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Expo 2015 in Mailand
Lukrative Geschäfte für die Mafia

Die Weltausstellung kommt in einem Jahr nach Mailand. Gebaut wird viel, Milliarden fließen - ein lukratives Geschäft auch für Italiens Mafiafamilien. Und so kommt es im Vorfeld der Expo immer wieder zu Skandalen um Korruption, Vetternwirtschaft und Betrug.

Von Kirstin Hausen | 27.03.2014
    Presslufthammer, Baukräne, Gerüste überall – Rho, ein Vorort von Mailand, ist eine riesige Baustelle. Hier entsteht das Gelände der Expo Weltausstellung 2015, hier wird gearbeitet ohne Unterlass, denn die Mailänder sind spät dran. Am 1. Mai kommenden Jahres muss alles fertig sein. Schon mehrfach standen die Arbeiten still wegen Unregelmäßigkeiten bei der Auftragsvergabe, Korruption und Infiltration von Bauunternehmen, die durch die kalabrische Mafiaorganisation Ndrangheta kontrolliert werden. Für den Gewerkschafter Franco di Alessandri hat die Expo Mailand bisher viel Geld und viel Kriminalität gebracht.
    "Ermittlungen belegen, dass Abgesandte aus Kalabrien nach Mailand geschickt wurden, um hier Vorbereitungen zu treffen für das große Geschäft mit der Expo 2015. Ohne großes Aufsehen zu erregen, haben sich hier bei uns Mitglieder der Ndrangheta niedergelassen, noch dazu Hochqualifizierte mit guten Manieren, die ihre Hände nach den öffentlichen Bauaufträgen ausstrecken, die mit diesem Großereignis verbunden sind."
    Gelder in zweistelliger Milliardenhöhe sind für die Expo 2015 nach Mailand geflossen, darunter eine Milliarde aus dem Ausland. Neben dem Bau des Messegeländes sind Infrastrukturprojekte finanziert worden, die der Wirtschaftsmetropole Mailand und dem produktiven Umland auch nach der Expo nützen sollen. Straßen, Zufahrtswege, Zugtrassen, und die Mailänder U-Bahnlinie wurde bis Rho verlängert.
    Für die Vergabe der Bauaufträge ist die Region Lombardei zuständig, die dafür eigens eine Gesellschaft gegründet hat. Ihr Chef sitzt seit einer Woche in Untersuchungshaft, gegen ihn und weitere acht hohe Angestellte wird ermittelt. Sie sollen unter anderem Beraterhonorare in Höhe von 224 Millionen Euro genehmigt haben, die allein dazu dienten, Ausschreibungen auf bestimmte Firmen zuzuschneiden. Firmen, die teilweise zum ersten Mal in der Lombardei aktiv geworden sind. Noch einmal der Gewerkschafter Franco di Alessandri:
    "In den Verhandlungen über Lohntarife und Ähnliches saßen uns Leute gegenüber, die wir nie zuvor in der Baubranche gesehen hatten und die seltsame Berater dabei hatten. Manche waren gut in diesen Verhandlungen, manche waren aber auch völlig unfähig. Das waren meiner Ansicht nach Strohmänner."
    Kosten für den Bau werden gedrückt
    Strohmänner der Ndrangheta. Die Baubranche ist ein lukratives Geschäft für die Mafiafamilien. Sie sichern sich die Aufträge, indem sie die Verantwortlichen für die Vergabe bestechen, oder – wenn das nicht klappt - bedrohen. Und dann schlagen sie die zusätzlichen Kosten auf den Endpreis auf. Außerdem drücken sie die Kosten für die Bauten, indem sie qualitativ schlechtes Baumaterial verwenden und Schwarzarbeiter schuften lassen statt regulär angestellte Arbeiter.
    Die Mailänder Staatsanwältin Ilda Boccassini kennt sich mit den Methoden der organisierten Kriminalität aus. Sie hat Jahre lang in Palermo gegen Cosa Nostra ermittelt und die jüngsten Verhaftungen in Zusammenhang mit der Expo 2015 veranlasst. Ohne Verbindungen in die Politik könnten die Kriminellen nicht so agieren wie sie es in der Lombardei tun, erklärt sie.
    "Im Unterschied zur Cosa Nostra, die linke Parteien hasst, ist die Ndrangheta politisch neutral. Sie unterstützt jeden Politiker, der ihr bei ihren Geschäften hilft."
    Und sie hat sich im Umland von Mailand ein Netz von Verbindungsleuten zu Politikern aufgebaut. Sie bezahlt teure Wahlkampagnen und erwartet dafür Gegenleistungen. Das ist den wenigsten Bürgern bekannt. Erst wenn es zu Festnahmen kommt, schrecken viele auf. Wie in Buccinasco, wo der Bürgermeister und zwei Gemeinderäte wegen Korruption verhaftet wurden und inzwischen vor Gericht stehen.
    Für Mailands Bürgermeister Giuliano Pisapia, der mit dem Versprechen kandidiert hatte, die Arbeiten zur Expo 2015 sauber zu halten, sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft kein schlechtes Zeichen.
    "Zum Glück gibt es diese Ermittlungen. Nur so haben wir die Sicherheit, dass Kontrollen durchgeführt werden."
    Die Bauarbeiten in Rho gehen unvermindert weiter. Denn bis zur Eröffnung der Weltausstellung am 1. Mai 2015 muss alles fertig sein. Auch das hatte Giuliano Pisapia den Mailändern im Wahlkampf versprochen.