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F. Scott Fitzgerald: "Für Dich würde ich sterben"
Scheitern als Material fürs Schreiben

Das "Jazz Age": Für ein paar Jahre waren Scott und seine Frau Zelda Fitzgerald die Ikonen dieser Zeit, in der der amerikanische Traum nicht von emsigen Arbeitern, sondern von leichtsinnigen Träumern bestimmt wurde - bis zum "Schwarzen Freitag" 1929. Die nun herausgegebenen Erzähltexte erscheinen als Zeugnis für den Einbruch des Niedergangs im Leben des US-Autors.

Von Eberhard Falcke | 02.07.2017
    Der US-Schriftssteller Francis Scott Fitzgerald im Portrait.
    Der US-Schriftsteller Francis Scott Fitzgerald im Portrait. (imago stock&people)
    Francis Scott Fitzgeralds Leben zerfiel in zwei Teile - mindestens. Denn bei schonungsloserer Betrachtung lassen sich in dieser Biografie wesentlich mehr Einschnitte, Daseinstrümmer und Scherben erkennen. Fitzgerald selbst machte keinen Hehl daraus, dass nach den wilden, atemlosen Höhenflügen seiner Erfolge in den zwanziger Jahren eine Zeit der Bruchlandungen folgte. 1936 veröffentlichte er in der Zeitschrift "Esquire" ein autobiografisches Bekenntnis, in dem er sich mit einer seit Jahren anhaltenden persönlichen Krise auseinandersetzte, deren schleichenden Ausbruch er selbst als "Crack-up", als "Zusammenbruch" bezeichnete.
    Ich hatte mir zu viel zugemutet, hatte die Kerze an beiden Enden abgebrannt, hatte körperliche Ressourcen ausgebeutet, die ich gar nicht besaß, wie jemand, der sein Bankkonto überzieht.
    Die Auswirkung dieses Schlags war heftiger als die seiner Vorgänger, aber ähnlich: ein Gefühl, als stünde ich in der Dämmerung auf einem einsamen Schießstand mit einem leeren Gewehr in der Hand und ohne Zielscheibe. Leidenschaftlicher Glaube an die Ordnung, eine gewisse Verantwortungslosigkeit, die Gewissheit, dass Können und Fleiß in jedem Universum Bestand hätten: Diese und andere Überzeugungen lösten sich eine nach der anderen in Luft auf.
    Haltloser Alkoholismus und eine zermürbende psychische Krankheit
    Was er als Krisenursachen in diesem Aufsatz jedoch nicht erwähnte, das waren die Zerrüttungen, die ihm sein haltloser Alkoholismus bescherte, und die so traurige wie zermürbende psychische Krankheit seiner Frau Zelda, die seit Jahren von einer Nervenklinik in die andere wechselte.
    Es ist unmöglich, an all das nicht zu denken, angesichts der neuesten Entdeckungen, die jetzt in Sachen Fitzgerald möglich sind. Unter dem Titel "Für dich würde ich sterben" sind soeben eine Reihe von Erzähltexten erschienen, die zu Lebzeiten des Autors keine Abnehmer fanden. Und da der größere Teil davon in den Dreißiger Jahren entstand, erscheinen diese Texte nicht zuletzt als Zeugnisse für den Einbruch des Scheiterns in Fitzgeralds Leben, der um 1930 unübersehbar wurde.
    Auf besonders vielsagende Weise gilt das für die Erzählung "Böser Traum". Es beginnt wie eine Idylle des Friedens und der Harmonie: Einige Häuser in den Hügeln von New Hampshire, Musik, Gespräche, höfliche Menschen, die gerne den einen oder anderen skurrilen Scherz machen. Doch dann wird von Zeile zu Zeile deutlicher, dass es sich beim Ort des Geschehens um eine Nervenheilanstalt handelt. Aus Geldgier versucht der leitende Arzt den nur leicht überanstrengten Börsenhändler Mr. Woods in eine Paranoia zu manipulieren. Die junge Ärztin Kay jedoch diagnostiziert bei Mr. Woods eher beträchtliche erotische Anziehungskraft, was diesem aber zunächst verborgen bleibt.
    "Sie sind das!", rief er. "Sind Sie hier der Lockvogel? Die haben mich jetzt jedenfalls irre gekriegt, diese Sauhunde, rasend irre haben die mich gekriegt ..."
    Es war entsetzlich. Kay hegte Sympathien für diesen Mann, die auch jetzt, da sie sah, was aus ihm geworden war, weder nachließen noch auf ein sachliches Maß abkühlten. Sie riss sich mit aller Kraft zusammen.
    Ausgehend von einer komödienhaften Darstellung der Patienten, stößt die Erzählung zu harten realistischen Schlaglichtern auf die Zwangspsychiatrie vor. Die eingeflochtene Liebesgeschichte, macht dann aber ein Happy End möglich. Natürlich hätte Fitzgerald diese Erzählung kaum geschrieben, wenn er die Welt der Psychiatrie nicht durch die Fürsorge für seine Frau Zelda kennen gelernt hätte. Er gehörte zu den Schriftstellern, die ihre Erlebnisse als Material betrachten, das er meist ohne direkten autobiografischen Bezug in freier Form benutzte. Vier Zeitschriften lehnten die Erzählung ab. Die Ursache dafür dürfte der Schauplatz Psychiatrie gewesen sein. Obwohl es Fitzgerald verstanden hat, der Thematik in seiner typischen Manier trotz schonungsloser Momente eine erstaunliche Leichtigkeit zu verleihen.
    Eine amüsante Satire im Geiste Mark Twains
    2015, so berichtet die amerikanische Journalistin Anne Margaret Daniel, sei sie von den Nachlassverwaltern Fitzgeralds mit der Herausgabe der letzten noch auffindbaren unveröffentlichten Erzählungen betraut worden. Dabei handelt es sich um fünfzehn Erzählungen und drei erzählerisch ausgeführte Filmexposés. Zwei davon allerdings stammen noch aus den Anfangsjahren. Die eine, die den Band eröffnet, trägt den Titel "Spielschulden". Es handelt sich dabei um eine sehr amüsante Satire im Geiste Mark Twains, in der Geister-Seherei, skrupellose Quacksalber der Lebenshilfe und gewinnsüchtige Verleger durch den Kakao gezogen werden.
    Die andere Erzählung mit dem Titel "Das Ehepaar" hingegen, die den Band beschließt, bietet ein atmosphärisches Schauerstück im Herrenhaus. Da holt sich ein junges Paar, das mit zusammengebissenen Zähnen auf die Scheidung zusteuert, ein englisches Gastarbeiterehepaar als Köchin und Butler ins Haus, so wie einst auch Scott und Zelda als sie im Geld schwammen. Doch sowohl in der Küche als auch beim Servieren erweisen sich die beiden als katastrophal trübe Tassen. Und dann muss sich die Dame des Hauses auch noch bei ihrem Gatten beklagen, dass das Dienstpersonal ihren Schoßhund geschlagen hat.
    "Und was hast du getan?"
    "Ich habe mich nicht getraut, etwas zu tun. Die Frau hat geschimpft, und Reynolds ist in der Küche auf und ab gestampft, als hätte ein Grizzlybär ihn angegriffen."
    "Hm!", rief Pawling. "Ich werde sie gleich nach dem Abendessen feuern."
    Am Ende - und das ist der Clou - ergibt sich doch noch eine positive Wendung, weil die beiden schlichten Gemüter sich auf einmal unverhofft als Mittler zwischen den zerstrittenen Eheleuten erwiesen haben.
    Ein Wrack mit wüster Vergangenheit und ohne Zukunft
    Dass es diese beiden frühen Erzählungen bisher nicht ans Licht der Öffentlichkeit geschafft haben, lag an beiläufigen Zufällen, wie sie bei jeder fruchtbaren literarischen Produktion vorkommen. Verwickelter liegen die Dinge jedoch bei den Herzstücken dieses Bandes, zu denen die Titelerzählung "Für dich würde ich sterben" gehört. Darauf hatte Fitzgerald Hoffnungen gesetzt und sie ist ohne Makel. Am Drehort für einen Indianerfilm treffen die Schauspielerin Atlanta und der flüchtige Bankrotteur Carley Delannux aufeinander. Ihm eilt der Ruf voraus, dass sich schon manche Frau seinetwegen umgebracht habe. Ohnehin beschließt Atlanta, sich nicht in ihn zu verlieben und er bestärkt sie darin durch die Beteuerung, er sei ein Wrack mit wüster Vergangenheit aber ohne Zukunft.
    Auf der Hotelveranda fragte sie ihn unvermittelt: "Was meinten Sie damit, als sie sagten, Sie hätten zu lange gelebt?"
    Er lachte, aber auf den ernsten Ton ihrer Frage antwortete er: "Damals musste alles aufregend sein, und ich wollte den Leuten diese Aufregung verschaffen."
    "Wie haben Sie das gemacht?"
    "Ich habe eine Menge Geld verpulvert - Theaterstücke finanziert, versucht über den Atlantik zu fliegen, den ganzen Wein von Paris zu trinken versucht - solche Sachen. Es war alles ohne Sinn und Verstand, und deshalb ist es so vorgestrig - es ging dabei nie um irgendwas."
    Unverkennbar hört man hier wie im Falle anderer angeknackster Fitzgerald-Helden ein Alter Ego seines Autors sprechen. Die Handlung schlägt einige Haken und zieht Kurven um weitere Akteure. Bis schließlich der zermürbte Lebemann den steilen Felsen, der für den Film als Drehort dient, dazu nutzt, um sich aus der Welt zu stürzen. Aber auch abgesehen davon ist der Selbstmord in dieser Erzählung ein Leitmotiv, der Autor selbst nannte sie in der Korrespondenz mit seinem Agenten Harold Ober kurz "Selbstmordgeschichte". Sieben Zeitschriften, darunter Cosmopolitan, Women’s Home Companion und Fitzgeralds Stammblatt The Saturday Evening Post, die ihre Leser beim breiten Publikum suchten, lehnten ab.
    Obwohl Fitzgerald bei guter Form sehr schnell produzieren konnte, bedeutete jede Ablehnung für ihn eine gefährliche finanzielle Einbuße, da er in den dreißiger Jahren häufig von der Hand in den Mund lebte. Zugleich fühlte er sich in seiner literarischen Entwicklung eingeschränkt, wenn er mit schwierigeren Themen auf Widerstand stieß. Doch Psychiatrie, Krankenhäuser, Krankheit, Selbstmord, Scheitern und andere Nöte waren nun eben einmal in seinen Erfahrungshorizont eingedrungen und mussten für ihn zum Material für sein Schreiben werden. Was nicht heißt, dass er die damit einhergehenden Verdüsterungen ungemildert in seine Erzählungen eindringen ließ. Nein, als Erzähler bewahrte er seine muntere Sprachlaune und verwandelte auch die tristen oder schwarzen Momente oft in sprachlich funkelnde Szenen von mal komödiantischem, mal sarkastischem Übermut. "Wirbelsturm in stillen Gefilden", eine weitere Krankenhausgeschichte, sollte die Pilotstory zu einer Serie um die alarmierend hübsche Krankenschwester Trouble werden - ein aparter Sonderfall in der Tradition des Arztromans.
    Und nun kam über den Flur auf sie zu: Trouble. Trouble, so weiß und so reizend, dass sie sich nicht gleich als solcher zu erkennen gab. Dabei bedeutete Trouble nichts als Ärger, war leibhaftiger Ärger - war aufreizender ...
    ... Ärger.
    Lächelte am fernen Ende des Flurs, kam näher, presste sich, bildlich gesprochen, in sie hinein und sagte nur:
    "Guten Morgen, Dr. Craig. Morgen, Dr. Machen."
    Keine Geschichten mehr über junge Liebe
    Die Redakteure der Saturday Evening Post verlangten Änderungen und wünschten sich die "einfachen Liebesgeschichten" zurück, für die Fitzgerald in ihren Augen zuständig war. So unangreifbar, dass man ihm respektvoll erlaubte, von seinen Erfolgsrezepten abzuweichen, war er nicht mehr. Sein Ruf war lädiert und die Neigung anderen in alkoholischer Enthemmung mächtig auf die Nerven zu gehen, war nicht geringer geworden. 1937 brach die Zusammenarbeit mit der Saturday Evening Post nach fast zwanzig Jahren ab. Finanziell kam das einer Katastrophe gleich, doch Fitzgerald wollte keine Kompromisse mehr machen. Zwei Jahre später, als er im Begriff war, sich auch mit seinem Agenten zu verkrachen, schrieb er an den Redakteur des Magazins Collier’s:
    Es ist eher unwahrscheinlich, dass ich noch viele Geschichten über junge Liebe schreiben werde. Dieses Etikett habe ich wegen meiner frühen Werke bis 1925. Sie fallen mir immer schwerer und kommen mir immer unaufrichtiger vor. Trotzdem bringen mich die allermeisten Redakteure weiterhin mit einem besonderen Faible für junge Frauen in Verbindung - ein derartiges Faible würde mich in meinem Alter wohl hinter Gitter bringen.
    Die Herausgeberin schließt sich dieser Sichtweise an und betont, Fitzgerald habe in den abgelehnten Erzählungen die von der wirtschaftlichen Depression geprägten Themen der dreißiger Jahre aufgegriffen und er zeige sich hier auf der Höhe der modernen Literatur. Der Verlag preist diese Nachträge zu Fitzgeralds Werk sogar als Sensation. Schöne Lektüre-Überraschungen liefern sie bestimmt, doch über deren Gewicht lässt sich diskutieren. Mit den posthumen Grabungen in den Nachlässen bedeutender Schriftsteller verhält es sich ja oft ganz ähnlich wie mit den archäologischen Zeugnissen untergegangener Reiche: da vermag jede Scherbe, jedes Fragment, ganz zu schweigen von gut erhaltenen Mosaiken einiges Aufsehen zu erregen. Dieser Band enthält von alledem etwas. Als ein Best of des späten, in seinen Ambitionen verkannten Fitzgerald kann er aber dann doch nicht gelten. Schließlich sind die Geschichten der Nichtpublikation der hier versammelten Texte zu verschieden, als dass sich daraus völlig eindeutige Schlussfolgerungen ziehen ließen.
    Mal waren zeitbedingte Empfindlichkeiten gegenüber Themen oder moralischen Frivolitäten ausschlaggebend, mal ging es um Geschmacksfragen wie bei "Abseits", einer Story um Football, Liebe und Geld. Da schrieb der Agent über die Reaktion der Redakteure an den Autor.
    Sie finden sie kälter als die besten Ihrer Geschichten, ihr fehle das ‘Glühen’, das die Leser von Ihnen erwarten. Das schmerzt mich. Schon möglich, dass es nicht Ihre beste Story ist, aber sie ist besser als neun von zehn Geschichten, die sie sonst einkaufen.
    "Daumen hoch": Ein Ausreißer im Repertoire Fitzgeralds
    Ein seltsam schwieriger Fall war die in mehrfacher Hinsicht überraschende Erzählung "Daumen hoch", von der hier gleich zwei Fassungen abgedruckt sind. Da spannt sich die Handlung von einer Anekdote aus dem amerikanischen Bürgerkrieg bis in die darauf folgende "Reconstruction"-Epoche, beziehungsweise in der anderen Variante bis zum Hof des französischen Second Empire. Die Erzählung war als Magazinstory zu umfangreich, sie verstörte durch eine grausame Szene und war gewiss ein Ausreißer im Repertoire des Autors. Gekürzt wurde sie dann doch gedruckt. An Themenvielfalt ließ es Fitzgerald jedenfalls nicht mangeln.
    Einen besonders unglücklichen Absturz ins Dunkel der Vergessenheit absolvierte "Die Perle und der Pelz", eine Story, in der Fitzgerald einen Teenager namens Gwen, ein Mädchen im Alter seiner Tochter, zur Protagonistin machte. Auf einem Schulausflug nach New York findet die junge Lady im Taxi, mit dem sie durch die Stadt fährt, ein sündteures Chinchilla-Cape. Mit dem Taxifahrer, der kaum älter ist als sie selbst, doch aus viel ärmeren Verhältnissen stammt, kommt sie bald auf entscheidende Fragen zu sprechen.
    Sie unterhielten sich auf der Fahrt in die Innenstadt. Er war von einer bitteren Heiterkeit, so als hätte das Leben ihn achtlos gebeutelt.
    "Mädchen müssen auf eine Gelegenheit warten", sagte er plötzlich. "Männer müssen sich ihre Gelegenheiten selbst schaffen, hat mein Lehrer immer gesagt."
    "Das stimmt nicht", sagte Gwen aus Solidarität mit ihrem Geschlecht. "Mädchen setzen eine Menge in Bewegung."
    "Klar, sie finden einen Pelz - wenn sie das meinen mit ‘in Bewegung setzen’."
    Nach allerlei Verwicklungen setzt Gwen dann tatsächlich etwas in Bewegung, nämlich den mittellosen jungen Taxifahrer. Sie steckt ihm den beträchtlichen Finderlohn für den Pelz zu und ermöglicht es ihm damit, aufs College zu gehen. Eine gelungene Geschichte, amüsant, turbulent, anrührend. Die Redaktionen allerdings wünschten Änderungen, der Agent fand heraus, dass die Taxifahrt auf der angegebenen Strecke überflüssig war, weil alle paar Minuten eine U-Bahn fuhr, dann zahlte eine Frauenzeitschrift doch tausend Dollar, ging aber in der Wirtschaftskrise pleite, bevor es zur Veröffentlichung kam.
    Umgekehrt dürfte allerdings auch Fitzgerald nicht immer ein angenehmer Verhandlungspartner gewesen sein. Manche Veröffentlichung scheiterte an verunglückter Kommunikation. Als altgedienter Autor hatte er immer weniger Lust, sich gängeln zu lassen. An seine Frau Zelda schrieb er:
    "Sobald ich das Gefühl habe, dass ich etwas nach einem simplen Muster schreibe, gefriert mir die Tinte, und mein Talent macht sich aus dem Staub."
    Ein astronomisches Honorar zur Haushalts-Sanierung
    Andererseits waren die Stories für Hochglanzmagazine sein Geschäftsmodell. In den zwanziger Jahre hatte er damit den verschwenderischen Lebensstil bestritten, mit dem er und Zelda sich zu Ikonen des "Jazz Age" stilisierten konnten. Und obwohl nach dem Schwarzen Freitag von 1929 die Honorare über Jahre hinweg auf Talfahrt gingen, hätte ein Autor davon leben können, wären da nicht kostspielige Kliniken für seine Frau und teure Schulen für die Tochter zu finanzieren gewesen. Fitzgerald musste sich immer höher verschulden. Vorübergehende Rettung kam aus Hollywood, wo er für zwei Jahre als Drehbuchautor mit einem astronomischen Honorar angestellt wurde. Von seiner wiederholten Beschäftigung mit Filmideen zeugen in diesem Band drei Exposés, eine Komödie, ein Melodram und eine Agentengeschichte, die auch als Lesestücke unterhalten können.
    Als ein wahrhaft facettenreich funkelndes Stück überzeugt dagegen die 1939 entstandene Erzählung "Die Frauen im Haus". Hauptfigur ist ein gewisser Emmet Monsen, der für irgendetwas berühmt genug ist, um in Klatschblättern aufzutauchen. Gerade aus der weiten Welt nach Los Angeles zurückgekehrt, erhält er einen niederschmetternden ärztlichen Befund.
    "Tödlich ist es nicht", sagte Dr. Cardiff hastig.
    "Sieht ganz so aus", sagte Emmet, "ich hör mich ja noch reden. Na los, Doktor! Was ist denn jetzt? Quittiert mein Herz den Dienst?"
    "Also bitte!" protestierte Cardiff. "So dürfen Sie das nicht sehen."
    "Kommen Sie zum Punkt, Mensch!", rief Emmet. "Wie stehen meine Chancen - zehn Prozent? Wann und unter welchen Umständen verlasse ich diese malerischen Gefilde?"
    "Das hängt vor allem von Ihnen ab, Mr. Monsen."
    Hinfort wird der zur Gebrechlichkeit verurteilte Gentleman von einer Schar fürsorglicher Frauen umzingelt. Frauen, die Männern auf die Sprünge helfen oder es zumindest versuchen, kommen in diesen Erzählungen immer wieder vor. Nur Emmets Geliebte, ein Filmsternchen, geht auf Distanz. In dieser Erzählung geht es um nichts Geringeres als die vollendete Verwandlung von Verzweiflung in Komik und zwar in doppelter Hinsicht. Denn in der komisch-desolaten Lage des Protagonisten hat Fitzgerald die eigene Situation am Ende seines Lebens umfassend gespiegelt: angefangen von der eigenen, schließlich tödlichen Herzschwäche, über das Domizil außerhalb der Stadt, bis hin zum Porträt seiner tatkräftigen Sekretärin, die ihm als hilfreicher Geist zuletzt so nahe stand wie niemand sonst.
    Sensation oder nicht: Dieser Band mit posthum veröffentlichten Erzählungen und Filmexposés ist als Ergänzung zu Fitzgeralds Werk zweifellos ein Gewinn. Zwar kann er qualitativ angesichts des bereits vorliegenden Erzählwerkes mit seinen Edelsteinen keine neuen Maßstäbe setzen. Aber thematisch bringt manch überraschende, wenig geläufige Perspektiven.
    Deutlicher als andere Erzählbände des Autors gibt dieser, vielfältige Einblicke in den Überlebenskampf, den Fitzgerald im zweiten und letzten Jahrzehnt seiner Schriftstellerexistenz führen musste. Und dazu trägt Anne Margaret Daniel als herausgeberin mit ihrem Nachwort und den aufschlussreichen Kommentaren entscheidendes bei.
    F.Scott Fitzgerald: Für dich würde ich sterben. Erzählungen. Herausgegeben und kommentiert von Anne Margaret Daniel. Aus dem amerikanischen Englisch von Gregor Runge, Andrea Stumpf und Melanie Walz. Hoffmann und Campe, Hamburg 2017. 492 Seiten, 25 Euro.