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FDP-Politiker beharrt auf Kindergelderhöhung

Der FDP-Politiker Otto Fricke kritisiert die Koalitionspläne zum Aufschieben der Kindergelderhöhung. "Man muss für Kinder sparen und nicht an Kindern sparen", sagte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestages.

Moderation: Sandra Schulz |
    Sandra Schulz: Am Telefon ist nun Otto Fricke (FDP), Vorsitzender des Haushaltshausschusses des Bundestages. Guten Tag, Herr Fricke!

    Otto Fricke: Einen schönen guten Tag vom Niederrhein, Frau Schulz!

    Schulz: Herr Fricke, der Generalsekretär Ihrer Partei, Dirk Niebel, hat die am Wochenende bekannt gewordenen Pläne der großen Koalition als Sauerei bezeichnet. Teilen Sie seine Einschätzung?

    Fricke: In der Wortwahl bin ich da als Haushaltsausschussvorsitzender etwas zurückhaltender, deswegen würde ich formulieren, man muss für Kinder sparen und nicht an Kindern sparen. Und das ist eigentlich der Wahnwitz, der da gegenwärtig so läuft.

    Schulz: Das heißt konkret?

    Fricke: Das heißt ganz klar: Ich kann es mir nicht so einfach machen, dass ich sage, wir verschieben das mal aus finanziellen Gründen - das ist der eigentliche Grund -, weil ich mir vorher beim Sparen, beim Haushalt, bei den Haushaltsberatungen, weder beim Nachtragshaushalt 2007 noch beim Haushalt 2008, genügend Mühe gegeben habe noch genügend Mut gehabt habe, an bestimmter Stelle auch zu sparen.

    Schulz: Das heißt, finanziell wäre eigentlich Raum für eine Vorziehung der Erhöhung des Kindergeldes?

    Fricke: Wenn ich spare gleichzeitig, ja. Gehen wir mal von den Finanzmitteln aus. Die Erhöhung wird zwischen 2,2 und 2,6 Milliarden pro Jahr Kosten, 10 Euro, wenn wir von 10 Euro mal als Basis ausgehen, wie viel das ist, ist ja dann noch genauer festzustellen. 2,6 Milliarden bei einer Neuverschuldung von 11,9 Milliarden und einem Haushalt von zirka 270 Milliarden - da muss ich mich doch fragen als erstes: Wo gibt der Staat falsch aus? Denn politisch besteht ja Einigkeit darüber, da braucht man sich nichts vormachen: Wir wollen für Kinder mehr tun. Dann muss ich aber auch in der Lage sein, für Kinder zu sparen und zu sagen, ich verzichte auf dieses oder jenes.

    Schulz: Günther Oettinger sagt, es sei finanzpolitisch kein Raum.

    Fricke: Also, es ist interessant, Herr Laschet zum Beispiel aus NRW sagt ja, es sei Raum. Da bin ich immer ganz vorsichtig, wenn sich Landesminister dazu äußern, denn die bezahlen das ja nicht aus ihrem Haushalt. Das ist eine Leistung, die der Bund alleine bezahlen muss, und der muss es auch hinbekommen. Und wenn Herr Oettinger sagt, es sei kein Raum, dann kann er das aus seinem Haushalt so sehen. Wir haben als FDP in den am Freitagmorgen um halb drei im Ausschuss beendeten Haushaltsberatungen 11,8 Milliarden Euro Sparvorschläge gemacht. Kann man darüber streiten, ob die alle richtig sind, aber es sind sicherlich einige dabei, wo man was tun kann. Und das ist eben das, wo Politik dann wirklich arbeiten muss und zeigen muss, dass sie bereit ist, zu sparen. Neu auszugeben, zusätzlich zu geben für gute Dinge, das können wir alle, das kann jeder.

    Schulz: 11,8 Milliarden Sparvorschläge, die in der Koalition umstritten sind. Es gibt aber einen Betrag, der ganz konkret greifbar ist, das sind die 700 Millionen Euro, auf die der familienpolitische Sprecher der CSU, Johannes Singhammer, die Einspareffekte erzielt oder beziffert, besser gesagt, die daraus resultieren, dass ja auch immer weniger Kinder geboren werden. Müssten diese 700 Millionen Euro nicht direkt ans Bein gebunden werden?

    Fricke: Wäre eine Möglichkeit. Man muss nur eines dann auch ehrlicherweise sagen: Dieses Zurückgehen der Kindergeldleistungen ist ja schon längst in den Finanzplänen eingerechnet. Die habe ich gar nicht mehr. Auf die hat der Staat, hat die Große Koalition, schon längst verzichtet, und ich glaube auch, dass man da so ein bisschen versucht, etwas Falsches aufzubauen, ich will nicht sagen ein Popanz. Dieses Geld ist ein theoretisches Geld, das nie da war. Nein, man muss an anderen Dingen gucken. Wie kann es denn sein, dass eine Große Koalition, die sagt, wir wollen was für Kinder tun, gleichzeitig den Mehrwertsteuersatz für eine, ich sage mal, schöne Sache - die aber eher Leute sich leisten können, die Geld haben, nämlich für das Skifahren - senkt, indem jetzt die Mehrwertsteuer für Skilifte von 19 auf 7 Prozent runtergeht? Warum sagt eine Große Koalition nicht, wir gucken an anderer Stelle, wie wir zielgerichtet was für Kinder tun? Nein, das sind Scheingefechte, und die 700 Millionen reichen dann auch nicht aus, wenn ich pro Jahr 2,6 ausgebe.

    Schulz: Aktuell hat die Koalition zugesichert, 200 Millionen Euro mehr auszugeben für die Ausweitung des Kinderzuschlages, das scheinen also durchaus Dimensionen zu sein, die auch finanzpolitisch eine Rolle spielen.

    Fricke: Man muss da klar trennen. Der Kinderzuschlag, also dort, wo ich in finanzschwächere Familien gehe, ist eine ganz andere Frage als das Kindergeld, wo es ums Existenzminimum geht und wo wir mit dem Kinderzuschlag, das sage ich jetzt bewusst, wir alle versuchen zu erreichen, dass nicht die Frage, aus welchem Haushalt ein Kind kommt, direkt von Anfang an zu diesen Schwächen führt Nur 200 Millionen ist immer noch etwas anderes als 2,6 Milliarden, und das wird leider dabei vergessen. Und ich finde es auch bemerkenswert, dass man sagt, die 200 Millionen hebt man besonders hervor, aber die viel schwierigere, größere Summe, die für alle dann auch zu leisten wäre, die stellt man erst mal hinten an. Ich bin mir ziemlich sicher allerdings auch, dass die Koalition unter dem Druck, der jetzt entsteht, da noch ziemlich schnell wieder einbrechen wird.

    Schulz: Herr Fricke, noch eine Frage an Sie als Bundestagsabgeordneter. Es ist ja in der letzten Woche die Verabschiedung der Diätenerhöhungen durch den Bundestag gegangen. Wie wirkt eigentlich vor dem Hintergrund die Nachricht, dass zwar die Diäten erhöht werden, dass aber das Kindergeld erst im Jahr 2010 ansteigen soll?

    Fricke: Also, erstens, als Vater von drei kleinen Kindern könnte ich mich jetzt sehr schnell empören. Ich könnte es mir auch leicht machen und sagen, die FDP hat ja dagegen gestimmt. Aber in der Frage der Vernunft ist doch die Analyse wichtig. Warum macht die Große Koalition das mit den Diäten so schnell? Weil im Endeffekt sie es selber macht. Und hier zeigt sich doch eine schöne Parallelität. Die Frage, wie hoch das Kindergeld sein müsste, also das Existenzminimum, wird von einem Fachgremium entschieden, und der Bundestag setzt das dann um. Unser Vorschlag als FDP lautet ja auch bei den Diäten: Ja, verdammt noch mal, dann macht doch da genau dasselbe, nehmt ein Fachgremium, nehmt Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Kirchen, was weiß ich wen, dass die feststellen, was ist das Angemessene für eine Diät und was ist eine angemessene Erhöhung? Dann würde es übrigens in gleicher Geschwindigkeit laufen und wäre richtig. So kann das der Bürger - gebe ich ohne Weiteres zu - überhaupt nicht verstehen, und das ist eben das, wo Politik dran arbeiten muss, dass solche Vorgänge nachvollziehbarer sind. Das geht nur, wenn ich Fachgremien habe.

    Schulz: Sie sagen, ein Zeichen setzen familienpolitisch, auch über die Finanzpolitik. Heißt das, dass Sie auch finanzpolitischen Spielraum sehen für das Betreuungsgeld, das ja die CSU vor allem fordert für Familien, die sich dazu entscheiden, ihre Kinder zu betreuen zu Hause?

    Fricke: Also, jetzt könnte ich es mir auch wieder einfach machen und sagen, das ist ja erst ab 2013, mal gucken, was für eine Koalition wir dann haben, Klammer auf, der FDP-Politiker versucht natürlich zu sagen unter eigener Beteiligung, Klammer zu, aber ich will Ihnen deutlich sagen: Dafür die Finanzmittel sind gegenwärtig überhaupt nicht da. Die sind in keinem Finanzplan und nirgendwo da. Unabhängig davon, wie man ideologisch zu der Frage steht: Für mich jedenfalls ist es gegenwärtig so, dass ich ein Betreuungsgeld dann ablehne, wenn nicht der Staat dafür Sorge trägt, dass dieses Betreuungsgeld am Ende auch bei der Betreuung, also auch bei den Kindern, ankommt und nicht irgendwo anders landet. Da sind Vorschläge etwa zu sagen, das Betreuungsgeld über die Rentenversicherung oder Anrechnungszeiten oder Ähnliches verstärkt zu machen, gut, denn leider, und das ist das, was ich beim Bürger hier vor Ort ständig erfahre: Ich will nicht wieder, dass es heißt, wir zahlen Geld, und das Geld kommt nicht bei den Kindern an.

    Schulz: Was die Kinder, um die es geht, möglicherweise ja auch zu bezahlen haben werden, sind die Schulden, die wir unserem Haushalt jetzt aufladen. Der Bundesfinanzminister Steinbrück will in diesem Jahr zum ersten Mal ja seit der Wiedervereinigung einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Was ist eigentlich wichtiger, ein ausgeglichener Haushalt oder eine Familienpolitik, die auch das Signal aussendet, Nachwuchs lohnt sich?

    Fricke: Also ein ausgeglichener Bundeshaushalt ist es ja dieses Mal noch nicht, es ist Bund, Länder, Kommunen, alles zusammen wird ausgeglichen sein. Der Bund macht immer noch 11,9 Milliarden Schulden. Aber es ist beides, beides hängt zusammen, nur, es wird das Dritte dabei oft vergessen. Erstens: Ja, ich muss die Schulden soweit wie möglich runterfahren. Zweitens: Ich muss dafür sorgen, dass Leistungen an Kindern - und wir sind da bei 180 Milliarden grob ungefähr - zielgerichtet ankommen. Und drittens: All das kann ich nur machen, auch mehr Geld zur Verfügung stellen, wenn ich an anderer Stelle als Politiker sage, dafür habe ich kein Geld mehr, hier sage ich, dass ich kürze, auf diese Subvention verzichte ich, und diese Leistung ist nicht mehr angebracht oder nicht berechtigt. Nur wenn ich das alles zusammen mache, geht das. Der Versuch, zu sagen, entweder das oder das, blendet nach meiner Meinung den Bürger und den Wähler und insbesondere den Steuerzahler, weil er nämlich dann am Ende für die eine oder andere Seite wieder bezahlen muss.

    Schulz: Also, wenn es nach der FDP geht, um welchen Betrag steigt dann das Kindergeld ab 2009?

    Fricke: Um genau das, was die Kommission uns sagen wird, was das Existenzminimum sichern wird. Wenn das die zehn Euro sind, dann würden wir das machen, aber ich sage da ganz bewusst: Die Fachleute werden mir das genau ausrechnen, was das Existenzminimum ist, damit folgt der Bundestag dann auch den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes, und dann gilt eben weiterhin auch immer die Abwägung zu der Tatsache, dass auf Schuldenbergen Kinder nun mal nicht spielen können.

    Schulz: Otto Fricke war das, der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestages und Abgeordneter der FDP. Vielen Dank Ihnen.

    Fricke: Ich danke.