Montag, 06. Mai 2024

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Frangi schlägt Schutztruppe für Autonomiegebiete vor

Der Vorsitzende der Fatah im Gazastreifen, Abdallah Frangi, hat die Entsendung einer UNO-Schutztruppe im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern angeregt. Das Misstrauen zwischen beiden Lagern sei so groß, dass eine Pufferzone nötig sei, sagte Frangi. Dies könne nur von einer UNO-Schutztruppe geleistet werden.

Moderation: Silvia Engels | 18.07.2006
    Silvia Engels: Nun wollen wir in den Gazastreifen schauen, denn auch dort wurde in den vergangenen Tagen gekämpft. Gegner sind hier die israelische Armee und palästinensische Milizen. Am Telefon ist Abdallah Frangi. Er war lange Zeit Repräsentant der Palästinenser in Deutschland und ist nun Chef der früheren palästinensischen Regierungspartei El Fatah im Gazastreifen. Guten Morgen, Herr Frangi!

    Abdallah Frangi: Guten Morgen, Frau Engels!

    Engels: Wie ist die Situation heute früh in Ihrer Region?

    Frangi: Wir hatten auch die ganze Nacht überall israelische Angriffe, vor allem im nördlichen Teil, in Beit Hanun, und ich werde jetzt gleich gucken, was diese Angriffe hinterlassen haben. Auf jeden Fall die Zahl der palästinensischen Toten seit drei Wochen ist knapp 150 geworden, und wir haben etliche Verletzte. Und natürlich die Entwicklung in dem gesamten Gazastreifen, dass der Gazastreifen völlig abgeriegelt ist von der Welt, ist sehr schlimm. Also es fehlt an Wasser, Strom, Medikamente, und manche Ministerien sind auch zerbombt, und die Brücken sind zerbombt, das Elektrizitätswerk ist zerbombt. Wir haben keinen Strom. Es ist soweit, dass man sagen kann, wir leiden darunter und nicht nur ein oder zwei oder drei Leute von den Milizen, sondern 1,5 Millionen Menschen.

    Engels: Der jüngste Auslöser für den israelischen Vormarsch im Gazastreifen war ja die Entführung eines israelischen Soldaten durch palästinensische Milizen. Haben Sie Informationen über mögliche Lebenszeichen dieses Soldaten?

    Frangi: So viel ich weiß, der Soldat lebt, und der Soldat ist jetzt bei Hamas, und die ganze Zeit war er bei Hamas. Hamas hat diese Politik gemacht, weil sie auch wiederum ausgerückt haben die Angriffe der Israelis, die nicht aufgehört haben in den letzen, sagen wir zwei, drei Monaten. Wissen Sie, die Welt beschäftigt sich ja mit dem israelischen Soldaten, aber man hat auch Bilder gesehen vorher schon, bevor dieser Soldat entführt worden ist und bevor diese Aktion von Hamas stattgefunden hat. Man hat gesehen, dass etliche Zivilisten am Strand durch die israelische Luftwaffe und durch die israelischen Kanonen zerfetzt worden sind, und die meisten waren Zivilisten. Das heißt, wenn ich von dem Präsidenten gehe, dann nimmt die Weltöffentlichkeit nicht so viel Teil am Leiden der Palästinenser. Wenn ein israelischer Soldat betroffen ist, oder ein israelischer Zivilist, dann ist die Aufregung sehr groß, so dass der amerikanische Präsident und die acht Großen in der Welt sich fast nur damit beschäftigen.

    Engels: Diese Tragik ist gewiss zu beklagen, allerdings hat Israel ja keinen Zweifel daran gelassen, dass ein Waffenstillstand, auch was den Gazastreifen angeht, vor allem mit der Freilassung nun eben dieses entführten israelischen Soldaten zusammenhängt. Sie haben ja nun als Fatah-Bewegung Kontakte zur Hamas. Können Sie da vielleicht etwas bewegen um diesen ersten, ganz wichtigen Schritt zu vollziehen?

    Frangi: Wir haben von Anfang an versucht, Einfluss auf Hamas zu nehmen. Wir haben auch mit Unterstützung der ägyptischen Diplomaten, die hier in Gaza sind und mit Unterstützung vom ägyptischen Präsidenten, aber die Entwicklung hat sich jetzt in eine andere Richtung zwangsweise entwickelt, weil Hamas nicht darauf reagiert hat bei uns und weil sie wahrscheinlich eine andere Politik betreiben wollen. Und jetzt kommt die Ausweitung dieses Konfliktes in den Libanon. Man sieht wie schlimm die Entwicklung sein wird, wenn man das Palästina-Israel-Problem nicht lösen kann, friedlich nicht lösen kann.

    Engels: Hat denn die El Fatah irgendwelche Möglichkeiten Druck auszuüben, dass diese Freilassung vorankommt?

    Frangi: Ich glaube, wir werden weiterhin durch politische Gespräche Hamas davon überzeugen, dass der bessere Weg wäre, wenn wir mit den Israelis so schnell wie möglich verhandeln. Die Türken haben sich angeboten. Die Ägypter haben sich angeboten. Natürlich Hamas besteht darauf, dass die Frauen, die im Gefängnis sitzen und die Kinder, die im Gefängnis in Israel sitzen, dass die freigelassen werden.

    Engels: Herr Frangi, UN-Generalsekretär Kofi Annan hat ja angeregt, die UN-Schutztruppe im Süden des Libanon auszuweiten, das Mandat gegebenenfalls zu verändern. Wäre das eine Möglichkeit, die auch dem Gazastreifen helfen könnte?

    Frangi::Ich habe seit sehr langer Zeit dafür plädiert. Ich glaube, wir und die Israelis, wir sind unfähig jetzt miteinander zu verhandeln. Die Israelis lehnen die palästinensische Regierung ab, und ich glaube, wir brauchen diese Hilfe. Wir haben diese Hilfe schon 1956 erlebt, und es hat Wirkung zehn Jahre lang gehabt. Wir haben auch diese Truppe, die internationale Schutztruppe schon damals, als sie im Libanon stationiert waren, und es gab auch danach einen Erfolg. Ich glaube, das Mistrauen und der Hass zwischen den Israelis und den Palästinensern ist so groß, dass wir einfach eine Pufferzone haben müssen, und die kann nur von der UN-Schutztruppe geleistet werden.

    Engels: Letzte Einschätzung zum Schluss: Glauben Sie, dass es bald zur Freilassung, zumindest des Soldaten im Gazastreifen kommt und folglich vielleicht zu einer gewissen Beruhigung?

    Frangi: Es sieht nicht danach aus. Ich fürchte, dass die Entwicklung noch viel brutaler sein wird, ich glaube erst einmal zwei, drei, vier Tage noch, bis der Einsatz der sagen wir UNO und des Weltsicherheitsrates und der Zuständigen (Anmerk. der Red.: im Folgenden unverständlich). Ich glaube, die USA hat an Glaubwürdigkeit und an politischem Gewicht verloren in dieser Region und mehr und mehr sieht man, dass die Russen mehr zu sagen haben in dieser Region. Und ich glaube, das ist eine Chance, die die USA versäumt hat. Die USA hätten ein bisschen mehr Einsatz geben können, und sie hätten auch die Palästinenser und die Israelis zu einem Abkommen bringen können. Wenn der Einsatz vom amerikanischen Präsidenten Bush zum Beispiel so ähnlich oder in der Nähe von dem Einsatz des damaligen Präsidenten Clinton wäre, dann glaube ich hätten wir diesen Krieg oder dieser Krieg wäre dann (Anmerk. der Red.: im Folgenden unverständlich).

    Engels: Abdallah Frangi, der Chef der Al Fatah im Gazastreifen. Ich bedanke mich für das Gespräch!

    Frangi: Danke auch.