Einem Fußballverein geht es zuerst um sportlichen Erfolg und erst dann um Profit. Deshalb sind auch die Einflussmöglichkeiten von Investoren begrenzt. Warum sich immer mehr Unternehmen trotzdem in Vereine einkaufen, erklärt DLF-Sportredakteur Bastian Rudde.
Benjamin Hammer: Als im Jahr 2005 der erste Fußball durch das neue Stadion im Norden von München rollte, da war es längst üblich, dass Stadien nicht mehr nach Fußball-Idolen oder Stadtteilen benannt wurden. Sie bekamen die Namen von Unternehmen. Die Allianz Versicherung sicherte sich gleich für 30 Jahre die Namensrechte an der "Allianz Arena" und ließ damit keinen Zweifel, dass sie den erfolgreichsten deutschen Fußball-Club sehr lange begleiten will.
Seit gestern Abend sind sich der FC Bayern München und die größte deutsche Versicherung noch näher gekommen. Für 110 Millionen Euro hat die Allianz sich rund acht Prozent an der FC Bayern München AG gesichert. Ist damit eine neue Stufe der Kommerzialisierung des deutschen Fußballs erreicht? Darüber spreche ich jetzt mit Bastian Rudde aus unserer Sportredaktion. Kommt dieses Geschäft überraschend oder war es absehbar?
Bastian Rudde: Das war absehbar. Denn es war vorher schon spekuliert worden, dass die Allianz bei den Bayern einsteigen würde. Allerdings gab es offenbar mehrere Interessenten für ein Aktienpaket beim deutschen Fußball-Meister. Das hat zumindest der Vorstandsvorsitzende des FCB, Karl-Heinz Rummenigge, letzte Woche noch gesagt:
"Es gibt einige, wenige Firmen, die dafür durchaus noch in Frage kommen. Aber das müssten Firmen sein, die eben in der Philosophie sehr gut zu Bayern München passen."
Nach Adidas und Audi hat sich nun die Allianz beim FC Bayern eingekauft
Dass das bei der Allianz der Fall ist, davon ist der Verein also überzeugt. Es ist das dritte Mal, dass die Bayern Anteile verkaufen. Adidas und Audi sind ja schon im Boot. Weil das Ganze mit einer Kapitalerhöhung verbunden ist, halten alle drei Aktionäre jetzt jeweils 8,33 Prozent der AG. Die restlichen drei Viertel sind weiter beim Verein.
Hammer: Ich kann mir vorstellen, es geht ums Geld. Wie profitieren denn der FC Bayern und die Allianz von dem Geschäft?
Rudde: Für den Bayern liegt das auf der Hand: Der hat zusätzliches Geld – und die 110 Millionen Euro sollen auch ziemlich direkt investiert werden. Erstens in ein neues Nachwuchszentrum, das bald entstehen soll. Zweitens in das Stadion. Mit den Millionen der Allianz will der FCB die letzten Schulden daran tilgen. Die Arena steht ja seit 2005 – und seitdem ist die Allianz Namensgeber des Stadions. Damit wären wir bei möglichen Vorteilen für den Versicherungskonzern. Der bezeichnet die Allianz-Arena als erfolgreichste Einzelmaßnahme im gesamten Marketing des Konzerns – und hat sich die Namensrechte jetzt langfristig bis ins Jahr 2041 gesichert.
Außerdem soll der Konzern im Marken-Auftritt des FC Bayern stärker auftauchen. Wenn man sich überlegt, dass der FC Bayern als Champions-League-Sieger gerade sehr populär ist und dabei ist, seine Marke auch im Ausland stärker zu positionieren – da sieht der Verein selber noch ziemlich viel unausgeschöpftes Potenzial – dann ist sicher einer der strategischen Gedanken der Allianz hinter dem Geschäft.
Allianzmillionen dienen der Schuldentilgung
Hammer: Lösen wir uns mal ein bisschen vom FC Bayern und der Allianz und berücksichtigen auch den Rest der Bundesliga – kann man behaupten, dass Unternehmen oder private Investoren im deutschen Fußball eine wachsende Rolle spielen?
Rudde: Ja. Denn neben bekannte Beispiele wie die Werksklubs aus Wolfsburg und Leverkusen oder neben die TSG Hoffenheim, die vom Geld des Investors Hopp lebt, gibt es gerade neue Beispiele dafür: in Berlin und Hamburg. Beim Hamburger SV ist im Januar eine Struktur-Reform beschlossen worden. Die Lizenzspielerabteilung soll aus dem Gesamtverein ausgegliedert und in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden – ganz einfach, um Investoren eine eingeschränkte Beteiligung an dieser AG anbieten und so an frisches Geld kommen zu können.
Ein Logistik-Unternehmer, beziehungsweise dessen Geld gilt einigen beim verschuldeten und abstiegsbedrohten HSV als große Hoffnung. Schulden hat auch die Hertha aus Berlin. Da ist der Private-Equity-Investor Kohlberg Kravis Roberts – kurz: KKR – mit 10 Prozent Beteiligung seit kurzem Mehrheitsaktionär an der Kommanditgesellschaft. Hertha soll das etwas mehr als 60 Millionen Euro bringen – und damit verbunden natürlich die Hoffnung, daraus langfristig dann sportlichen Nutzen zu ziehen.
Hammer: Wie schätzen sie diese Entwicklung ein?
In Deutschland soll totale Willkür der Investoren verhindert werden
Rudde: Also, ich glaube, Langfristigkeit und Nachhaltigkeit sind die Stichworte. Die sollte sich jeder Vereinsverantwortliche vor Augen halten, wenn er Unternehmen oder Investoren Anteile einräumt. Und dann ist natürlich auch immer die Frage, wie viel Mitsprache diejenigen dann für ihr Geld fordern oder bekommen. Allerdings: Von einer Situation wie in Frankreich, England oder Russland sind wir hier weit entfernt. Da kaufen sich Investoren schlichtweg ganze Klubs – da besteht die Gefahr der totalen Willkür.
In Deutschland soll das die 50+1-Regel verhindern – tut sie auch meistens. Sie besagt, dass der Verein immer noch die Mehrheit an einer ausgegliederten Profi-Abteilung halten muss. Aber trotzdem kann man sich natürlich auch schon in ungewollte Abhängigkeiten begeben, wenn man nur kleinere Teile abgibt – da sollte man sich gut überlegen, an wen.
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