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FDP-Politiker Baum: BND muss von innen kontrolliert werden

Obwohl die Bespitzelung von Journalisten untersagt ist, sollen E-Mails einer "Spiegel"-Reporterin vom Bundesnachrichtendienst (BND) abgefangen worden sein. Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Rudolf Baum hat deshalb gefordert, Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) müsse vor dem Parlament Rechenschaft über den Vorgang ablegen. Offenbar scheine die innere Struktur des Dienstes nicht in Ordnung zu sein, sagte der FDP-Politiker.

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Das Parlamentarische Kontrollgremium befasst sich also heute mit dem Fall "BND gegen Spiegel-Journalistin Susanne Kölbl". Wieder einmal ist das Parlament von der Nachricht überrascht worden, einer der Geheimdienste habe Dinge getan, von denen das Parlament mindestens gewusst haben sollte beziehungsweise hätte informiert werden sollen - ganz zu schweigen von der Tatsache, dass das Mitlesen des E-Mail-Verkehrs von Journalisten dem BND wohl so nicht zustand. ( MP3-Audio , Beitrag von Sabine Adler)

    Gerhart Rudolf Baum war Bundesinnenminister, gehört der FDP an und ist langsam so etwas wie Stammgast in Karlsruhe. Vor dem Bundesverfassungsgericht kämpft er mit anderen unermüdlich um die Wahrung grundrechtlicher Freiheiten.

    Dass Geheimdienste hierzulande deutsche Journalisten ausspähen, ist leider Gottes keine Neuigkeit. Dass der BND es immer und immer wieder tut, regt aber doch schon auf. - Gerhart Rudolf Baum ist am Telefon. Guten Tag!

    Gerhart Rudolf Baum: Guten Tag!

    Durak: Halten Sie das nur für eine Informationspanne, wie eben gehört?

    Baum: Nein! Wenn das so oft passiert - es ist ja vor Jahren in Serie passiert und es war ein Skandal, der die Öffentlichkeit erregt hat, dass diese Serie nicht beendet worden ist, dass das Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Fall Cicero - vergessen wir das doch nicht! -, das die Pressefreiheit bekräftigt hat, nicht eingedrungen ist in die Verhaltensweise des BND -, dann ist das schon sehr besorgniserregend. Warum wusste denn der Präsident nichts? Warum wusste er nichts? Hat er seinen Laden nicht im Griff? - Dienstintern ist die Ausspähung von Journalisten verboten. Seit wann wusste der Präsident denn davon? Was nützt das schönste Kontrollgremium, wenn der Präsident ihm nicht berichten kann, was in seinem Laden los ist.

    Durak: Also müsste der Präsident, Herr Uhrlau, eigentlich gehen?

    Baum: Ich will jetzt hier keine Rücktrittsforderung sagen, aber ich möchte, dass in solchen Fällen auch eine persönliche Verantwortung festgestellt wird. Ich habe selber Verantwortung für einen Geheimdienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, gehabt und habe dann auch meinen Kopf hinhalten müssen. Das heißt es gibt immer auch einen politisch Verantwortlichen über Herrn Uhrlau. Das heißt das Parlament muss sich an die politisch Verantwortlichen halten und muss darauf bestehen, dass die Strukturen im BND verändert werden, denn die Pressefreiheit ist ein besonderes Gut, besonders geschützt in unserer Verfassung, und wir haben ja immer stärkere Elemente eines Überwachungsstaates, der uns Bürger betrifft und auch in besonderer Weise die Presse. Das darf so nicht weitergehen!

    Durak: Journalisten abhören, E-Mails heimlich mitlesen. Weshalb, Herr Baum, diskutieren wir eigentlich noch über heimliche Online-Durchsuchung und Bundestrojaner?

    Baum: Ja, das ist eine gute Frage. Ich bin ja dagegen, das zu machen, zumal wir auch immer fragen müssen: Was bringt das eigentlich in Sachen Sicherheit? Diese massiven Grundrechtseingriffe auch hier in diesem Fall. Was war denn die Sicherheitskomponente? Warum hat man die E-Mails mit den Ministern abgehört? Stand hier die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auf dem Spiel?

    Bei Online und beim Lauschangriff ist die Regierung dem Verfassungsgericht die Antwort schuldig geblieben, warum sie das überhaupt machen muss, und hier ist die Antwort auch nicht klar. Warum ist das überhaupt gemacht worden?

    Wir erleben es - eben ist es auch angeklungen. Diese ganzen Sachen haben einen Einschüchterungseffekt. Die Bürger und auch die Journalisten machen von den Möglichkeiten der Freiheit nicht mehr so Gebrauch, wie wir das wollen in einer freiheitlichen Gesellschaft. Das ist schlimm!

    Durak: Kehren wir direkt zu den Geheimdiensten zurück, Herr Baum. Ist es nicht eine Mär, wenn man davon spricht, es gibt ein Parlamentarisches Kontrollgremium, also einen Zugriff des Parlaments auf diese Dienste?

    Baum: Ich finde das ist sehr schwierig. Kontrolle ist sehr, sehr schwierig. Im Grunde ist ein Spannungsverhältnis zwischen der effektiven Kontrolle der Nachrichtendienste vorhanden und der notwendigen Sicherung der Geheimhaltung. In diesem Spannungsverhältnis bewegt sich auch das Parlament. Ich bin sehr dafür, dass das Parlament jetzt die Kontrollrechte verbessert. Da gibt es Entwürfe, die jetzt zusammengeführt werden müssen. Aber entscheidend ist dann auch, dass die innere Struktur des Dienstes in Ordnung ist, dass das Gremium auch wirklich alles erfährt und dass Dinge, die nicht in Ordnung sind, sofort abgestellt werden können. Nach allem was passiert ist frage ich mich: Wer konnte denn im BND annehmen, dass eine Bespitzelung von Journalisten noch gedeckt sei? Im Grunde ist die innere Struktur nicht in Ordnung, die interne Kontrolle. Sie können einen Geheimdienst nur beschränkt von außen kontrollieren. Sie müssen ihn intern kontrollieren. Sie müssen die richtigen Leute hinschicken, die das tun.

    Durak: Wer ist eigentlich der Dienstherr des BND?

    Baum: Ich nehme an das ist das Kanzleramt, der Kanzleramtsminister. Die politische Verantwortung muss er tragen. Ich habe auch Verantwortung getragen und viele andere in der Republik für Dinge, die sie nicht gewusst und nicht persönlich zu verantworten hatten. - Ich will jetzt hier keine Rücktrittsforderung in die Welt setzen, aber ich erwarte, dass nach unserem System ein Minister dem Parlament gegenüber die Verantwortlichkeit erklärt. Nur der Minister ist nach unserer Verfassung dem Parlament gegenüber verantwortlich. Er muss sich die richtigen Leute aussuchen und muss auch für seine Leute geradestehen.

    Durak: Das wäre Herr de Maizière?

    Baum: Das wäre Herr de Maizière.

    Durak: Danke schön. - Gerhart Rudolf Baum war das, ehemals Bundesinnenminister und FDP-Mitglied. Danke Herr Baum für das Gespräch.