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Fall Tebartz-van Elst
Die wundersame Geldvermehrung

Die Affäre um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst hat die Debatte um Kirchenfinanzen neu entfacht. Künftig soll es mehr Transparenz und Kontrolle im Umgang mit den Geldern geben. Das forderte jüngst Papst Franziskus. Und auch die meisten deutschen Bistümer sind sich darin einig.

Von Wolfgang Meyer und Naima el Mousaoui | 18.02.2014
    Der Fall Limburg wird in die Kirchengeschichte eingehen. Möglicherweise als Wendepunkt. In den meisten deutschen Diözesen herrscht inzwischen Einigkeit darüber, dass die Haushalte dringend veröffentlicht und durchschaubarer werden müssen. So wie es für den Essener Bischof Franz-Josef Overbeck schon lange selbstverständlich ist: "Beim Haushalt des Bistums selber war es eben seit einigen Jahren schon üblich, eine entsprechende Bilanz öffentlich zu machen, so dass wir daran anschließen konnten, die konnten sie also auch vorher schon lesen, da brauchen Sie nicht auf Limburg warten."
    Der Kölner Kirchenhistoriker Rudolf Lill geht noch einen Schritt weiter. "Eigentlich müsste in jeder Diözese, in jedem Jahr eine Synode öffentlich entscheiden, welche Gelder vorhanden sind und wofür sie gebraucht werden. Und so lange sich die katholische Kirche dazu nicht entschließt und die einzelnen Bischöfe sich dazu nicht entschließen, wird sie immer in einer Schattenwelt stehen und wird auch immer im Zwielicht stehen."
    Was also ist in der zwielichtigen Schattenwelt zu Limburg geschehen? Franz-Peter Tebartz-van Elst residierte auf dem Domberg allem Anschein nach wie ein absolutistischer Monarch. Und es spielt - so bestätigt es der Professor für Kirchenrecht Thomas Schüller - durchaus eine Rolle im Bericht der Prüfkommission, "dass er sicherlich ein zu hohes Selbstbild vom Bischofsamt hat, also, dass er das auch in der Art, wie er Liturgie feiert, mehr im Sinne eines königlichen Amtes zelebriert. Das sind einfach Grenzen in der Persönlichkeit. An einen Bischof sind heute eindeutig strengere Anforderungen zu stellen, und die erfüllt er eindeutig nicht."
    "Es sind Fehler gemacht worden"
    Der Generalvikar des Bistums Münster, Norbert Kleyboldt, bewertet die Lage ähnlich. Er kennt Tebartz-van Elst noch aus seiner Zeit als Weihbischof dort: "Ich tu mich schwer, die Limburger Sache zu beurteilen. Weil da einfach auch bei mir Emotionalität insofern mitschwingt, weil es sich um Personen handelte, die ich auch persönlich kannte. Das tut dann auch weh, wenn die dann in eine solche Situation hereingeraten. Ich glaube aber schon, dass man klar feststellen muss: Da sind Fehler gemacht worden. Die kann ich auch nicht aus der Welt schaffen oder wegdiskutieren."
    Diese Fehler zu dokumentieren, ist Aufgabe einer Kommission, die derzeit in Limburg unter dem Vorsitz des Paderborner Weihbischofs Manfred Grothe einen Prüfungsbericht erstellt. Morgen, heißt es aus noch unbestätigten Quellen, wird dieser dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, vorgelegt. Zeitgleich geht er nach Rom. In dem Bericht geht es vor allem um die explodierten Baukosten für das Diözesanzentrum und das Bischofshaus. Aber der Prüfbericht beleuchtet auch die strukturellen Probleme im Bistum. Normalerweise kann selbst ein Bischof nicht einfach das Vermögen des Bistums auf den Kopf hauen, um sich nett einzurichten.
    Im Gegenteil: Mit jedem Euro, den er ausgibt, muss sich unter anderem der sogenannte Diözesanvermögensverwaltungsrat befassen. "Der Vermögensverwaltungsrat ist eine Einrichtung des Kirchenrechtes", erläutert Kleyboldt. "Das heißt, alle Entscheidungen über Darlehen und über Vermögensveräußerungen bedürfen der Genehmigung durch den Vermögensverwaltungsrat. Das gilt sowohl für das Bistum, also für den Bistumshaushalt, wie auch für den Haushalt des Bischöflichen Stuhls. Der Bischof kann also nicht hingehen, ja, und schmeißt ein Grundstück, verscherbelt dieses Grundstück, um, ich weiß nicht was, damit zu machen. Er bedarf der Genehmigung durch den Vermögensverwaltungsrat. Und die würde er für eine solche Aktion nie bekommen."
    Es durfte nicht sein, aber es konnte sein. In Limburg gab es eben grünes Licht für diese "Aktion". Schulterzucken bei Generalvikar Kleyboldt. Ihm ist es unerklärlich. Denn der Vermögensverwaltungsrat ist nicht die einzige Hürde, die ein Bischof bei solchen Vorhaben wie in Limburg zu nehmen hat. Es gibt - eigentlich - eine weitere Kontrolle, wie Kleyboldt sagt: "Bei Vermögensveräußerungen und Darlehensaufnahmen über 100.000 bedarf es der Genehmigung des Konsultorengremiums. In Deutschland ist es so, dass das im Kirchenrecht verankerte Konsultorengremium wahrgenommen wird, dass die Aufgaben dieses Gremiums wahrgenommen werden durch die Domkapitel."

    Der beurlaubte Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van-Elst
    Die Mitarbeiter vertrautem Bischof Tebartz-van Elst (dpa / picture-alliance / Fredrik Von Erichsen)
    Der zu Kontrollierende ernennt seine Kontrolleure
    Bei den Kontrollfunktionen dieser Gremien gibt es einen entscheidenden Schwachpunkt, der in den Diözesen offenbar gerne übersehen wird: Der Bischof ernennt die Mitglieder dieser Gremien. Sprich: Der zu Kontrollierende ernennt seine Kontrolleure. "Das ist in der Tat etwas, was man dann vielleicht auch ein klein wenig theologisch begründen muss, und das ist dann nicht ganz so einfach. Der Bischof ist gleichzeitig der Leiter des Bistums, er ist der höchste Richter des Bistums und setzt natürlich dann auch die Richtlinien für seine Verwaltung. Und für seine Gerichte. Er ernennt dann natürlich auch den Richter seines Gerichtshofes." Im Prinzip ist das also kein Problem, erklärt Generalvikar Kleyboldt: Es ist alles eine Frage der handelnden Personen. "Wenn sichergestellt ist, dass da vernünftige Leute in diese Gremien hineingebracht werden, erfüllen die auch ihre Aufgabe und lassen sich nicht vereinnahmen."
    Haben also im Limburger Vermögensverwaltungsrat keine vernünftigen Leute gesessen? Thomas Schüller zuckt die Achseln: Es gab unter den drei Mitgliedern des Rates eine eher ungewöhnliche Beziehung. "Dr. Lucas als Mitglied des Verwaltungsrates im Bischöflichen Stuhl Limburg war plötzlich derjenige, der den Herrn Kaspar in der Mittelverwaltung der Mittel des Bischöflichen Stuhls kontrolliert. Und der ihm die Mittel bereitstellt oder nicht bereitstellt. Das darf man nie machen, das ist eine Überkreuzkonstruktion, die ist schon ethisch verwerflich, weil das ja wechselseitige Abhängigkeiten sind."
    Die beiden weiteren Mitglieder des Gremiums, Carl-Friedrich Leuschner und Jochen Riebel, wiederum waren langjährige Bekannte des ehemaligen Generalvikars. Kontrolle? Unter dieser Umständen? Die drei Mitglieder des Vermögensverwaltungsrats des Bischöflichen Stuhls sind zudem über die fortschreitenden Bauvorhaben in Limburg und die explodierenden Kosten schlicht gar nicht oder nicht richtig informiert worden. Nach eigenen Aussagen haben sie nie einen Haushaltsplan verabschiedet und nie eine Jahresabrechnung zu Gesicht bekommen. Obschon ihnen beides zusteht. Schüller: "Denen wurde halt augenscheinlich sukzessive auf ihre Rückfragen, sie müssten aber doch mal mit der Sache beschäftigt werden, gesagt: Damit beschäftigen sich jetzt andere."
    Entscheidungen ohne jede Grundlage getroffen
    Und so haben die Kontrolleure weitreichende Entscheidungen völlig ohne Grundlage mitgetragen - sie nicht abgelehnt. Und die Baukosten am Ende genehmigt. "Da gibt es ja auch unterschiedliche Aussagen von Seiten der Bischofsleitung", sagt Kleyboldt. "Der Generalvikar hat sich anders geäußert als der Bischof. Ich weiß nicht, wer von denen Recht hat. Nur, das passt irgendwie nicht zusammen. Wovon ich überzeugt bin: Zu sagen, was in Limburg passiert ist, ist nur ein Problem des Bischofs, das ist sicherlich falsch."
    Obschon der Bischof und sein damaliger Generalvikar Franz Kasper die Kontrollgremien außen vor gelassen haben, mussten die Mitglieder dieser Gremien Antworten finden auf durchaus unangenehme Fragen. Schüller: "Warum habt ihr dann, als Ihr gemerkt habt, Ihr werdet nicht gefragt, Ihr werdet nicht als zuständiges Gremium um Euren Beschluss, um Eure Zustimmung gebeten, warum habt Ihr das nicht in Rom angezeigt?"
    "Sie können sich denken", sagt dazu Jochen Riebel, "dass diese Frage mich, sagen wir mal, bescheiden ausgedrückt, hundert Mal getroffen hat. Hätten Sie das nicht merken können?"
    Jochen Riebel, langjähriger CDU-Mann und treuer Katholik, gehörte zu den Mitgliedern des Vermögensverwaltungsrats. Auch er ein enger Vertrauter des damaligen Generalvikars Kaspar. Und er hätte es merken müssen, dass die Finanzierung der bischöflichen Residenz nicht ganz regulär ablief. Ein guter Teil des Baugeldes, die ersten knapp sechs Millionen Euro, kam aus Kirchensteuermitteln, damit hatte der Vermögensverwaltungsrat also nicht direkt zu tun. Aber: Es floss eben noch sehr viel mehr Geld aus anderen Quellen.
    Das Geld floss aus verschiedenen Quellen
    Quelle eins: Das Gemeinnützige Siedlungswerk GSW in Frankfurt. Der Bischöfliche Stuhl hat seine Anteile an diesem GSW verkauft, um an flüssiges Kapital zu kommen. Käufer: Das Bistum selbst. Es hat 6,8 Millionen Euro bezahlt - das entsprach nach internen Quellen dem Buchwert. Das ist rechtlich angreifbar. Denn der Kauf zum Buchwert heißt: Der Bischöfliche Stuhl hat unter dem tatsächlichen Verkehrswert verkauft. Und das könnte man juristisch als Untreue bewerten, obschon das Siedlungswerk quasi im Hause geblieben ist.
    Tebartz-van Elst und sein Generalvikar hätten diesen Deal nach Kirchenrecht auch gar nicht besiegeln können, denn: "Der Bischof (…) bedarf der Zustimmung des Vermögensverwaltungsrates: für den Erwerb und die Veräußerung von Immobilien." So steht es im Statut des Bischöflichen Stuhls. Als die 6,8 Millionen Euro Erlös aus dem Siedlungswerk aufgebraucht waren, zapften Bischof und Generalvikar eine neue Quelle an.
    Quelle zwei: Ein Kredit in Höhe von mindestens 13 Millionen Euro. Die Commerzbank zu Limburg gewährte ihn selbstverständlich. Sicherheiten waren ausreichend vorhanden. Das tat weh in Limburg, sagt Thomas Schüller, der Professor für Kanonisches Recht, und das hatte es noch nicht gegeben. "Das Bistum Limburg ist, pro Kopf gesehen, das reichste Bistum Deutschlands, also nicht im absoluten Volumen, da ist Köln natürlich vorne. Das Bistum hat noch nie nur einen Cent oder eine Mark Kredit aufnehmen müssen. Weil, brauchte es nicht. Und weil man einfach die Rechnungen begleichen musste, musste man Kredite nehmen. Weil das Vermögen des Bischöflichen Stuhls sind oft Wälder, Grundstücke, bebaute Grundstücke. Das ist kein flüssiges Kapital, und Handwerker wollen Geld sehen und nicht Anteile auf Ländereien."
    Vermögensverwaltungsrat stimmte Kredit zu
    Auch für solch einen Kredit, also einem Risikorechtsgeschäft, mussten beide Kontrollgremien zustimmen. Das Gremium des Domkapitels wurde nicht gefragt. Die Mitglieder des Vermögensverwaltungsrats nickten ohne Informationen den Kredit ab. Schüller: "Der Generalvikar als Vorsitzender des Verwaltungsrates hat den Verwaltungsrat zusammengetrommelt zu einer Sitzung und hat gesagt: Wir müssen die Summe, Baukosten sind gestiegen, wir brauchen mehr flüssiges Kapital, hat dann erklärt, wir nehmen aber nichts aus der Substanz - ich weiß es nicht, ich war nicht dabei. Wir nehmen einen Kredit auf. Also die Begründung war, die hab' ich gehört: Niedrigzinsphase, es ist besser, einen Kredit aufzunehmen als Vermögen, als aus dem Stammvermögen, was zu nehmen, was gar nicht geht, aber egal, - dann haben die einen Beschluss gefasst und dem zugestimmt."
    Für die rechtliche Bewertung dieser Geldbeschaffung war und ist eine Frage entscheidend: Wurde das strenge Zweckbindungsprinzip eingehalten? Wohl kaum, sagt Thomas Schüller. "Es gibt nicht ein Cent Vermögen der Kirche, das nicht zweckgebunden ist. Im Vermögen des Bischöflichen Stuhls sind sehr separate Vermögensmassen, die mit sehr unterschiedlichen Zweckbindungen versehen sind. Also: für die Armen, für den Unterhalt des Bischofs, zum Teil sehr alte Zustiftungen, Erbschaften und Schenkungen. Und das ist einer der großen Denkfehler in der ganzen Affäre, dass augenscheinlich der Generalvikar und der Bischof und der Verwaltungsrat später gedacht haben: Da ist eine Summe X an Vermögen, und die können wir - da gibt es flüssiges Vermögen, nichtflüssiges Vermögen - mit dem können wir vollkommen frei umgehen." Auch dieser Kredit reichte offensichtlich nicht aus, um die Handwerkerrechnungen für den aufwändigen Umbau zu finanzieren.
    Offenbar wurde eine Stiftung geplündert
    Quelle drei: Nach allen vorliegenden Informationen haben Bischof und Generalvikar eine Stiftung geplündert und damit etwa zehn Millionen Euro flüssig gemacht. Entscheidend auch hierbei: Der eigentliche Stiftungszweck. Offensichtlich ist der nicht berücksichtigt worden. Ein klarer Verstoß gegen das Stiftungsrecht. Die geplünderte Stiftung, das Sankt Georgswerk, gehörte zum Bischöflichen Stuhl. Sie ist gleich nach dem Krieg gegründet worden und - bittere Ironie: Sie diente dem Zweck, armen katholischen Familien Wohnungen zu verschaffen. Für Badewannen und 300.000 Euro teure Einbauküchen - für Prunkbauten des Bischofs war das Geld nicht gedacht.
    Im Jahre 2011 - schon unter Tebartz-van Elst - ist diese Stiftung aufgelöst worden. Aber: An dieser Stelle sind noch längst nicht alle Fragen beantwortet. Im Gegenteil: Mit jeder Antwort stellen sich neue Fragen. Und immer wieder diese eine, entscheidende Frage, auch an Jochen Riebel vom Vermögensverwaltungsrat: Warum haben die Kontrollgremien auf ganzer Linie versagt? "Da ist folgendes erst mal klarzustellen", sagt Riebel. "Der Vermögensverwaltungsrat ist nicht ein Aufsichtsgremium wie etwa der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft. Oder Vergleichbares. Sondern der Vermögensverwaltungsrat hat ein Statut, in dem er ausschließlich beratende Funktion hat. Und wenn Sie mich fragen: Haben Sie die gut ausgeübt? Würde ich sagen: Jawohl, wir drei haben die gut ausgeübt. So lange unsere Beratung gefragt war. Aber die war nicht gefragt. Sondern wir sind angelogen worden."
    Vieles ist anders nicht zu erklären, so sieht es auch der Kirchenrechtler Thomas Schüller. Die Kontrolleure haben wohl tatsächlich zu lange daran geglaubt, dass alles seine Ordnung hat und vor allem: Dass sich ein Bischof an das achte Gebot hält. "Man traut einem Bischof eigentlich nicht zu, dass er einen belügt, dass er einen umgeht, dass er einem nicht die Wahrheit sagt, nur das ist faktisch augenscheinlich geschehen."
    "Wir waren zu vertrauensselig"
    Riebel erklärt: "Was man uns vorwerfen kann, zu Recht vorwerfen kann, sag' ich, ist: Dass wir zu vertrauensselig waren. Ich habe geglaubt, wenn ein Bischof sagt, wir werden die 9,85 Millionen Euro nicht überschreiten, dann hätte ich - und das habe ich auch getan - ihn gegenüber jedermann verteidigt, wenn behauptet worden ist, es wird mehr kosten. Also wenn der Bischof sagt: Wir bleiben unter den zehn Millionen, dann glaube ich das. So, und dann habe ich Akten gesehen, und dann standen da 31 Millionen. Warum haben wir das nicht gemerkt? Einmal: Das, was im Statut festgehalten ist, nämlich den Haushalt vorzulegen, den Haushalt von uns beraten und beschließen zu lassen, das ist nicht geschehen. Dann kommt die Frage: Ja, seid ihr alle Schlafmützen, habt ihr das nicht gemerkt?"
    Antwort: Sie haben es irgendwann gemerkt. Aber da war die Scheu, energisch nachzufragen. Diese Scheu, hinter die Kulissen zu schauen, möglicherweise den Bischof zu kritisieren, passte zu dem Klima der Angst in Limburg. Widerspruch zwecklos. Und als klar wurde, die Geschichte nimmt ein böses Ende, war es zu spät. Schüller: "Genau, die haben Angst um ihren Arbeitsplatz, die haben Angst um die Integrität des Bischofs und des Bistums. Das ist ein System, das mit dem geistigen Element, ich sag, des Bischofs als ein geistlicher Führer, mit dem Instrument der Angst und des Druckes arbeitet und das auch noch spiritualisiert. Und mit dem Begriff der Loyalität. Also das war so. Also, man kann den Begriff der Loyalität, das heißt ja nicht, dass man den Verstand ausschaltet, aber wurde ein Kadavergehorsam eingefordert, von abhängig Beschäftigten, die sicherlich, in dem einen Fall ist das auch zutreffend, am Anfang auch begeistert waren von dem jungen dynamischen Bischof, die heute vor einem zerstörten Berufsleben stehen. Das muss man mal deutlich sagen. Hier sind mehrere Menschen, auch als Menschen, zerbrochen an diesem Konflikt, und das ist eine Spur der Verwüstung."
    Resignation bei Limburger Würdenträgern
    Irgendwann, so beschreibt es Schüller, habe dann selbst bei hochkarätigen Würdenträgern im Bistum Limburg die Resignation eingesetzt. "Also, dass man sich dann einfach hingesetzt hat und gesagt hat, wir können nichts mehr machen, er regiert so, wie er regiert." Man hätte es verhindern können. Vorher. Schon lange vor seiner Berufung nach Limburg war Franz-Peter Tebartz-van Elst kein unbeschriebenes Blatt gewesen. Schon in seiner Zeit als Weihbischof im Bistum Münster war er - so erzählen es Eingeweihte - nicht eben durch Bescheidenheit aufgefallen. Schon dort hatte er sich seine Wohnung für 500.000 Euro renovieren lassen. Auch andere Eigenschaften sind bereits in Münster zu Tage getreten. Seine Schwierigkeit etwa, mit normalen Gläubigen in Kontakt zu treten.
    Der Kirchenrechtler Schüller aus Münster erinnert sich: "Es gab in seiner Region einen schlimmen Busunfall, ein schlimmes Busunglück. Da ist eine zweistellige Zahl von Menschen zu Tode gekommen, und er war der regionale Bischof. Und es hat eine zentrale Trauerfeier stattgefunden, wo auch die Ministerpräsidenten kam, Minister, vom Kreistag, also auch politische und gesellschaftliche Prominenz, wie es immer so ist bei so schrecklichen Unglücken. Und er ist dezidiert nicht zu den Angehörigen der Verstorbenen gegangen, die tragisch ihre Oma, ihren Opa verloren haben, sondern hat sich nur mit den dort anwesenden prominenten Leuten unterhalten, so dass das bitterste Briefe, Empörung ausgelöst hat bei den Gläubigen. Und einige dieser Betroffenen haben, als er Bischof von Limburg war, mir jetzt die Tage Mails geschickt, auch Briefe, die sie an Papst Benedikt geschickt haben, gesagt, so einer, der so herzlos ist, der so wenig Empathie für die Gläubigen hat, den kann man doch nicht zu einem Bischof machen."
    Tebartz-van Elst soll weggelobt worden sein
    Wie konnte ein Mann, der zumindest im Verdacht stand, ungeeignet zu sein für dieses Amt, wie konnte solch ein Mann Bischof von Limburg werden? Eine viel diskutierte Frage. Die erste Antwort: Tebartz-van Elst wurde weggelobt. Als es um die Besetzung an der Lahn ging, habe in Münster niemand etwas Schlechtes über ihn gesagt - so erzählt man es sich dort - um seinen Weggang nicht zu gefährden. Antwort zwei. Limburg hatte sich unter Bischof Kamphaus zu einem Zentrum der progressiven, der liberalen Kirche entwickelt. Franz-Peter Tebartz-van Elst aber gehört zu den Erzkonservativen in der katholischen Kirche. Und es gab Kräfte, die genau solch einen Mann im Bistum Limburg installieren wollten. Noch immer hat dieser Mann starke Unterstützer mit großem Einfluss in Rom: Erzbischof Georg Gänswein etwa, der Privatsekretär des ehemaligen Papstes Benedikt XVI., Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, der Chef der mächtigen Glaubenskongregation in Rom, oder Bischof Rudolf Vorderholzer aus Regensburg.
    Damit ist Limburg also viel mehr als der Schauplatz eines Finanzskandals. Es ist der Austragungsort eines viel größeren Konfliktes innerhalb der katholischen Kirche. "In der Kirche gibt es, wie in den Parteien, in großen Organisationen, unterschiedliche Lager", sagt Schüller. "Und dieser Konflikt um Tebartz-van Elst scheint aber ein Ventil für viele andere zu sein, jetzt mal diese Grundsatzfrage aufs Tableau zu bringen, und das geht bis in den Vatikan."
    Auch für den Papst wird also das kleine Limburg zu einem großen Prüfstein. Tebartz-van Elst steht im Gegensatz zu seinem Vorgänger Kamphaus für jenen Klerikalismus, den Franziskus abzulehnen scheint. Über allem steht die Frage: Welche Kirche will der Papst in die Zukunft führen? Auch so gesehen wird also der Fall Limburg in die Kirchengeschichte eingehen.