesagt, es sind rund 2000 Soldaten dieser UNIFIL-Mission nach wie vor dort stationiert. Woran es ihnen gebricht, ist in erster Linie ein eindeutiges Mandat des Sicherheitsrates. Denn UNIFIL ist auf der Grundlage des Kapitels VI zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten dort stationiert, und es wäre notwendig, unbedingt ein Mandat nach den Konditionen des Kapitels VII zu beschließen.
Durak: Können Sie das kurz beschreiben?
Eisele: Das Kapitel VII würde die Truppe ermächtigen, auch Gewalt anzuwenden, um den politischen Willen der Weltgemeinschaft durchzusetzen. Und hier kommt es ja in erster Linie darauf an, quasi stellvertretend für den schwachen libanesischen Staat, die dortigen Milizen im Zaum zu halten, als Voraussetzung dafür, dass es zu einer Befriedung an dieser Grenze kommt.
Durak: Gewalt aber gegen beide Seiten auch? Auch gegen israelische Truppen?
Eisele: Im Falle, dass israelische Truppen die Waffenstillstandsabkommen, die eine Voraussetzung für ein solches Mandat wären, brechen würden, müsste auch gegen israelische Truppen Gewalt angewendet werden.
Durak: Könnten Sie sich vorstellen, Herr Eisele, dass Bundeswehrsoldaten an einem solchen Einsatz beteiligt werden und auf Israelis schießen?
Eisele: Es ist schwer vorstellbar. Auf der anderen Seite gibt es natürlich keine generellen Gründe, die Deutschland von der Beteiligung an Friedensmissionen ausschließen würden. In diesem Falle ist die wichtigste Voraussetzung aber für ein überzeugendes Mandat eine politische Übereinkunft zwischen den Streitparteien, in diesem Falle in erster Linie also dem Staat Libanon und dem Staat Israel, die beide ja dieser Stationierung zustimmen müssten. Die Hisbollah ist dabei selber als ein internationaler Partner nicht gefragt, weil sie kein Völkerrechtsobjekt sind.
Durak: Möglicherweise könnte ja Syrien helfen, auf die Hisbollah einzuwirken. Der amerikanische Präsident wurde ja unabsichtlich gehört, als er sich dazu geäußert hat. Vielleicht ist ja die Überlegung, eine UNO-Truppe zu stationieren, der zweite Schritt vor dem ersten. Noch sind alle diplomatischen Bemühungen nicht ausgereizt, oder?
Eisele: Das muss man wohl so sehen. Blauhelme sind ja keine Kriegsführungspartei, die also mit Gewalt die Beendigung der Feindseligkeiten erzwingen könnten. Sondern sie wären eine militärische Macht zur Stabilisierung einer politischen Entscheidung. Und dieser politischen Entscheidung müssen die Regierungen aller beteiligten Staaten, im Falle des Libanon und Israels auch des mitbeteiligten Syriens, zustimmen.
Durak: Halten Sie denn die beteiligten Staaten, die sich noch nicht gemeldet haben - Also welche Staaten, anders herum gefragt, welche Staaten halten Sie denn für militärisch, finanziell, materiell, personell, in der Lage, diese Blauhelmmission stark zu machen?
Eisele: Seit Jahrzehnten, das heißt seit 1978, beteiligen sich in erster Linie weit entfernte Staaten an dieser Blauhelmtruppe, weil ja auch nur leichtbewaffnete und sparsam ausgestattete Truppen bisher, unter den Bedingungen des gegenwärtigen Mandats, erforderlich sind.
Durak: Das ginge aber jetzt nicht mehr.
Eisele: Also etwa Fidschi-Insulaner, Nepalesen. Und die sind trotz ihres persönlichen Engagements natürlich nicht diejenigen politischen Kräfte, deren Präsenz man sich da erhoffen würde. Grundsätzlich könnte man sagen, alle Staaten des politischen Nordens wären in der Lage, die notwendigen Kräfte verfügbar zu machen.
Durak: Bodentruppen hat Annan gesagt. Reicht das?
Eisele: Ja, Bodentruppen, das schließt eindeutig natürlich die dritte Dimension, das heißt luftbewegliche Möglichkeiten durch Hubschrauber, unter Umständen auch Kampfhubschrauber, ein. Ja, Bodentruppen sind das, was man dort benötigen würde.
Durak: Ist die Gefahr groß, dass die internationale Gemeinschaft über ihre Blauhelmtruppen plötzlich in einen Krieg mit einer der beteiligten Seiten gerät?
Eisele: Eigentlich nicht. Es hat in der Vergangenheit ja eine überaus erfolgreiche Interventionstruppe der Vereinten Nationen gegeben, die allererste Blauhelmtruppe überhaupt, die 1956 bis 1967 zwischen Ägypten und Israel stationiert war. Und in dem Moment, als die arabischen Nationen sich zu einem Angriff auf Israel gerüstet haben, haben sie die Zustimmung zum Mandat der Blauhelme entzogen. Und die Blauhelme mussten abziehen, als es eben tatsächlich zu kriegerischen Auseinandersetzungen kam. So ähnlich würde sich das wohl auch bei einer Eskalation der Lage zwischen dem Libanon und Israel wieder darstellen. Die Blauhelme hätten dann ihren Auftrag verfehlt und müssten das Gelände verlassen.
Durak: Wenn politisch alles ruhig liefe, kurze Frage zum Schluss, wann könnte diese Truppe stehen, was denken Sie?
Eisele: Nun, ein erster Schritt wäre natürlich, die vorhandenen 2000 Blauhelme von UNIFIL, also dieser präsenten Blauhelmtruppe, mit einem neuen Mandat auszustatten. Aber dann müsste man sich darum bemühen, die derzeitigen Truppen, durch entsprechend besser ausgestattete und für den neuen Zweck vorbereitete Truppen nach und nach zu ersetzen.
Durak: Also Ende 2006?
Eisele: Das hielte ich durchaus für realistisch. Vorausgesetzt, der Sicherheitsrat sieht es als so dringlich an, dass er rasch zu einem entsprechenden Mandat kommt.
Durak: Dankeschön, Manfred Eisele, ehemals Beigeordneter des UNO-Generalsekretärs für Friedenseinsätze. Schönen Dank, Herr Eisele, für Ihre Einschätzung.
Eisele: Danke Ihnen, Frau Durak.