Dienstag, 14. Mai 2024

Archiv

Fastenbrechen mit DITIB
'Bad guys' oder Integrationshelfer?

DITIB, Deutschlands größter Islam-Dachverband, will ein Zeichen setzen: ein traditionelles Fastenbrechen während des Ramadans und die Einweihung der Kuppel der Zentralmoschee in Köln. Was als versöhnliche Geste gemeint ist, stößt jedoch bei liberalen Vertretern der türkischen Community auf Kritik.

Von Daniel Heinrich | 13.06.2017
    Auf einem Minarett der Moschee der Türkisch-islamischen Union Ditib steht am 06.06.2017 in Köln (Nordrhein-Westfalen) ein goldener Halbmond.
    Zentralmoschee in Köln am 6.6.2017. (dpa/Oliver Berg)
    Eine Koranrezitation als Einleitung zum Fastenbrechen. Und das vor mehreren hundert geladenen Gästen im Empfangssaal der Zentralmoschee in Köln. Die Verantwortlichen der DITIB haben sich an diesem Abend nicht lumpen lassen: große, runde, reich gedeckte Tische – Männer und Frauen mit und ohne Kopftuch in Abendgarderobe. Bekir Alboga, der Generalsekretär der DITIB, ist begeistert.
    "Bei mir ist heute die Sonne der Liebe, der Barmherzigkeit, der Freude aufgegangen, es ist ein riesiges, freudiges Ereignis. Es ist ein wunderschöner Tag: Endlich haben wir als Vorstand der DITIB auch etwas Positives zu präsentieren, nicht nur in negativen Schlagzeilen, negativen Themen werden wir erwähnt."
    Endlich. Etwas. Positives. Die Erleichterung, dass er mit einem Journalisten über etwas Unverfängliches wie eine neue Moscheekuppel sprechen darf, ist dem 54-jährigen Islamwissenschaftler Alboga förmlich anzusehen.
    Lobbyarbeit für die Türkei - nichts Neues
    Es sind keine einfachen Zeiten für Deutschlands größten Islam-Dachverband. Imame der DITIB sollen in Deutschland spioniert haben, die Generalbundesanwaltschaft leitete Ermittlungen ein. Hinzu kommt interner Zoff, erst Mitte Mai schmiss der gesamte Bundesvorstand der Jugendorganisation der DITIB hin. Der Vorwurf: Liberale Tendenzen würden im Verband unterbunden werden. Türkeiexperte Christoph Ramm von der Universität Bern konstatiert ein ramponiertes Image.
    "Eigentlich hat sich die Rolle der DITIB gar nicht so sehr verändert. Sie ist ja weiterhin der Ableger einer Staatsagentur in der Türkei. Früher galt die DITIB zum Beispiel bei der Islamkonferenz ein bisschen als 'everybody's darling', sie war berechenbar, sie kam aus dieser säkular-verstandenen Türkei, man kannte die Leute. Im Gegensatz zu einigen kleineren, intransparenten Islam-Verbänden war sie für die Politik ein willkommener Ansprechpartner. Jetzt ist sie im Zuge des Putsches zu den 'bad guys' geworden. Stichwort 'Spionagevorwürfe', Stichwort 'Politik Erdogans', die er über die DITIB auch in Deutschland macht, zum Beispiel während der Zeit des Referendums. Letzten Endes ist das aber die Rolle, die die DITIB immer gehabt hat. Eigentlich auch für den türkischen Staat in Deutschland Lobbyarbeit zu betreiben."
    Bewegung der "DieAndersTickenden"
    Rund 900-DITIB-Moscheen gibt es inzwischen in Deutschland, etwa 800.000 gläubige Muslime sind Mitglied im eingetragenen Verein.
    Nur wenige Kilometer vom Hauptsitz der DITIB in Köln, auf der anderen Rheinseite, treffe ich Nurten Karacay in einem Cafe in der Düsseldorfer Innenstadt.
    Marokkanischer Minztee, hübsch hergerichteter Innenhof. Trotz der entspannten Atmosphäre wirkt die 49-Jährige angestrengt. Seit 40 Jahren lebt Karacay in Deutschland. Mit der DITIB möchte sie nichts zu tun haben. Organisierte Massenveranstaltungen zum Ramadan verstören sie regelrecht.
    "Wenn ich an früher zurückdenke, an die Zeit in der ich selbst gläubig war: Da gab es solche Veranstaltungen, ich nenne diese an der Stelle einmal ganz bewusst 'Rudelessen' in der Öffentlichkeit nicht. Ich finde es zwar schön, dass es so etwas gibt, aber dadurch wird auch der Eindruck vermittelt: 'Wer nicht zu uns gehört, ist gegen uns'. Man wird geächtet, wenn man nicht fastet. Man wird angegriffen, wenn man vor jemandem, der fastet, etwas Essbares oder Genussvolles zu sich nimmt. Diese Spaltung spürt man und DITIB nimmt nach meinem Dafürhalten dort eine große Rolle ein. Das ist extremer geworden, das ist sichtbarer geworden. Früher war das alles nicht so aufgezwungen, nicht so auffällig. Das war eine reine Privatangelegenheit."
    Nurten Karacay stört sich daran, dass die DITIB, die AKP-nahe UETD oder die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs das öffentliche Bild von Türkeistämmigen in Deutschland maßgeblich prägten. Zu weit entfernt seien deren innere Ausrichtungen von liberalen, säkularen Wertvorstellungen. Sie hat sich mit Bekannten aus ganz Deutschland zusammengetan, die Bewegung die "DieAndersTickenden" ins Leben gerufen.
    "Wir können solche Entwicklungen nicht stehen lassen. Wir tragen auch eine Verantwortung für diese Gesellschaft hier. Wir leben hier seit so vielen Jahren und haben auch die Verpflichtung und die Verantwortung, dagegen zu wirken und darauf zu reagieren – auch wenn wir nur einen kleinen Teil dazu beitragen können."
    Bezirksbürgermeister setzt weiter auf Kooperation mit DITIB
    Josef Wirges weiß um den Riss innerhalb der türkischen Community. Wirges ist der Bezirksbürgermeister von Ehrenfeld, dem Stadtteil in Köln, in dem die DITIB gerade die neue Kuppel ihrer Zentralmoschee eingeweiht hat.
    Trotz aller Schwierigkeiten setzt Wirges weiterhin auf Kooperation mit der DITIB. In den neuen Bau, der umrahmt von einem Sportplatz und einer Tankstelle an einer Schnellstraße liegt, setzt er große Hoffnungen:
    "Wir haben hier eine Moschee in Köln-Ehrenfeld, die weit über die Grenzen Kölns, Nordrhein-Westfalens beachtet werden wird. Ich glaube sogar: Viele Menschen kommen nach Köln und der erste Weg wird sie zum Kölner Dom führen. Und der zweite Weg im Anschluss wird die Menschen hier zu unserer Moschee in Ehrenfeld führen."
    Im Empfangssaal der Moschee würde Bekir Alboga, der Generalsekretär der DITIB, Wirsings Worte wohl sofort unterschreiben. Trotz des langen Tages, des Fastens, des Lächelns, des Händeschüttelns ist Alboga nach dem abendlichen Fastenbrechen ganz beseelt. Was die Bedeutung der neuen Moscheekuppel betrifft, legt er noch eine Schippe drauf.
    "Ich freue mich sehr, dass der Gebetssaal mit dieser wunderschönen Kalligraphie, wunderschönen Innenarchitektur und mit den Namen der großen Propheten von Adam bis Mohammed, Jesus, Moses, Abraham, die Gelegenheit bietet, dass wir ins Gespräch eintreten. Alleine das Gebäude sagt: Ich bin offen, ich bin gesprächsbereit, ich biete die beste Basis. Das ist etwas ganz Wichtiges: Wir müssen miteinander reden, wir brauchen das Gespräch und die Offenheit dafür."
    Sechs Millionen Euro für DITIB seit 2012
    Die beste Basis für die Arbeit der DITIB bietet unterdessen noch etwas ganz Profanes. Geld aus öffentlicher Hand. Nachdem die Zahlungen an den Verband wegen der Spitzelaffäre zwischenzeitlich ausgesetzt wurden, fließt es seit einiger Zeit wieder. Seit 2012 hat die DITIB vom deutschen Staat rund sechs Millionen Euro erhalten.