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Extreme Gefühle (1/2)
Das Lachen der Anderen

Wir alle lachen anders und über andere Dinge, je nach Geschlecht oder sozialer Zugehörigkeit. Und nicht alle Comedians, Kabarettisten oder Dramatiker haben denselben Humor. Ein Essay, der einfängt, was oft aus uns herausbricht: das Gelächter.

Von Kerstin Hensel | 26.04.2020
Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) scherzte 2012 neben seiner Tochter Susanne Schmidt mit den Kindern in der Turnhalle der Loki-Schmidt-Schule in Hamburg.
Gemeinsam lachen kann verbinden (dpa / Marcus Brandt)
Seit Urzeiten der Menschheit hat das Lachen für Stimmung wie für Missstimmung in der Gesellschaft gesorgt. Je nachdem, wer das Lachen auslöst, gegen wen es zielt und wen es schließlich trifft, kann es von Waffe bis zur Besänftigung fast alles sein. Bei Dieter Nuhr lachen andere als bei Jan Böhmermann, bei Shakespeare klingt es derber als bei Aristoteles. Vom erleuchtet-beseelten Lächeln des Heiligen bis zum Lachkrampf beim Slapstick, vom psychischen Befreiungsschlag bis zur vernichtenden Diskriminierung reicht das Spektrum.
Die einen forcieren die Spaßgesellschaft, die anderen raunen von Lachverboten, die dritten gehen zum Lachen in den Keller. Deutlich unterscheidet sich das Lachverständnis von Männern und Frauen - genauso wie das von Moralwächtern und Comedians. Zweierlei jedoch steht fest: Lachen ist menschlich. Und man lacht nicht, wenn man soll, sondern wenn man muss!
Kerstin Hensel, Jahrgang 1961, ist Professorin für Poetik an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch” in Berlin. Als Autorin hat sie zahlreiche Gedichte, Romane und Essays geschrieben. Im März 2020 erschien die jüngste Novelle „Regenbeins Farben”.
(Teil 2 am 1.5.2020)

"Treffen sich ein Blinder und ein Tauber. Sagt der Taube: 'Ey, ich kann keine Behindertenwitze mehr hören.' Sagt der Blinde: 'Sehe ich genauso.'"
Das ist nicht lustig.
Ich lach mich kaputt. Ich lach mich schief!
Flachwitz!
Ich lach mich schlapp!
Darüber sollst du nicht lachen!
Ich lach' mich kringelig, krank, krumm!
Lach nicht so laut!
Ich lach mir mein' Arsch ab!
Hör auf zu lachen.
Selten so gelacht!
Warum lachst du eigentlich?
Warum lachst du nicht?
Das ist die Frage.
Expertengespräch: Mann und Frau übertrumpfen sich mit Wissen.
Ich lache gern. Ich fühle mich danach erfrischt, gereinigt, mutig, schmerzbefreit und Miesepetern überlegen. Lachen ist gesund, die beste Medizin gegen Trübsal, Einsamkeit und Angst. Glückshormone gegen Stresshormone! Ich kann nur nicht immer über das lachen, worüber du lachst, und du nicht über das, was ich komisch finde.
Das finde ich echt komisch. Lachen ist den Menschen angeboren. Es ist ein Reflex, ein natürlicher Gemütszustand, für den das Gehirn sogar ein eigenes Lachzentrum vorgesehen hat.
Die Vielfältigkeit des Lachens
Lachen gilt als komplexes Phänomen. Den Wissenschaften Medizin, Philosophie, Pädagogik, Psychologie oder Verhaltensforschung dient es als beliebter Forschungsgegenstand. Allein die Vielfalt, in der das Lachen auftritt, ist enorm: grell, schrill, sanft, dünn, albern, breit, laut, leise, kichernd, grölend, verhalten, frostig, sanft, warm, still, schneidend, schallend, gemein, müde, ausgelassen, spöttisch, traurig, unheimlich, herzlich, höhnisch, zynisch …
Religionen, klassische Kunst und Hochliteratur haben sich lange damit schwergetan. Sie mieden das Lachen, wenn es über das beseelte Lächeln hinausging. Heute, in unserer Spaßgesellschaft, muss alles zwanghaft lustig sein.
Ursprünglich war Lachen eine Drohgebärde. Der Lachende zeigte dem Angreifer die Zähne und, wenn sein Gebiss kein Steinbruch war, galt er als gesund und widerstandsfähig. Aus Respekt wich der Feind zurück, die Gefahr war gebannt, die Sippe erleichtert. Lachen hat etwas mit dem Zusammenhalt innerhalb einer Gruppe zu tun. Kein Mensch lacht gern allein! Lachen steckt an, verbindet, stärkt die Gemeinschaft. Lachen ist hedonistisch, was der Urvater des modernen Comics, Wilhelm Busch, bestätigt:
"Lacher gibt’s vom Trottel bis zum Teufel."
Von Verlegenheit über Albernheit bis Schadenfreude
Selbst in humorgebremsten Milieus wie unter Philosophen, Politikern, Bestattern oder Rohköstlern kommen Ausfälle von Belustigung vor. Das geschieht meistens dann, wenn das eigene festgefügte Denkgebäude plötzlich Risse bekommt. Je ernster die Lage, desto lauter das Gelächter.
Oder je banaler. Ich erinnere mich an meine Schulzeit, wo wir im Unterricht bei jeder Kleinigkeit in despektierliches Gekicher ausgebrochen sind. Wir konnten nicht aufhören damit. Es hat uns geschüttelt. Diese Krämpfe von Albernheit haben uns mehr gestärkt und ermuntert als zehn Sportstunden. Zur Strafe mussten wir in der Ecke stehen und uns schämen, was uns noch viel mehr zum Lachen gebracht hat.
Das berühmteste Gelächter lässt der sagenhafte Griechendichter Homer in seinem Versepos "Ilias und Odyssee" die Götter anstimmen. Anlass war der hinkende Gott Hephaistos. Der hatte seine Gattin, die schöne Aphrodite, die ihn mit Ares betrog, zusammen mit diesem in einem unsichtbaren Netz aus Blitzen gefangen und über seinem Ehebett arrestiert. Das fanden die anderen Götter so komisch, dass sie in heftiges Gelächter ausbrachen, was hernach als "homerisches Gelächter" deklariert wurde.
"Jetzo standen die Götter, die Geber des Guten, im Vorsaal;
Und ein langes Gelächter erscholl bei den seligen Göttern,
Als sie die Künste sahn des klugen Erfinders Hephaistos."
Für Sterbliche klang deren Lachen wie ein Donner. Freilich ist nicht ganz klar, über wen und was gelacht wurde: über Hephaistos‘ Künste oder über seine Tragik? Hephaistos selbst hat nicht mal die Lippen gekräuselt. Er fand seine Situation überhaupt nicht witzig: ein Krüppel, von der Liebsten betrogen, von den Götterkollegen verlacht, das heißt ausgegrenzt und somit im eigenen Gottsein begrenzt. Das schlägt aufs Gemüt, nicht aufs Zwerchfell. Der Behindertenwitz vorhin war für mich ebenso ein Blindgänger.
Ich fand ihn lustig.
Das ist der Punkt, an dem es spannend wird: Wer lacht über wen oder was? Der Satiriker Jan Böhmermann, der auf einige, durch politische und sprachliche Unartigkeiten ausgelöste Skandale zurückblicken kann, erklärt sich wie folgt:
"Es gibt einfach Dinge, wo der Spaß aufhört, nämlich bei den Sachen, wo bei mir der Spaß anfängt."
Nur Menschen lachen - aber nicht alle
Wo fängt der Spaß eigentlich an? Zunächst ist Lachen tatsächlich ein Reflex, der durch physische oder psychische Reize ausgelöst wird. Das Lachen einer Person, die gekitzelt wird, ist anders als das Lachen, das durch die Pointe eines Witzes oder durch das Erkennen einer komischen Situation entsteht. Johann Nestroy meint:
"Die Welt ist voll trauriger Gegenstände, die einen ein Lacher kosten und voll lustiger Sachen, wo man mit Gusto weint dabei."
Lachen ist vor allem eines: menschlich. "Von den Lebewesen lacht allein der Mensch", sagt schon Aristoteles. Erwiesenermaßen hat er Recht, doch der Hang des Menschen zum Anthropomorphismus lässt den Menschen glauben, Lachmöwen, kreischende Papageien, glucksende Primaten, quietschende Delfine oder kichernde Hyänen können – als Ausdruck ihrer Lebensfreude – lachen. Diese scheinbaren Lachgeräusche entstehen jedoch meistens aus Angst oder Nervosität.
Es gibt allerdings auch humorlose Menschen, denen das Lachen ausgetrieben wurde oder in denen es gar nicht erst entstehen darf. Das sind mit radikaler Frömmigkeit Beladene, Fundamentalisten, Hardcore-Ideologen oder andere Fanatiker. Humor und Komik in all ihren Spielarten stehen bei ihnen im Verdacht, ein Teufelswerk zu sein. Der Verdacht hat Gründe, denn Lachen ist nicht nur eine spontane Reaktion auf eine erheiternde Lage, sondern kann auch als Waffe dienen – im Guten wie im Argen. Hämisches, demütigendes, verletzendes, ehrabschneidendes Lachen hat schon manchen zum Außenseiter gemacht, vor allem, wenn dieser sich nicht selbst mit der Lachwaffe wehren konnte.
Lachen ist archaisch - und anarchisch
Zeige mir, worüber du lachst, und ich sage dir, wer du bist! Im Lachen liegt nämlich der Schlüssel, mit dem wir den ganzen Menschen aufschließen. Heinrich Heine schrieb vor 200 Jahren folgendes Sonett, das davon handelt, wie er seinem Überdruss an einer geistlosen, eitlen Gesellschaft mit verzweifeltem Lachen zu entkommen versucht:
"Ich lache ob der abgeschmackten Laffen,
Die mich anglotzen mit ihren Bocksgesichtern;
Ich lache ob den Füchsen, die so nüchtern
Und hämisch mich beschnüffeln und begaffen.
Ich lache ob der hochgelahrten Affen,
Die sich aufblähn zu stolzen Geistesrichtern;
Ich lache ob den feigen Bösewichtern,
Die mich bedrohn mit giftgetränkten Waffen.
Denn wenn des Glückes hübsche Siebensachen
Uns von des Schicksals Händen sind zerbrochen,
Und so zu unsern Füßen hingeschmissen;
Und wenn das Herz im Leibe ist zerrissen,
Zerrissen und zerschnitten, und zerstochen –
Dann bleibt uns doch das schöne gelle Lachen."
Lachen ist nicht nur archaisch, sondern auch anarchisch. Es stellt Autoritäten in Frage, verneint Respekt, Pathos und falsche Ehrbezeugung. Machtinhaber spüren, wie die Äste, auf denen sie sitzen, abzubrechen drohen, sobald über sie gelacht wird. Das macht ihnen Angst, und sie versuchen, Hohn und Heiterkeit von sich abzuleiten. Das führt nicht selten zum Kampf um die Lach-Rechte. In Umberto Ecos Roman "Im Namen der Rose" nimmt zum Beispiel der Klosterbibliothekar lieber die Zerstörung seiner Bibliotheksschätze in Kauf, als dass er die darin enthaltene einzige Kopie der Komödientheorie von Aristoteles der kirchlichen Kontrolle entzogen wissen will. Von Aristoteles stammt nämlich die Erkenntnis, dass die Komödie Ängste ausräumt, in dem sie das Lachen erregt. Gemeint ist dabei das Lachen der Vernunft über die Unvernunft, der Klugheit über die Dummheit und das Lachen über sich selbst. Die Grundlage des Komischen bildet der Kontrast zwischen der Dummheit, die komisch wirkt, und dem Klugen, dem sie komisch erscheint. Ganz wie Emile Zola notierte:
"Lachen ist eine Macht, vor der die Größten der Welt sich beugen müssen."
Klerus und Lachen vertrugen sich nicht
So etwas hört man natürlich auf der Ebene von Göttern, Königen oder Meinungsführern höchst ungern. "Schluss mit Lustig!" tönte es schon in der Spätantike, wenn irgendwer durch Spott oder Satire heilige Ideengebäude anzugreifen versuchte. Lachen, donnerten die Kleriker, sei ein Zeichen von Beschränktheit und Sünde. Es störe Demut und Askese. Erstrebenswert seien nur spirituelle Wahrheit und Schönheit, und darüber lacht man nicht! Wie gut, dass vor dieser Zeit wenigstens Zeus und seine Mitgötter lachen konnten, sogar über sich selbst. Auf dem Olymp muss es mitunter recht fröhlich zugegangen sein.
Und wie traurig, dass die humoristische Theologie der Antike von der pathetischen Theologie des Christentums abgelöst wurde. Das Leiden Christi forderte tränenreiche Bekenntnisse und Gebete. Leid aber begrenzt das Dasein des Menschen, Lachen erweitert es. Letzteres war für die Herren der Kirche keine Option. Der Klerus wollte den Ernst. Das Volk, die sogenannten "ungebildeten Stände", aber verteidigte seine weihrauchfreien Zonen. Da riss es Zoten und Witze.
Ja, für streng geistlich Erzogene und moralisch Eingeschnürte galt Lachen als unschicklich. Entgleiste Gesichtszüge, wie beim Affen? Satanisch! Seht nur die Fratzen der Ungläubigen! Allein den Heiligen im Paradies war Lachen erlaubt – wohlgemerkt: das selige, nicht das befreiende, spöttische oder gar verletzende Lachen. Bis zum zehnten Jahrhundert galten in den Klöstern strenge Lachverbote. Erst danach lockerte sich die Einstellung. Die Scholastiker unterschieden immerhin zwischen moralisch gutem und verwerflichem Lachen. Das trifft sich mit Aristoteles, der meint, dass das Lachen, wenn es artig und gewandt auftrete, eine erfrischende "Bewegung des Charakters" darstelle.
"Was darf die Satire? - Alles!"
Da hätte sich unser Herr Böhmermann, bevor er seinen gereimten Erdoğan-Schmäh über dessen angebliche Liebe mit Paarhufern zu Papiere gelassen hat, mal vorher bei Aristoteles philosophischen Rat einholen sollen.
Warum hat sich die halbe Welt, einschließlich der türkische Autokrat, darüber nur so aufgeregt? Solcherart Rüpelei hat man schon vor über 2.000 Jahren als Keule gegen unliebsame Zeitgenossen eingesetzt. Zum Beispiel der berühmte Veroneser Dichter Catull, der die Gebaren eines gewissen Furius lächerlich machte:
"Furius, euer Körper ist so trocken
Wie ein Horn und zusammengeschrumpelt. (…)
Kein Schweiß, keine Spucke; in der Nase
keinen Rotz, also hast du niemals Schnupfen;
und der Gipfel der Sauberkeit ist schließlich,
dass dein Arschloch so rein ist wie ein Salznapf:
höchstens zehnmal im Jahr gehst du scheißen –
härter als eine Bohne und ein Steinchen."
Für mich klingen solche Fäkallyrismen geschmacklos und zynisch. Ich halte es da mit H.G. Wells:
"Zynismus ist Humor in schlechtem Gesundheitszustand."
So etwas gehört nicht in den Bereich intelligenter Satire. Ebensowenig wie das vom WDR‑Kinderchor geträllerte Liedchen "Meine Oma ist 'ne alte Umweltsau", das eine nationale Empörungskrise ausgelöst hat.
Das war auch keine Satire, sondern die Verballhornung eines Kinderliedes, das – wie beim Meister der ironischen Dichtung Peter Rühmkorf nachzulesen ist – dem "Volksvermögen" angehört. Jeder Opel-Popel-Reim aus dem Genre Gassenpoesie ist respektloser als dieser zeitgeistforcierte Oma-Gag. Es gab eine Zeit, da durfte man solcherart parodistische Entweihung zwar simpel, dennoch lustig finden. Heute, in der überempfindlichen Social‑Media‑Öffentlichkeit, wird jede noch so banale Metapher bierernst und wörtlich genommen und als persönlicher Angriff verbucht. Was für eine verkümmerte Fantasie! Da muss ich, auch wenn es schon tausendmal getan wurde, Kurt Tucholsky die Ehre erweisen:
"Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel."
Und er beendet seinen Aufsatz "Was darf die Satire?" mit einer weltberühmten Antwort: alles.
Ansichtssache. Außerdem war das Umweltsau-Lied kein politischer Witz, schon gar kein guter.
Es gibt guten und schlechten, geistreichen und flachen Humor. Doch immer lebt er von Klischees. Wer diese nicht kennt, kann darüber nicht lachen.
Wer sie allzu schnell durchschaut, auch nicht.
Gehst du zum Lachen in den Keller?
Nein. Aber wer zuletzt lacht, lacht am besten.
Wer zuletzt lacht, hat es nur nicht eher begriffen.
Witz und Humor war dem Mann vorbehalten
Ob man nun über Catull, Böhmermann, Mario Barth, Mister Bean, Gerhard Polt, Loriot, Kurt Krömer, Otto, Dieter Nuhr, Woody Allen, Buster Keaton, Charlie Chaplin oder Shahak Shapira lachen kann oder nicht, hängt von der jeweiligen Erziehung ab, von Bildung, Weltsicht und der Gemeinschaft, in der man lebt.
Und vom Geschlecht! Jetzt fällt mir auf: Wir reden immer nur von Männern. Offenbar haben wir Männer das Lachen erfunden und gepachtet.
Scheint so. Beim Weibe, hieß es, vermutete man keinen Witz. Unfreiwillige Komik, wie sie die schlesische Dichterin Friederike Kempner oder die amerikanische Amateursängerin Florence Foster Jenkins ihrem vor Vergnügen johlenden Publikum schenkten, galten als maximaler Höhepunkt.
Die Frau und der Höhepunkt … höhö!
Siehst du: Der Verdacht auf Unschicklichkeit liegt sofort nahe! Prustendes Lachen, Derbheit, Anzüglichkeiten … bloß nicht vom zarten Geschlecht! Lachen steht ja im Zusammenhang mit physischer und verbaler Aggressivität. Das wird nun mal Männern zugeschrieben. Spaßmacher legen Dominanzverhalten an den Tag. Und das ist erotisch. In jeder zweiten Kontaktanzeige von Frauen steht: "Suche Mann, der mich zum Lachen bringt." Umgedreht gibt’s das selten.
Lachlustige oder lachreizende Frauen gelten also als unsexy. Ich weiß nicht, ob mich das überzeugt. Aber gut, früher …
Früher wurde dem Weiberlachen etwas Diabolisches, also Bedrohliches zugeschrieben.
Okay, so sahen es die mürrischen Herren der Schöpfung.
Margaret Atwood sah es so und sagte: "Männer haben Angst, dass Frauen sie auslachen. Frauen haben Angst, dass Männer sie umbringen."
Weiland hattet ihr das Bild von Eva oder Maria zu erfüllen, und wenn‘s euch mal zum Lachen war, hat man euch sinnliche und unbeherrschte Lebensweise vorgeworfen. Da war der Verruf als Hexe nicht fern.
Hexen hatten zwar was Närrisches an und in sich, aber der wirkliche Narr blieb männlich eingerichtet. Die Literatur- und Theatergeschichte beweist: komische Figuren waren in jeder Kultur ausschließlich männlich: Hof- und Jahrmarktsnarren, Till Eulenspiegel, Nasreddin, Hanswurst, Kasperl –
Aber es gab Frauenrollen in Schwänken, Lustspielen, in Operetten!
Wann haben sie je die Handlung bestimmt? Stets sind sie männlichen Komikern beigeordnet, als zänkische Gattinnen, gewiefte Dienstbotinnen, schalkhafte Mädchen und dergleichen. Kurz: Es gab große Tragödinnen, aber keine großen Komödiantinnen. Genauso wenig kannte man weibliche Clowns. In der Filmgeschichte sieht es kaum anders aus. Die bekannten Spaßproduzenten und -darsteller waren und sind Männer.
Im Kabarett der Weimarer Republik eroberten Frauen die Bühne. Claire Waldoff, Liesl Karlstadt ...
Liesl Karlstadt galt vor allem als Partnerin von Karl Valentin. In der Hochzeit des deutschen Kabaretts gab es keine komische Rampensau, sondern nur Rampeneber: Otto Reutter, Werner Fink oder satirische Männerbünde wie "Die elf Scharfrichter".
Einspruch! 1933 wurde in München das politische Kabarett "Die Pfeffermühle" gegründet, und zwar von zwei Schauspielerinnen: Therese Giehse und Erika Mann.
… und Thomas Mann war Namensgeber! Immerhin hatte das Publikum in der Vorkriegszeit überhaupt etwas zum Lachen. Obwohl oder weil man sah, dass die Welt aus einer Katastrophe kam und auf eine neue zusteuerte. Joachim Ringelnatz brachte es auf den Punkt:
"Humor ist der Knopf, der verhindert, dass einem der Kragen platzt."
Politische Zensur
1933 bekam er wie viele andere Auftrittsverbot. Nachdem die Nationalsozialisten sämtlichen spöttischen, polemischen und subversiven Witz verboten und die Künstler ins Exil oder, wie Kurt Tucholsky, in den Selbstmord getrieben hatten, durften nur noch volksdeutsche Witzeerzähler und antisemitische Fratzenschneider ihre Künste ausüben. Soldaten wurden mit sogenanntem "Fronthumor" versorgt, nach dem Motto: Spaß muss sein, auch im Schützengraben.
Dennoch gab es zahllose Witze gegen Hitler und seine Vasallen. Sie durften nur nicht vom Falschen gehört werden. Ein Flüsterwitz im Dritten Reich konnte das Leben kosten, doch genausogut zum Leben ermuntern.
"Zwei Irrenärzte begegnen sich. Der eine grüßt: Heil Hitler! – Darauf der andere: Heil du ihn!"
Nach 1945 hieß es zunächst: Spaß beiseite! Beiseite räumte man erst die Trümmer, dann begann es in der Öffentlichkeit langsam wieder ernsthaft heiterer zu werden – zumindest auf westdeutschen Kabarettbühnen. Die Namen, die damals Lachgeschichte schrieben: Heinz Erhardt, Wolfgang Neuss, Hanns Dieter Hüsch, Dieter Hildebrandt …
Frauen?
Nur am Rande.
Sah es in der DDR anders aus?
Da wurde gelacht wie überall auf der Welt. Nach Kriegs- und Nachkriegszeit war man begierig auf Zerstreuung und Vergnügen. Doch Komödiantisches, Kabarett, Karikaturen und so weiter waren ein staatlich genehmigtes Ventil. Das heißt: Hinter jedem Sketch lauerte der kulturpolitische Argwohn und übte eine entsprechend scharfe Zensur aus. Natürlich sollte der ostdeutsche Bürger lachen dürfen, nur möglichst über die Fehler des kapitalistischen "Klassenfeindes", nicht über die, die dem Realsozialismus zum Spott gereicht haben. Die Erfüllung des Lachbedürfnisses oblag, neben zahlreichen Berufs- und Laienkabaretts, vor allem populären TV-Komödianten wie Rolf Herricht, Hans-Joachim Preil, Eberhard Cohrs, Heinz Quermann, Helga Hahnemann …
Oh, eine Frau!
Nun ja, eine Ausnahme. Hahnemanns mutterwitzigen Entertainerhumor mochten viele DDR‑Bürger, weil sie sich darin wiedererkannten und wohlfühlten. Wie in jeder restriktiven Gesellschaft blühten in der DDR Witz und Spott, doch ein Satiriker von wirklichem Format konnte nicht gedeihen. So wurden ostdeutsche Komiker als Volkshelden verehrt, weil ihre Gags eine Spur Frechheit enthielten und damit einen Gran Freiheit bezeugten, obwohl sie selten die Grenze zum Verbotenen übertraten. Inwieweit politischer Humor öffentlich sein kann, ist immer ein präziser Gradmesser der Freiheit. Das ist heute nicht anders.
Böhmermann!
Oder Dieter Nuhr.
Das weibliche Lachen wird nicht mehr gezähmt
Um noch einmal auf die Frauenfrage zurückzukommen. Fakt ist: In den letzten 20 Jahren haben es etliche Damen ins Kleinkunst- und Comedy-Licht geschafft … Monika Gruber, Carolin Kebekus, Anna Mateur, die russische Clownin Antoschka ... ha! Endlich wird das weibliche Lachen nicht mehr gezähmt. Es darf sich ausleben …
… auch wenn das Publikum immer noch lieber lustige Männer auf der Bühne sieht als lustige Frauen. Deren Attraktivität ist und bleibt beschränkt, vor allem bei Komikerinnen, die sich als verschrobene Weibstypen inszenieren. Wer will schon einer schwäbischen Kittelschürzenhausfrau namens "Gerlinde Hellwein" oder der Ostberliner Arbeitslosengroßschnauze "Cindy aus Marzahn" beim Ablästern zusehen?
Tausende!
Sie wirken auf den ersten Blick billig, grob und ordinär.
Dann muss man sich halt den zweiten Blick gönnen. Solche Figuren verkörpern Anti-Heldinnen, mit denen sich viele Frauen identifizieren. Wenn sie über diese Typen lachen, lachen sie quasi über sich selbst.
Vielleicht verlachen sie sie, weil sie sich über die Figuren erhaben fühlen.
Wir alle lachen über menschliche Schwächen, wenn man uns mit ihnen ironisch oder satirisch den Spiegel vorhält. Allerdings, ich gebe zu: Es gibt Grenzen, Tabus, Dinge über die man einfach nicht lachen kann und darf.
Man lacht nicht, wenn man darf, sondern wenn man muss.
Wer lachen kann, behält die Oberhand
Kein Menschentyp wird vom Witz verschont: Behinderte, Schwule, Alte, Ostfriesen, Fritzchen, Türken, Tiere, Blondinen, Pfarrer, Politiker, Alkoholiker, Polizisten, Feministen, Ossis, Wessis, Wossis … und im schwarzen Humor gedeihen Witze über Unglück, Armut, Krankheit, Krieg und Tod. Der Lachreiz steckt in der Grenzüberschreitung, auch wenn er unter die Gürtellinie zielt.
Für mich gibt es aber etwas, über das es sich zu lachen verbietet: das absolut menschenverachtende Teuflische!
Der Teufel samt Hölle war schon im barocken Holzschnitt, im Wirtshauswitz oder im Karneval ein beliebtes Lachobjekt. Allerdings gibt es auch den intelligenten Teufel, den desillusionierten Ironiker: Goethes Mephisto, der, als es um Weltbetrachtung ging, Gott zum Vorwurf machte: er habe sich "das Lachen abgewöhnt".
Und Hitler?
Alles geht, wenn es gut gemacht ist. Das hat zum Beispiel Roberto Benigni in seinem Film "Das Leben ist schön" bewiesen. Und noch etwas: In Israel traf ich mal einen Holocaust‑Überlebenden. Der alte Mann erzählte, dass er sich in Psychotherapie befinde, und ein bewährtes Mittel für die Bewältigung seines Traumas sei Witzeerzählen über das erfahrene Grauen. Unfassbarer Schrecken kann durch Lächerlichmachen entlarvt werden. Ein jüdisches Sprichwort sagt:
"Bist du hungrig, so singe. Schmerzt dich etwas, so lache."
Wer lachen kann, behält die Oberhand. Lachen trifft an Grenzen und übertritt sie. Molière, der vor 400 Jahren die Komödie gesellschaftsfähig machte, forderte in tiefster Not:
"Schlagt mich meinetwegen, aber lasst mich lachen."
Wo gelten Humorverbote?
Dennoch stößt Lachen auf Tabus. Nicht nur das Verlachen des Fehlerhaften oder Bösen hat Gegner, auch Spott über Heilsbringer wird nicht gern gesehen. Bestes Beispiel dafür ist Jesus, der es im Laufe der Zeit in kultige Komikhöhen geschafft hat. Erinnert sei nur an Monty Python, die mit der Kreuzigungs-Satire "Das Leben des Brian" einen veritablen Shitstorm wegen Blasphemie und Vergackeierung des Gottessohnes erfahren durften.
Schlimmer trifft es Leute, die es wagen, Mohammed zu karikieren. Da reicht den Gegnern ein medialer Shitstorm nicht aus. 140 Menschen wurden in den letzten Jahren ermordet, weil sie das Tabu "Über den Propheten lacht man nicht" übertreten haben. Dagegen kann man es unter harmloser Neckerei verbuchen, wenn Greta Thunberg mal von einem Spaßvogel am Zopf gezogen wird. Doch jeden, der sich über Greta lustig macht, trifft heiliger Zorn. Macht unsere Heilige nicht lächerlich!
Dagegengehalten: In unserer lustigkeitsbetonten Gesellschaft vertragen viele Leute einfach nicht, dass Greta unironisch und ernst auftritt. Genau das reizt sie, das Mädchen zu verhöhnen. Im Gelächter über Greta muss man hören, wer da feixt – und worüber genau.
Humorverbote sind immer Zeichen von Unfreiheit, Dogma, Zwang und Angst. Dürfte und könnte man über Greta nicht lachen, wäre sie kein Mensch.
Das ist ja das Problem. Man hat aus ihr eine religiöse Heilsfigur gebaut. Religionen deklarieren Lachen als Unheil. Jede Religion tut das. Ganz ausgespart wurde es indes nie. Buddhistische Gelehrte etwa kennen sechs Formen des Lachens: vom gelassenen Lächeln bis zum brüllenden Gelächter. Buddha selbst wird oft als herzhaft lachend dargestellt. Dieser Ausdruck meint das Lachen als Ermunterung für seine Schüler: Sie mögen ihren Geist öffnen. Beim Dalai Lama heißt es:
"Wenn Leute lachen, sind sie fähig zu denken."
"Denken" meint natürlich: im Sinne der Religion zu denken.
Auch der Talmud empfiehlt seinen Lehrern, mit Humor in den Unterricht zu starten, um die Aufmerksamkeit der Schüler zu erlangen. Für den indischen Gott Shiva hingegen ist Lachen Ausdruck des kosmischen Spiels.
Schön, da kriegt das Lachen einen versöhnlichen Charakter. Aber das galt nur für Männer! Ob ZEN-Nonnen, muslimische, hinduistische, jüdische oder christliche Frauen – sie hatten in strengen Vorzeiten allesamt nichts zu lachen. Sie haben es trotzdem getan. Heute sind wir, der Aufklärung sei Dank, freier als je zuvor, auch wenn alte fanatische Gegenmächte gelegentlich zuschlagen.
Lachen ist unbezwingbar
Lachen ist vor allem eins: unbezwingbar. Aktuell gibt es zwei Tendenzen, die sich gegen das lebensstärkende Lachen richten. Einerseits mangelt es nicht an Lachangeboten, die uns die Krise der Gegenwart besser ertragen oder vergessen lassen wollen: Kicherkurse für Depressive, Lachyoga auf Trauminseln, Witzeclubs, Blödelshows, Politclowns, Comedys, Stand Ups oder sogenannte Roast Shows, wo man sich aufs Böseste beleidigt und nicht mehr einkriegt vor Lachen. Andererseits macht ein absurder Maßnamenkatalog Furore, der jegliche Kritik und Selbstkritik, komische Überzeichnung und den geringsten Spott über menschliche Schwächen und Fehler auf die Liste des Unstatthaften setzt. Dieser Katalog unterbindet das Lachen und hält eine sterile, fantasiefreie, gefühls- das heißt humorlose Gemeinschaft für den Gipfel der Zivilisation.
Da lachen wir doch drüber!
…und enden mit einem der schönsten Bücher über Macht und Gefährdung des Lachens, dem Roman "Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen" von James Krüss.
"Die Wette gilt, mein Herr! Doch glaube mir:
Das Lachen unterscheidet Mensch und Tier.
Und man erkennt den Menschen stets daran,
dass er zur rechten Stunde lachen kann."