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Fahrverbote und Verbraucherrechte
"Die Autofahrer wachen jetzt auf"

Im Zuge der möglichen Fahrverbote hätten ausgerechnet die Käufer von Diesel-Autos mit Betrugssoftware "Glück im Unglück", sagt der Rechtsberater Jan-Eike Andresen im Dlf. Sie könnten nämlich ihren Pkw beim Hersteller eintauschen - "und sie bekommen ihr Geld zurück".

Jan-Eike Andresen im Gespräch mit Peter Sawicki |
    Neuwagen vor dem Volkswagen-Werk Zwickau
    "In Deutschland ist jeder vor Betrug geschützt - und der Betrüger muss Schadensersatz leisten", sagt Jan-Eike Andresen. Profitieren davon würden jetzt ausgerechnet die Opfer des "Dieselskandals" (dpa/Jan Woitas)
    Peter Sawicki: Berlin diskutiert über die Folgen des Urteils. Die Autoindustrie tut noch so, als ginge sie das kaum etwas an. Unterdessen sorgen sich Millionen Autofahrer in Deutschland, weil sie bald ihren Wagen nicht mehr richtig nutzen könnten und deren Auto massiv an Wert verlieren dürfte. Welche Verbraucherrechte greifen in dieser Situation? - Gesprochen haben wir darüber vor der Sendung mit dem Juristen Jan-Eike Andresen vom Rechtsdienstleister myRight. Sind die Dieselfahrer jetzt die Dummen?
    Jan-Eike Andresen: Jein! Ein ganz eindeutiges Jein. Es kommt darauf an, von wem man sein Auto gekauft hat. Im Grundsatz haben Sie recht. Natürlich wird hier ein gesamtgesellschaftliches Problem und die Handlungsunfähigkeit der Politik auf dem Rücken der Dieselfahrer ausgetragen. Das ist schon per se nicht akzeptabel. Doch es gibt je eine Gruppe von Menschen, die hat Glück im Unglück, wie man so schön sagt. Das sind nämlich diejenigen, die ohnehin schon vom VW-Abgasskandal betroffen sind mit seinen Marken - natürlich VW, aber auch Audi, Seat, Skoda und in Teilen auch Porsche. Denn die sind Opfer dieses Abgasskandals und die können in diesem Zusammenhang Verbraucherrechte geltend machen, Rechte auf Schadensersatz, die anderen Menschen jetzt so nicht zur Verfügung stehen, die einen Diesel haben, denn die sind nicht betrogen worden. Von daher muss man sagen: Hier die Opfer im Abgasskandal, die haben Glück im Unglück.
    "Diese Menschen können die Rückabwicklung des Autokaufs verlangen"
    Sawicki: Dann bleiben wir erst mal bei denen, die nach Ihrer Ansicht Glück gehabt haben. Was für konkrete Forderungen können die denn stellen?
    Andresen: Diese Menschen können die Rückabwicklung des Autokaufs verlangen. Wer vom Abgasskandal betroffen ist, der hat ein Auto gekauft in der Erwartung, dass es den rechtlichen Anforderungen Genüge tun würde im Zusammenhang mit der Zulassung dieses Autos. Ganz konkret geht es um die EG-Typgenehmigung und eine sogenannten Konformitätsbescheinigung, wo der Hersteller bescheinigt, dass ein Auto mit allen Rechtsnormen in Einklang steht. Diese Bescheinigung war falsch und die Bescheinigung war aber nicht nur falsch, sie war auch die Ursache für den Kauf des Autos. Denn natürlich kauft man ein Auto, weil man davon ausgeht, dass man dieses Auto im Straßenverkehr wird nutzen können, dass es auch allen Rechtsnormen entspricht.
    Weil diese Bescheinigung falsch war, haben die Menschen ein Recht auf Rückabwicklung dieses Autokaufs. Das ist ein ganz normales Recht auf Schadensersatz. Das ist auch nichts Besonderes. Das kommt jeden Tag hundertfach, tausendfach in Deutschland vor. Die einzige Besonderheit ist im Abgasskandal: VW hat immer so getan, als würde es dieses Recht nicht geben, mit der lapidaren Bemerkung, wir sind ja nicht in Amerika. Und jetzt kommt der Moment, wo die Autofahrer aufwachen, sich ihrer Rechte besinnen, viel über Rechte auch berichtet wird in den Medien, und damit bricht so eine Verteidigungsstrategie auch eines Konzerns natürlich in sich zusammen.
    "Sie bekommen ihr Geld zurück"
    Sawicki: Das heißt, diese betroffenen Autofahrer, die können ihren Wagen jetzt gegen einen sauberen Diesel eintauschen?
    Andresen: Nein, noch viel besser. Es geht nicht darum, dass sie ihr Auto gegen einen sauberen Diesel eintauschen können, sondern sie bekommen ihr Geld zurück, geben ihr Auto ab, und sie können für sich völlig frei entscheiden: Fahren sie mit dem Geld bis auf die Malediven, oder investieren sie in ein neues Auto? Kaufen sie ein E-Auto, oder kaufen sie sich vielleicht einen sauberen Diesel? Diese Menschen bekommen die völlige Entscheidungsfreiheit zurück und können sich neu entscheiden, wofür sie ihr Geld ausgeben möchten, und sei es, dass sie sich ein Fahrrad kaufen und künftig nur noch mit dem Fahrrad durch die Max-Brauer-Allee in Hamburg fahren.
    Sawicki: Was macht Sie denn so sicher, dass die VW-Argumentation jetzt zusammengebrochen ist?
    Andresen: Die VW-Argumentation hat auf zwei wesentlichen Säulen basiert. Die erste Säule habe ich schon genannt. Sie haben immer ganz salopp gesagt, wir sind nicht in Amerika, in Deutschland gibt es kein Recht auf Schadensersatz. Das war ganz offenkundig Quatsch. Wir haben schon seit über 100 Jahren diese Rechtsbehelfe auch für Schadensersatz, und sowieso ist natürlich auch in Deutschland jeder vor Betrug geschützt und der Betrüger muss Schadensersatz leisten. Das eine oder andere Gericht hat ja schon entschieden, dass es sich hier bei diesem Abgasskandal um Betrug gehandelt hat.
    Als die Gerichte dann angefangen haben, für die Kunden zu entscheiden, gab es eine zweite Verteidigungslinie, die dann Volkswagen aufgebaut hat, und spätestens das ist auch gestern zusammengebrochen. Volkswagen hat dann nämlich gesagt: Ja, es gibt dieses Recht, aber es gibt doch gar keinen Schaden. Schließlich wird doch ein Software-Update angeboten und dieses Auto kann noch fahren. Wo ist also der Schaden? - Und den Schaden - das wird jeder Dieselfahrer berichten können -, den Schaden haben die Menschen im Portemonnaie. Deshalb ist natürlich auch ein Schaden eingetreten und dieser Schaden ist zu beseitigen.
    "Viele Menschen haben sogar Angst davor"
    Sawicki: Nun weigern sich ja die Automobilkonzerne bisher, VW ja unter anderem auch, Schadensersatzleistungen auszuzahlen, zu leisten. Reicht die Rechtsgrundlage da für einzelne Kunden bisher aus, oder muss die Politik da auch noch nachhelfen?
    Andresen: Nein, diese Rechtsgrundlage reicht materiellrechtlich aus. Was aber ist das große Hemmnis für den Verbraucher, wenn er seine Rechte geltend machen möchte? Zum einen: Wenn jemand nicht zahlt, dann muss er verklagt werden, und dafür muss der Verbraucher zum Anwalt. Das ist per se erst mal eine große Hemmschwelle.
    Zum Anwalt zu gehen, das ist jetzt nicht wie Schuhe kaufen, sondern wir haben mal eine Umfrage bei myRight gemacht, da haben uns über 80 Prozent der Menschen bestätigt: Wenn ich zum Anwalt muss, dann ist das per se erst mal eine beklemmende Situation. Viele Menschen haben sogar Angst davor. Sie haben Angst vor den Kosten, Angst vor der Gesamtsituation, weil das nichts Alltägliches ist. Man ist damit einfach nicht vertraut. Das ist natürlich eine Hemmschwelle, die schützt in erster Linie den Täter, hier den Konzern, denn er muss nicht befürchten, hier in die Haftung genommen zu werden.
    Der nächste Punkt ist, dass oft die Kosten in keiner Art und Weise kalkulierbar sind für die Verbraucher, und dann gibt es noch einen letzten Punkt, und das ist mit der wichtigste. Die wenigsten Menschen wissen doch, was eigentlich ihr Recht ist. Volkswagen hat alle Halter im Abgasskandal anschreiben können und hat in diesen Briefen sinngemäß geschrieben: "Sehr geehrte Damen und Herren, kommen Sie doch bitte zum Update. Wir haben alles im Griff. Es handelt sich um einen", ich sage jetzt mal, "minimalen Mangel, der durch ein Software-Update beseitigt wird." Niemand hat den Verbrauchern auf der anderen Seite gesagt, welche Rechte sie haben, dass dieser kleine Mangel vielleicht doch nicht so klein ist.
    Kein Anspruch auf Entschädigung für andere Diesel-Fahrer
    Sawicki: Und wie ist das in den anderen Situationen? Wer jetzt einen Diesel hat von einem anderen Autokonzern, der jetzt in den Abgasskandal nicht verwickelt war, haben die einfach Pech gehabt?
    Andresen: Die haben vom Grundsatz einfach Pech gehabt. Oder, um es mit den Worten des Vorsitzenden Richters am Bundesverwaltungsgericht gestern zu sagen: Es gibt in Deutschland kein Recht auf eine zeitlich und räumlich unbeschränkte Nutzung eines Autos. Man muss immer damit rechnen, dass sich Vorschriften ändern, und eine solche Änderung ist hier eingetreten nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts. Diese Fahrverbote sind zulässig und es gibt da vom Grundsatz her keinen Anspruch auf Entschädigung gegen den Staat auf Erstattung beispielsweise dieses Wertverlustes.
    Sawicki: Auch nicht auf Erstattung von Seiten des jeweils anderen Autokonzerns?
    Andresen: Nein, auch das nicht. Dafür wäre notwendig, dass man im weitesten Sinne betrogen worden ist, oder dass noch irgendwo anders Abgasnormen manipuliert worden sind, und auch da schließt sich wieder der Kreis. Es gab ja jetzt Berichte auch darüber, dass bei BMW möglicherweise etwas nicht gestimmt hat im Rahmen der Abgasreinigung. Ähnliches hört man immer wieder von Mercedes. Es kann also sein, dass da noch mehr Sachen schlummern, die, wenn sie denn aufgedeckt werden, dazu führen, dass auch diese Menschen ihre Autos zurückgeben können auf Kosten der Hersteller.
    Sawicki: Bei uns heute Abend der Rechtsberater Jan-Eike Andresen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.