Donnerstag, 02. Mai 2024

FDP in der Krise
Liberale „Wirtschaftswende“ sorgt für Unruhe in der Ampel

Der FDP-Plan zur Beschleunigung der Wirtschaftswende stößt vor allem bei der SPD auf Kritik. Das führt zu Spekulationen über einen Ausstieg der FDP aus der Ampelkoalition. Doch welche Möglichkeiten hätten die Liberalen dann noch?

29.04.2024
    Das Logo der FDP beim Europaparteitag im Januar 2024 in Berlin
    Liberale schärfen ihr Profil: Die FDP hat Vorschläge für eine "Wirtschaftswende" vorgelegt, die Einschnitte im Sozialstaat vorsehen. (picture alliance / dts-Agentur / -)
    Wie stabil ist die Bundesregierung? Ein Zwölf-Punkte-Plan der FDP „zur Beschleunigung der Wirtschaftswende“ hat vor allem bei der SPD für Verstimmungen gesorgt und Spekulationen über das Ende der Ampelkoalition befeuert. Während die Liberalen mit ihrem Vorhaben der Wirtschaft zu mehr Wettbewerbsfähigkeit verhelfen wollen, erkennt die SPD in dem gleichen Plan vor allem einen Abbau von Sozialpolitik. Am 27. April 2024 haben die Freien Demokraten den fünf Tage zuvor veröffentlichten Plan mit großer Zustimmung im Rahmen ihres Parteitags in Berlin verabschiedet.

    Inhalt

    Welche Auswirkungen hat das FDP-Konzept auf die Ampelkoalition?

    Dass die Koalition aufgrund des Parteikonzepts zur „Wirtschaftswende“ auseinanderbricht, scheint unwahrscheinlich – auch deshalb, weil es der FDP an Alternativen mangelt. Zudem: Uneinigkeiten zwischen den ungleichen Koalitionspartnern sind nicht neu. Sie führten bislang zwar zu Streit, ins Wanken geriet die Koalition aber nicht. Zum Beispiel fordert die SPD höhere Steuern für Reiche. Sozialdemokraten und Grüne wollen zudem die Schuldenbremse anpassen. Die FDP lehnt beides ab.
    FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai betonte im Rahmen des Parteitags am 27. April, dass der Plan – anders als von CSU-Chef Markus Söder zuvor behauptet – „kein Scheidungsantrag an die Koalition“ sei. Das Wirtschaftswende-Papier sei vielmehr „eine Liebeserklärung an Deutschland, an unser Land“.
    Andreas Audretsch, stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Grünen, sprach im Dlf von „starken Bekenntnissen“ durch Bijan Djir-Sarai und Christian Lindner während des Parteitags zur gemeinsamen Arbeit in der Koalition.

    Welche Möglichkeiten hat die FDP jetzt?

    Eher wenige. Die FDP erreicht in Umfragen bundesweit nur zwischen vier und fünf Prozent. Im aktuellen Bundestag besetzt die FDP hingegen etwa zwölf Prozent der Sitze, Neuwahlen sind für die Liberalen also nicht attraktiv. Die Partei könnte den Einzug in den Bundestag aufgrund der Fünf-Prozent-Hürde sogar verpassen.
    Im Gegensatz zu den Liberalen hätten Grüne und SPD eine ausreichende Zahl an Stammwählern, sagt der Politologe Uwe Jun. Deshalb sei es für die FDP besonders bedrohlich, dass die Ampelkoalition so wenig Zuspruch bekommt.
    Was wäre mit einer Ablösung der aktuellen Regierung mithilfe der Opposition? Auch dieses Szenario erscheint eher unwahrscheinlich. Ein Wechsel der FDP zur Union ginge nur zusammen mit den Grünen – schwierig genug angesichts inhaltlicher Differenzen.
    Zudem: Welches Interesse sollte die Union an einer schnellen Regierungsübernahme haben? Sie setzt, wie CSU-Chef Markus Söder betont, auf Neuwahlen, von denen sie sich Zugewinne erhofft.
    In den Augen von Politologe Marc Debus steckt die FDP also in einem Dilemma: Einerseits sei die Ampel in der Anhängerschaft der Liberalen sehr unbeliebt – trotzdem hält er ein Festhalten der FDP an der Koalition für die beste Alternative.
    Debus: „Wenn man jetzt in der Koalition verbleibt, versucht, sich programmatisch zu positionieren, und noch anderthalb Jahre bis zur nächsten Wahl Zeit hat, kann das ja durchaus verfangen. Auch vor dem Hintergrund, dass man nicht weiß, was in den nächsten anderthalb Jahren für Themen auf die Agenda kommen, von denen die FDP vielleicht im Hinblick auf die Stimmung in der Bevölkerung profitieren könnte.“

    Was beinhaltet das FDP-Positionspapier zur „Wirtschaftswende“?

    Ganz oben steht für die Liberalen der Bürokratieabbau. Weitere Punkte betreffen den Sozialbereich: So sollen die Sanktionen beim Bürgergeld verschärft werden sowie der Solidaritätszuschlag und die Rente mit 63 wegfallen. Die FDP spricht sich zudem dafür aus, die Förderung erneuerbarer Energien schnellstmöglich zu beenden und das Lieferkettengesetz auszusetzen. Die meisten Forderungen sind nicht neu, sondern klassische FDP-Positionen.
    Doch wozu dient der FDP das Positionspapier? Einerseits dürfte es um Aufmerksamkeit für den Parteitag am 27. und 28. April 2024 gehen. Anderseits wollen die Liberalen angesichts der Europawahl im Juni und der Bundestagswahl 2025 unter dem Schlagwort „Wirtschaftswende“ die eigenen Reihen schließen. Dafür soll das Profil geschärft werden – unabhängig von der bestehenden Regierungskoalition.
    cp, jma