
Tagelang waren die Wellen einfach zu hoch, der Sturm zu stark und das Wetter zu schlecht: Aber mittlerweile ist das Wrack der Norman Atlantic endlich auf dem Weg zum Hafen von Brindisi. Ein Schleppkahn zieht das völlig ausgebrannte Wrack von der albanischen Küste Richtung Italien; ein ganzer Konvoi von Schiffen und ein Hubschrauber begleiten die Bergungsaktion, um im Notfall eingreifen zu können, sagt Francesco Barretta von der Firma, die sich um die Bergung kümmert:
"Das größte Risiko ist jetzt, dass die Wracks der Autos und Busse, die noch in der Garage des Schiffs sind und deren Befestigungen verbrannt sind, dass sich diese Wracks durch den Wellenschlag bewegen könnten und das Schiff kippen und schlingern lassen. Mit der Gefahr, dass das Schiff untergeht."
Untergang des Schiffes vermeiden
Barretta hat Erfahrung mit havarierten Schiffen, doch dieser Einsatz ist gefährlich, sagt er. Denn wieder und wieder entzünden sich kleine Feuer auf der Norman Atlantic; der Seegang ist hoch; das Abschleppseil könnte reißen. Wenn die Norman Atlantic sinkt, würde das wohl bedeuten, dass die genauen Umstände des Unglücks nie ganz geklärt werden können. Die Behörden in Italien erhoffen sich viel von der Untersuchung des Wracks. Wenn es denn endlich im sicheren Hafen liegt. Denn momentan ist der Aufenthalt auf dem Schiff gefährlich, sagt Francesco Barretta:
"Unsere Mitarbeiter sind nur auf dem Vorschiff gewesen und nur lang genug, um das Abschleppseil anzubinden, dann sind sie wieder runter vom Schiff. Deswegen wissen wir noch nicht, was sich im Inneren des Schiffs befindet."
Die Einsatzkräfte befürchten, dort weitere Leichen zu finden. Sei es von Flüchtlingen, die sich im Schiffsrumpf versteckt haben, um in die EU zu kommen, sei es von Lastwagenfahrern, die in den Führerhäusern ihrer LKWs geschlafen haben, als die Norman Atlantic in Flammen aufging. Auch LKW-Fahrer Carmine Balzano aus Neapel gilt noch als vermisst; sein Sohn ist verzweifelt – und fühlt sich von den Behörden allein gelassen.
"Sie wimmeln uns ab: Ruf da an, ruf diese andere Nummer an, ruf da an. Wenn wir uns nicht selbst darum kümmern, hält uns niemand auf dem Laufenden. Die Zahlen der Vermissten ändern sich ständig."
Mitgenommener Kapitän
Denn die Passagierliste der Norman Atlantic ist völlig unbrauchbar; die Verwirrung, wie viele Menschen wirklich an Bord der Fähre waren, ist groß. Italien befürchtet, dass bis zu 100 Menschen vermisst werden; Griechenland geht offenbar davon aus, dass nur 18 Menschen fehlen. Nach Angaben des Auswärtigen Amts sind auch zwei Deutsche unter den Vermissten. Fest steht: Die Katastrophe hat mindestens elf Todesopfer gefordert; beim Versuch, das Wrack zu bergen, kamen zwei albanische Einsatzkräfte ums Leben. Sichtlich mitgenommen ist deshalb auch Argilio Giacomazzi, der Kapitän der Norman Atlantic:
"Meine Gedanken sind bei den Leuten die nicht mehr da sind, nur bei ihnen. Es tut mir Leid für die Menschen die tot sind. Wir haben versucht, mit Gottes Hilfe alles Menschenmögliche zu tun. Wir haben alle unser Bestes gegeben... Es wäre besser gewesen, wenn wir alle Menschen nach Ancona gebracht hätten. Leider haben wir es nicht geschafft."
Und die Hoffnung, jetzt noch weitere Überlebende zu finden, ist gering.